9. November - Mauerfall

  • Der 9. November wird bekanntlich als 'Schicksalstag' der Deutschen bezeichnet, weil Einschneidendes gerade an diesem Datum geschah. Siehe auch hier.


    Heute ist der Jahrestag des 'Mauerfalls' vor 24 Jahren.
    Was ihr damit verbindet, weiß ich nicht. Für mich war es damals ein aufwühlendes, sehr emotionales Erlebnis. Ich erinnere mich, dass ich fast ungläubig das Geschehen am TV-Bildschirm verfolgte. Die Bilder von VoPos und Grenzschützern mit angespannten Mienen,

    ihnen gegenüber entschlossene aber freundliche Demonstranten - und endlich der Durchbruch: Rückzug von Polizei und Grenzschutz. Erst zaghaftes, dann immer entschlosseneres Berühren der Mauer. Einzelne wagten sich hinauf, zogen Andere nach, bis schließlich eine riesige Menschenmenge vor, hinter und vor allem auf der Mauer stand, saß, tanzte, Feuerzeuge entzündete und sang.


    Die Durchgänge waren mittlerweile offen, Ostberliner strömten herbei, wollten sich vergewissern, dass die Radiomeldungen wahr waren und machten sich auf in die hell erleuchtete Konsumwelt des Berliner Westens.

    Trabis, manchmal auch Skodas knatterten heran, wurden mit begeisterten Klapsen aufs Autodach empfangen, die Insassen mit Willkommensgrüßen und manchem Schluck aus diversen Pullen versorgt.
    Volksfeststimmung.
    Und bei uns zu Hause Aufatmen, als wir endlich den Nachbarn unserer Ostverwandten erreichten. Der einzige, der dort weit und breit stolzer Besitzer eines Telefons war - weil Stasifunktionär. Das haben wir allerdings erst später erfahren, für uns war er immer der nette Nachbar unserer Leute gewesen.
    Ich hab' noch das hemmungslose Weinen einer angeheirateten Cousine im Ohr, die immer wieder fragte, ob sie jetzt wirklich auch zu uns reisen dürfe.


    Für diejenigen, die keine Besuche bei 'Ostverwandten' gemacht haben, mag das alles entferntes Geschichtsgeschehen sein. Für mich ist es immer noch nah. Zu zornerfüllt sind wir bei mancher Grenzkontrolle gewesen. Das misstrauische Spiegeln des PKW-Bodens, das Ausräumen des gesamten Gepäcks, schikanös detailliertes Auflisten jedes einzelnen Geschenks aufs DDR-Formular und dann provozierend grinsendes 'Nu gänse wied'r einbogg'n.'


    Nun ist auch das Geschichte, die Erleichterung spürbar und die angeheiratete Ostverwandtschaft kennt und liebt Köln und seine Bewohner nicht nur aus der Ferne. ;)


    Wer sich für Berichte zum damaligen Geschehen interessiert, wird hier sicher fündig. :thumbup:


    Fotos: Merkur-online.de

  • Für mich ist es immer noch nah. Zu zornerfüllt sind wir bei mancher Grenzkontrolle gewesen. Das misstrauische Spiegeln des PKW-Bodens, das Ausräumen des gesamten Gepäcks, schikanös detailliertes Auflisten jedes einzelnen Geschenks aufs DDR-Formular und dann provozierend grinsendes 'Nu gänse wied'r eenbogg'n.'


    Allerdings. Die haben ihren Job echt geliebt.
    Sogar den Knopf zum hupen in der Lenkradmitte musste ich rausbauen.


