'Witzfiguren' wie Hitler?

  • Seit Jahren wird oftmals heftig darüber gestritten, ob man Hitler, Mussolini und andere Faschisten filmisch oder literarisch als Witzfigur darstellen dürfe oder ob man ihre Taten dadurch verharmlost.
    Der Filmklassiker, Charlie Chaplins "Diktator", hatte Maßstäbe gesetzt und dem Argument, durch Satire sei oft mehr zu erreichen als durch strenge Sachlichkeit, Nachdruck verliehen.


    Hier nun ein Kurzfilm, der mir auffiel und den ich euch gerne vorstellen möchte. Er beschäftigt sich mit dem wenig beachteten Austrofaschismus und dessen zentraler Figur Engelbert Dollfuß.
    Heldenkanzler,
    13 Min.

    Regie: Benjamin Swiczinsky
    Producer: Hanna Kaesemann
    Animation: Benjamin Swiczinsky, Kim Quay Nguyen, Bin Han To, Deborah Kopanitsak
    Motion Design: Anja Hartmann
    Filmmusik: Alexander Zlamal
    Sprecher: Philipp Hochhauser, Erwin Leder


    Wien 1933 – Parlament. Viele Abgeordnete reden durcheinander. Ein winziger Mann stemmt sich auf das Rednerpult. Es ist Engelbert Dollfuß. Die anderen Parlamentarier machen sich lautstark über ihn lustig. Eine Schlägerei bricht im Parlament aus. Der kleine Mann entflieht dem aufgewühlten Parlament und flüchtet sich ins nächste Kino, wo er eine Wochenschau ansieht, in der die großartige Idee des europäischen Faschismus, wie in einem Werbefilm beworben wird: Dollfuß ist begeistert.
    Quelle: Badenwürttembergische Filmakademie



    Mein Film HELDENKANZLER bekam kürzlich zwei Preise.
    Grund genug für einen schon lange ausstehenden Blog-Eintrag:
    Beim DOK-Leipzig Festival den Preis für den besten deutschen Animationsfilm.
    Hier die Jury-Begründung:

    Für seine anspruchsvolle Mischung aus Trickfilm und historischem Filmmaterial, um damit die Aufmerksamkeit auf eine immer noch kontroverse faschistischen Aspekt der Geschichte Österreichs zu lenken.
    http://www.dok-leipzig.de/fest…/best_deutsche_anima_2011


    und beim Kölner kurzundschön-Festival den Preis für den besten Kurzfilm.
    Hier ebenfalls die Jurybegründung:

    Auf eine ebenso witzige wie provokante und verstörende Weise widmet sich Benjamin Swiczinsky in seinem Film "Heldenkanzler" einem bislang wenig behandelten Thema, dem Austrofaschismus und dessen zentraler Figur Engelbert Dollfuß. In seinen Animationen die faschistische Ästhetik nachempfindend und zugleich zur Karikatur überzeichnend erzählt Benjamin Swiczinsky vom Aufstieg Dollfuß' und der Etablierung des austrofaschistischen Regimes. Doch wenn faschistische Diktatoren kleine Comicfiguren werden, sind sie dann am Ende vielleicht nur noch lustig?
    Dieser Gefahr der Verniedlichung, der Verharmlosung faschistischer Diktatoren entgeht der Regisseur sehr gekonnt, indem er den Gedanken, Wünschen und Handlungen der Comicfigur Engelbert Dollfuß die ganz realen Konsequenzen gegenüberstellt. Er kombiniert die animierte Welt mit Archivbildern, die einen starken Kontrast zur Welt der Animation bilden und keinen Moment die Auswirkungen des Faschismus vergessen lassen. "Heldenkanzler" ist eine Gradwanderung zwischen Lachen und Erschrecken, zwischen Aufklärung und Unterhaltung, die auf verblüffende Weise gelungen ist.
    Jurybegründung: Andrea Hanke

    http://www.kurzundschoen.khm.d…traeger_2011.php#kurzfilm
    Quelle: benjamins lubu blog
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  • Zur Person Engelbert Dollfuß :



    akustische-chronik.at

    Engelbert Dollfuß (* 4. Oktober 1892 in Texing, Niederösterreich; † 25. Juli 1934 in Wien) war ein österreichischer Politiker. Er fungierte von 1931 bis 1933 als Landwirtschaftsminister und von 1932 bis 1934 als Bundeskanzler, ab 5. März 1933 diktatorisch regierend. Dollfuß war Begründer des austrofaschistischen Ständestaats.
    1932 auf demokratischem Weg ins Kanzleramt gelangt, nützte Dollfuß eine Geschäftsordnungskrise bei der Nationalratssitzung vom 4. März 1933 zu einem Staatsstreich.
    Nach der Ausschaltung von Parlament und Verfassungsgerichtshof regierte Dollfuß diktatorisch per Notverordnung. Dem italienischen Faschismus und der katholischen Kirche nahestehend, lehnte er den Nationalsozialismus deutscher Prägung, die durch die Verfassung garantierte pluralistische Demokratie, den demokratischen Rechtsstaat und die Sozialdemokratie ab.

