Akustik-Müll -oder- wird Zwangsberieselung zum Suchtphänomen?

  • Nach meiner langjährigen freiberuflichen Tätigkeit bin ich jetzt seit ca. eineinhalb Jahren wieder abhängig beschäftigt.
    Die Arbeit als solches macht mir Spaß und ist "meinem Alter entsprechend ausgelegt" :-).


    Wie gesagt, die Arbeit macht mir Spaß und ist interessant und abwechslungsreich.
    Nur das begleitende Umfeld lässt in meinen Augen zu wünschen übrig.
    Ich will garnicht von den zwischenmenschlichen, kollegialen Interaktionen schreiben,
    die mir zum ersten Mal in meiner langjährigen Berufspraxis (über 50 Jahre) absolut negativ daherkommen,
    sondern über ein Phänomen, dass mir bisher unbekannt war, dem Akustik-Müll.


    An meinem Arbeitsplatz - eine gewisse Art von Großraumbüro - bin ich seit diesen eineinhalb Jahren einer Dauerberieselung durch den Sender SWR3 ausgesetzt.
    Zwei Radios beschallen mich Tag für Tag mit dem gleichen Einheitsbrei an sog. "aktueller Musik".
    Einige Songs habe ich in dieser Zeit bestimmt gefühlt ca. 1000mal hören müssen.


    Da ich eine Arbeit habe, bei der ich mich sehr konzentrieren muss, wird diese Geräuschkulisse zunehmend zu einem Problem für mich.
    Ich möchte zwar weghören, überhören, ignorieren aber je mehr ich das versuche, je mehr ergreift dieser Akustik-Müll Besitz von mir.


    Einige Male, in denen die jüngeren Kollegen in der Mittagspause waren, habe ich "unverschämter Weise" ein Radio ausgeschaltet.
    Nach dem die Kollegen aus der Mittagspause kamen, war die erste Frage: "Huch, ist das Radio kaputt?".
    Nachdem ich das verneinte, sondern gestand, dass ich das Radio ausgeschaltet hatte, wurde der Kasten unmittelbar wieder eingeschaltet.


    Jetzt wurde mir schlagartig klar, dass wir es hier augenscheinlich mit einem Suchtproblem zu tun haben
    oder zumindest mit dem Phänomen, das Stille nicht mehr ertragen werden kann.


    Weitere Versuche, den Akustik-Müll zu unterbinden, sind bisher kläglich gescheitert.
    Ein Kollege argumentierte, als ich die Angelegenheit zur Sprache brachte: "Dieser Einheitsbrei ist bei jedem Sender so und ich höre da sowieso nicht hin."
    Lustig, nicht wahr? Die Kiste muss den ganzen Tag laufen aber keiner hört hin? Wie krank ist das denn?


    Ich bin hier wohl an Kollegen geraten, die ohne die tägliche Berieselung mit diesen Geräuschen nicht mehr ihre Leistungsfähigkeit gewährleisten können.
    Das erinnert mich stark an Suchtverhalten, bei dem ohne Aufputschmittel aller Art eine Arbeitsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist.


    Leben wir jetzt in einer Zeit, in der wir uns dieser akustischen Belastung permanent aussetzen müssen, ohne etwas dagegen tun zu können?


    Seitdem mich diese Akustik-Müll-Frage beschäftigt, nehme ich meine Umgebung anders war und stelle fest, das Phänomen geht weit über meinen Arbeitsplatz hinaus.
    Im Supermarkt oder beim Zahnarzt etc. werde ich ebenfalls berieselt und kann mich nicht dagegen wehren.


    Während ich bei unvermeidlichen Geräuschen noch Einsicht zeige (Autolärm, Baustellenkrach etc.), fällt mir das bei anderem aufgezwungenen Geräuschen zunehmend schwerer.


    Wenn ich schon diese Zwangsberieselung durch Radio auf mich nehmen muss, dann bitte nicht jeden Tag xMal die gleiche Sch..ße.
    Hier geht ganz klar der Vorwurf an die Sender, dass sie die eigenen kommerziellen Interessen über die Interessen der Zuhörerschaft stellen.
    Das ist nicht nur beim SWR3 so, sondern z.B. auch beim WDR2.


    Meine Recherchen im Internet haben ergeben, dass ausnahmslos fast alle regionalen Sender hier in eine neagtive, zuhörerfeindliche Sendestruktur verfallen sind.
    Mein Appell an diese Sender: Denkt an die armen geplagten Arbeitnehmer, die diese sch...ß Zwangsberieselung den ganzen Tag über sich ergehen lassen müssen!
    Habt Erbarmen und habt ein Einsehen! Geld ist nicht alles!


    Liebe Leser, versteht mich nicht falsch, ich höre gerne Musik, nur will ich das freiwillig tun und nicht gezwungen werden.
    Auch gilt: Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.


    Da ich hier offensichtlich machtlos bin, werde ich wohl als Notwehrmaßnahme in Kürze mein eigenes Radio mit in den Betrieb nehmen und meinen "Lieblingssender" laufen lassen.
    Das wird bestimmt ein "HeidenSpaß" und den Kollegen dürfte es egal sein, schließlich geht es ja nur um die Geräuschkulisse (siehe Sucht).


    Stille ist wohl unerträglich und der wahre Feind des Menschen in der heutigen Zeit, oder? - Schade -


    Stille macht nicht krank aber Lärm macht krank.

  • Da finde ich das eigene Radio als Notwehrmaßnahme besser.


    Die Menschen müssen am eigenen Leibe erfahren, was sie anderen antun.


