Weniger die filmästhetische oder handwerklich stimmige Umsetzung hat Christian Bos im Blick, wenn er im KStA wie folgt kommentiert:
ZitatAlles anzeigenErstellt 18.09.2013
Dieser Mercedes bremst für die spielenden Mädchen - vor dem kleinen Adolf aber nicht. Foto: dpa
Der Kurzfilm, in dem ein Mercedes den kleinen Adolf totfährt, wurde jetzt mit einem Preis ausgezeichnet. Völlig zu unrecht, denn Kinder totfahren bleibt immer falsch - auch wenn es sich um Hitler handelt. Anstoß, der Kommentar. Von Christian Bos
Zwei Mädchen in sackartigen Gewändern spielen auf der Straße. Könnte die Farbversion von Michael Hanekes „Das weiße Band“ sein. Die silberne Limousine, die von rechts heranfährt, passt jedenfalls nicht ins Bild. Immerhin, sie kommt rechtzeitig zum Stehen. Dann nimmt sie wieder Fahrt auf.
Im Gegenschnitt lässt ein Junge einen Drachen steigen, schaut in den Himmel, rennt blindlings auf die Straße. Diesmal hält der Mercedes-Benz voll drauf. Die Mutter kommt herbeigestürzt, ruft „Adolf!“, und dann sehen wir – für alle, die es noch nicht verstanden haben – den Unfallflüchtigen am Ortsschild vorbeifahren: „Braunau am Inn“.
Schließlich der Slogan, weiß auf schwarz, in der bekannten Schrifttype: „Erkennt Gefahren, bevor sie entstehen.“
Für diesen höchst inoffiziellen Einminüter hat der junge Regisseur Tobias Haase den First Steps Award erhalten.
Wenn Sie mich fragen: Völlig zu Unrecht.
Ein filmisch schön umgesetzter Studentenulk macht noch keinen guten Werbespot. Der Frage nachzugehen, was gewesen wäre, hätte Hitler nie gelebt, ist der Klassiker der Eventualgeschichte. Ebenso wie die Fantasie, in der Zeit zurückzureisen und Hitlers Aufstieg zu verhindern – per Schusswaffe, Mercedes oder unfruchtbar machendem Medikament wie in Stephen Frys „Geschichte machen“. In Frys Satire kann man auch nachlesen, dass sich durch den Eingriff in die Geschichte alles nur zum noch Schlechteren gewandelt hat. Aber so weit muss man gar nicht spekulieren.
Ein kleiner Junge ist kein Massenmörder. Er kann höchstens einer werden. Haases Film zeigt schlicht einen Mercedes, der ein Kind totfährt. Mir tun der kleine Adolf und seine Mutter leid. Kinder totfahren bleibt immer falsch, egal von welcher hypothetischen Situation man ausgeht.
Und als Werbeidee gehört sie nicht mutig verfochten – wie die Jury des Nachwuchsfilmpreises anregte – sondern in den Papierkorb.
Quelle: KStA