    Beim letztlich erfolglosen Juliputsch österreichischer Nationalsozialisten wurde er 1934 im Bundeskanzleramt ermordet.
    Quelle und weitere Informationen

  • Mir ist wohl aufgrund meiner bescheidenen Kenntnisse über den Austrofaschismus der Humor ein wenig entgangen. Fast alles was dort parodiert wurde kannte ich höchstens oberflächlich. Für eine Faschismusveralberung fand ich das noch recht harmlos. Gerade zum Ende hin wird die Moral sehr erdrückend und präsentiert sich als das eigentliche Leitmotiv.


    Allerdings ist das ein sehr interessantes Thema zum diskutieren.


  • Politische Karikaturen haben eine lange Tradition, je rigider der politische Druck, desto kreativer die spottende Gegenwehr.
    Aber auch in 'normalen' Zeiten finden sich vielfältige und bissige Beispiele.


    Der Anlass:


    Für sehr heftige öffentliche Kritik sorgte Oettinger am 11. April 2007 mit seiner Trauerrede beim Staatsakt im Freiburger Münster zum Begräbnis von Hans Filbinger, einem seiner Vorgänger im Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, der 1978 nach öffentlichem Druck zurückgetreten war. Oettinger hatte in dieser Rede ausgeführt:
    „Anders als in einigen Nachrufen zu lesen, gilt es festzuhalten: Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war ein Gegner des NS-Regimes. […] Es bleibt festzuhalten: Es gibt kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte.“[38]
    Oettinger wurde dafür von verschiedener Seite öffentlich kritisiert. Der Dramatiker Rolf Hochhuth[39] verwies darauf, dass Filbinger als Marinestabsrichter gegen den Deserteur Walter Gröger ein Todesurteil beantragt hatte. Infolge des Urteils wurde Gröger am 16. März 1945 erschossen.


    Die Karikatur:


  • Hitler Karikaturen findet man jede Menge im Netz. Die hier dürfte sicher einigen Foristen gefallen:




    Walt Disney hatte schon vor Chaplins "Großer Diktator" Cartoons gegen das NS-Regime produziert, in denen auch Hitler parodiert wurde. Der im Internet bekannteste ist Education of Death, den ich mal herausgesucht habe (garnicht so einfach, dank deutscher Zensur ^^), der allerdings aus dem Jahre 1943 stammt:


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    Ich hoffe es ist auch auf Englisch. Hab keinen Ton um das zu verifizieren. Vielleicht kennen den Clip auch schon einige :)

  • Im folgenden Werbespot wird für ein spielendes Mädchen gebremst, der kleine 'Adolf' hingegen wird bewusst überfahren und getötet.
    Als "Ulk" eines Filmstudenten wird der Spot bezeichnet und prompt mit dem Nachwuchspreis 'First Steps Award' sowie 10000.- € ausgezeichnet.
    Mercedes-Benz legt Wert auf den Hinweis "Unautorisierter Spot! Keine Verbindung zu Mercedes-Benz /Daimler AG" und wird's mit gemischten Gefühlen betrachten.

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    Ist der Spot seine Auszeichnung wert, was meint ihr? ?(

  • Ja, in meinen Augen schon. Ich verstehe das auch nicht als Ulk, auch nicht als Werbung, sondern als einen kritischen Beitrag, ich kann mich natürlich täuschen (no time4google).


    Um was geht es denn thematisch, wenn nicht darum, dass wir unsere Entscheidungen beim Autofahren zukünftig einem Fahrassistenten überlassen sollen. Nicht wir sondern das Auto fährt vorausschauend, die technische Perfektion wird dafür auf die Spitze getrieben, die Software so programmiert, dass sie noch wesentlich weiter voraus schaut als wir Menschen jemals in der Lage sein werden. Die Technik entscheidet ob ein Leben lebenswert ist oder nicht. Pervers, aber doch gut zur Diskussion gestellt. Dass die Marke Mercedes überhaupt zur Anwendung kommen durfte, ist entweder eine Großzügigkeit von deren Seite, oder sie verstehen auch Antiwerbung als Werbung. Studenten haben in ihrer Umsetzung und Ideenfindung mehr Freiheiten als die Arbeitenden in der freien Wirtschaft (der Mut deutscher Unternehmer zu kreativen Ideen ist ... ok ich will bhier nicht jammern, aber die deutsche Werbung ist ein Jammertal) es nachher zulässt. Das ist ein hohes Gut, das wir schätzen sollten und wir sollten uns bei dem ganzen Hype um Technik, den daraus resultierenden ethischen Fragen dringend stellen.


    Die Umsetzung der Bilder, die Atmosphäre, die gezeigten Typen, Storyboard und Konzept sind dafür dass das "nur" Studenten erarbeitet haben, konsequent umgesetzt. Ja ich finde die Auszeichnung verdient.



  • Handwerklich ist es von einer professionellen Werbeproduktion garnicht zu unterscheiden. Die Pointe sitzt ebenfalls. Also von daher hat es schon eine Auszeichnung verdient. Natürlich weiß ich nicht, ob die Konkurrenz noch bessere Produktionen abgeliefert hat, aber zumindest das hier war hervorragend.

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