Nu sach bloss. Und das ist die Rechtfertigung einen autonomen Staat zu besetzen?
Dann kann sich ja Österreich auch Südtirol zurückholen. Die wären auch einverstanden.
Manchmal machen auch zunächst absurd erscheinende Vergleiche eine Sache klarer.
Der Ukrainer Jaroslaw Hrytsak* lenkt in seinem Aufsatz: 'Revolution der Würde' aus dem Band 'Majdan! - Ukraine, Europa' die Aufmerksamkeit auf das "Wertesystem der sogenannten geschlossenen Gesellschaft", das es in der Ukraine zu verändern gelte, ein wesentlicher Aspekt nicht nur der Majdan-Bewegung:
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Die Ukraine übersteht auch diese Zerreißrobe
Auszug:
Seit 20 Jahren debattieren sowohl Ukrainer als auch russische und westliche Politiker, Wissenschaftler und Publizisten die Frage, ob der Ukraine die Spaltung in einen westlichen und einen östlichen Teil drohe. Die These, dass sich die Ukraine spalten werde, hat zuerst die CIA in ihrer Analyse der politischen Situation in der Ukraine 1993 aufgebracht.
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Entgegen allen Prognosen der CIA ist es nach den Wahlen 1994 weder zu einem Bürgerkrieg noch zu einer Spaltung des Landes gekommen. Diese Situation hat sich nach 1994 noch ein paar Mal wiederholt. Am stärksten traten die Konflikte während der Präsidentschaftswahlen 2004 und der sich daran anschließenden Orangenen Revolution hervor. Auch damals schien die Ukraine kurz vor der Spaltung zu stehen, dieses Mal standen sich "Juschtschenkos Ukraine" und "Janukowitschs Ukraine" gegenüber. Zum Glück hat die Ukraine auch diese Zerreißprobe heil und unbeschadet überstanden.
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die Werte, die die meisten Ukrainer, ganz gleich ob im Westen oder Osten des Landes, teilen, verhindern die Durchführung radikaler politischer und wirtschaftlicher Reformen. Es sind die Werte der sogenannten geschlossenen Gesellschaft, in der Angst und Misstrauen dominieren und in der die Menschen nur ein Ziel kennen - sich und ihre Angehörigen vor Veränderungen zu schützen.
Deswegen ist es die wichtigste Aufgabe für jeden verantwortungsvollen Politiker, für jede verantwortungsvolle Partei, sowohl als Regierungspartei als auch als Oppositionskraft, das Werteklima zu ändern.
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Es ist nicht möglich, die Ereignisse auf dem Euro-Maidan vollkommen zu verstehen, wenn man die Werte nicht mit einbezieht. Nicht umsonst nennen die Maidan-Anhänger ihren Protest Revolution der Würde. Der Revolution gingen bewusste und durchaus konsequente Versuche der Intellektuellen voraus, den Diskurs der Opposition von den Identitäten hin auf die Werte zu lenken.
Häufig werden diese Einstellungen als europäische Werte bezeichnet. Das ist natürlich in gewisser Weise ein irreführender Begriff, denn im Grunde genommen handelt es sich um allgemeingültige Werte.
Man findet sie in der Occupy-Bewegung und in der brasilianischen Jugend, die gegen ihre Regierung protestiert oder bei den Demonstranten auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Aber in der Vorstellung vieler Menschen, besonders der jungen Ukrainer, werden diese Werte in erster Linie mit Europa in Verbindung gebracht.
Die bittere Ironie der Situation liegt darin, dass Europa, sowohl unter den EU-Bürokraten, als auch unter vielen europäischen Analytikern diesen Werteaspekt der ukrainischen Revolution übersieht.
Politiker, Bürokraten, Sozialwissenschaftler und Journalisten reden weiterhin nur über Identitäten, es geht dann um die aktive Rolle der ukrainischen rechten Nationalisten auf dem Maidan oder eine drohende Spaltung des Landes. Und mit dieser Haltung spielen sie, so fürchte ich, dem Kreml in die Hände, der gern nicht nur die Krim, sondern auch den Donbass unter seine Fittiche nehmen würde.
Gastbeitrag bei SPON
*Jaroslaw Hrytsak, Jahrgang 1960, ist Historiker, Publizist, Professor für Geschichte an der Katholischen Universität Lwiw.