    Im Übrigen muss ich nicht von solchen permanenten Nebengeräuschen berieselt werden. Ich brauche das nicht.

  • Ich bin auch ein RadioJunkie, kann den Hintergrund allerdings auch total ausblenden. Ohren hochklappen.


    Das kann dann allerdings auch schon mal Menschen treffen, die neben mir stehen.


    Dass man die Berieselung oft nicht selbst abstellen kann, ist ätzend. Am schlimmsten sind für mich die berühmt-berüchtigten Warteschleifen. Kaufhäuser? Manchmal höre ich, meistens hänge ich in meinen eigenen Gedanken.


    Die Dauerberieselung ist durchaus ein Problem.


    Ruhe ist die Ausnahme, ähnlich wie die Muße.


    P. S. Das Blöde bei der Radioberieselung: Irgendwann möchte man auch die "guten" Songs einfach nicht mehr hören ;(

  • P. S. Das Blöde bei der Radioberieselung: Irgendwann möchte man auch die "guten" Songs einfach nicht mehr hören


    So ist es. Schade drum. Das öffentlich-rechtliche Radio demontiert sich nach und nach selbst. Das ist eine Chance für die Internet-Radios. :thumbsup:


    Übrigens: "RadioJunkie" finde ich gut. ...hihi...

  • hellau willi,


    mal ne Frage: Wie "laut" sind die Radios eingestellt ?? Haben sie auch, wie in Venezuela, Disco-lautstaerke ?? Egal, wo ich mich befinde, bei den Laerm verliebten Indios, kommst du als "Normalverbraucher in Sachen Musik" nicht ungeschoren davon. Es ist nicht nur die fuer einen Europaeer "unertraegliche" Musik, sondern der Pegel, der bei gefuehlten 100 db liegt, der den Fluchtinstinkt weckt.


    Deshalb: Ich nutze nur Busse, die entweder gar keine Musik anbieten, oder wenn schon, dann dezent. Die gibt es tatsaechlich. Das sind die klimatisierten roten Komfortbusse, in denen aeltere Menschen sogar fuer umsonst fahren koennen. (Dank Sozialismus) :)


    Auch hier dudeln in jedem Buero, eigentlich ueberall, aneinander gereihte Toene, die meine Ohren kaum ertragen koennen. Fuer die Venezols geradezu ein Genuss. Aber auch ihre lauten Hupen geniessen die animalen Indios jeden Tag in den schrillsten Variationen.


    Wenn du also diesem "Terror" entkommen willst, bleibt dir nur die Selbststaendigkeit uebrig. 8)


    Habe die Ehre

  • Ja dieses Leid kann ich teilen. Ich war mal einem Büro zugeteilt, wo ebenfalls den ganzen Tag SWR3 lief. Jede Stunde dieselben dösigen Dödellieder. Man muss geisitg schon erheblich abgestumpft sein, um diesen Mist jeden Tag in Dauerschleife ertragen zu können.


    Nach ein paar Tagen der Folter fragte ich die übermässig introvierte, schweigsame Radiobesitzerin ob sie zur Abwechslung nicht mal fröhliche Musik spielen wolle. Ich würde sonst Depressionen bekommen. Sie überlegte ein paar Sekunden und antwortete dann nur "Also ich mag die Musik" und liess weiterdudeln.


    Wieder ein paar Tage später, und nach einer Nacht in der mich diese stumpfsinnigen Radiotöne dermassen in Panik versetzt haben, daß ich kein Auge zudrücken konnte, bat ich die Kollegen im Büro doch absofort Kopfhörer mitzubringen, wenn sie denn unbedingt Musik hören müssten. Da man mir aber nicht glauben wollte, daß ich unter erheblichen Konzentrationsstörungen litt und meiner Arbeit kaum noch nachgehen konnte, mussten wir das über den Chef erklären.


    Radios wurden ausgestellt, einige Blödeljunkies brachten dann tatsächlich Kopfhörer mit, aber mit diesen hatten sie dann offenbar keine Lust mehr den ganzen Tag hirnerweichenden Tönen zu lauschen. Entweder hörten sie nur hin und wieder Musik, oder liessen es ganz sein.




    Übrigens auf Raido Köln läuft, außer an Karneval dieselbe eintönige Langeweile. In jeder Region Deutschlands ist ca. ein halbes Dutzend Sender empfangbar, die allesamt den selben Driss Tag für Tag abspulen. Diese Sender behaupten zwar gerne, sie würden aktuelle Musik spielen, oder die größten Hits, wenn man sich dann doch mal durch die globalen Musikcharts wühlt stellt man fest, daß dies nur eine äußerst selektive Auswahl der lahmarschigsten Chartlieder seit den 80ern ist.


    Jeder Popsong, der noch einigermaßen gute Stimmung verbreiten könnte, wird herausgefiltert. Im Radio läuft dann eben nur der Schnarchnasenpop für den tatortliebenden Michel. Was für ein langweiliges Drecksvolk :)

  • Das öffentlich-rechtliche Radio demontiert sich nach und nach selbst.


    Wenn es nur so wäre! Obwohl viele Hörer sich über den Musikbrei beschweren, hat z. B. WDR2 eine enorme Reichweite.


    Die hören sich die Beschwerden an ... und machen dann fröhlich genauso weiter.


    "allesamt den selben Driss Tag für Tag abspulen."


    Nicht nur das, schalt' mal von RadioKöln um auf RadioLev. Die spielen eine gemeinsame Playliste. Da hilft dann allenfalls noch kurzfristig BigFM ... oder doch Ruhe :thumbsup:

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