  • Er ist zwar kitschig, aber selten hat ein politischer Popsong die Stimmung einer Zeit so auf den Punkt und die Leute zum Mitsingen gebracht wie dieser. Deshalb gebührt ihm hier ein Plätzchen :
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    Wind of Change
    I follow the Moskva
    And down to Gorky Park
    Listening to the wind of change


    An August summer night
    Soldiers passing by
    Listening to the wind of change


    The world is closing in
    And did you ever think
    That we could be so close, like brothers


    The future's in the air
    I can feel it everywhere
    Blowing with the wind of change


    Take me to the magic of the moment
    On a glory night
    Where the children of tomorrow dream away
    In the wind of change


    Walking down the street
    And distant memories
    Are buried in the past forever


    I follow the Moskva
    And down to Gorky Park
    Listening to the wind of change


    Take me to the magic of the moment
    On a glory night
    Where the children of tomorrow share their dreams
    With you and me


    Take me to the magic of the moment
    On a glory night
    Where the children of tomorrow dream away
    In the wind of change


    The wind of change blows straight
    Into the face of time
    Like a storm wind that will ring
    The freedom bell for peace of mind
    Let your balalaika sing
    What my guitar wants to say


    Take me to the magic of the moment
    On a glory night
    Where the children of tomorrow share their dreams
    With you and me


    Take me to the magic of the moment
    On a glory night
    Where the children of tomorrow dream away
    In the wind of change
    (The Scorpions)

  • Damals, 1989, saßen meine Frau und ich im Wohnzimmer unserer ersten gemeinsamen Wohnung. Unser Sohn war im Jahr zuvor geboren worden und bekam von der ganzen Aufregung noch nichts mit.


    Die Straßen waren leer gefegt. Die Menschen saßen vor ihren TV-Geräten. Auch wir starrten auf unseren uralten, gebraucht gekauften Fernseher (das Geld war damals knapp bei uns) und ließen die farbstichigen Bilder auf uns wirken.


    Auch wenn wir "Drüben" keine Verwandten hatten, verfolgten wir seit Monaten gespannt die Entwicklung in der DDR. Spätestens nach Genschers legendärem Satz: "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Ausreise heute möglich geworden ist.", lief bei uns das Gerät im Dauerbetrieb.


    Als Soldat auf Zeit hatte ich in den vier Jahren bei der Bundeswehr das Feindbild eingebläut bekommen. Während meiner Dienstzeit hatte ich eine Frau aus der Tschechoslowakei geheiratet und musste mich deswegen hochnotpeinlich befragen lassen. Meinen Urlaub in Bulgarien habe ich mir vom MAD genehmigen lassen müssen. Die DDR war immer eine "So genannte"


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    Und jetzt bröckelte es plötzlich an allen Ecken und Enden. Aber mit dem, was heute vor 24 Jahren passierte, hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste befürchtet.

  • Ich hatte eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste befürchtet.


    Es gibt genügend Berichte darüber, wie knapp die Maueröffnung an einem Eingreifen von Militär und Polizei vorbeigeschrammt ist. Wie so oft, waren es Kleinigkeiten, die dafür sorgten, dass die Ereignisse nicht zur Katastrophe führten. Wenn ihr wüsstet, was da für Befehle ergangen waren, und wie Eingreiftruppen bewaffnet auf ihren Einsatzbefehl warteten, würden viele heute noch blass werden. Ein in Brandenburg ansässiges Lufttransportregiment und ein Kampfhubschrauberregiment (36 Transporthubschrauber Mi-8 und ebensoviele Kampfhubschrauber Mi-24 D) z. B. stand mit laufenden Triebwerken, aufmunitioniert und mit ausgerüsteten Soldaten (ca. 1000) auf der Startbahn- nur der Befehl zum Start kam nicht.

  • Der Geheimdienst der CSSR galt - laut Herbert Wehner - als einer der härtesten im ehemaligen Ostblock.


    Als Horst Ehmke Ende der sechziger Jahre eine junge Staatsbürgerin der CSSR heiraten wollte (und dies auch später tat), die wegen des sowjetischen Einmarsches in die Bundesrepublik gekommen war, musste er seine Verlobte auch "durchleuchten" lassen.

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    Heute ist es wieder soweit: Gedenkfeier-und-Volksfest ist angesagt mit Musik und Reden und hübschen weißen Ballons, die man touristenfreundlich und strategisch wohlplatziert dort aufgestellt hat, wo einst Mauer war und die man, anders als jene, symbolträchtig und medienwirksam in den Abendhimmel entlassen kann.


    Wichtige politische Menschen, meist Männer, feiern Historisches - und nebenbei sich selbst. Sie lasse ich mal beiseite.
    Helmut Kohl beispielsweise, gern "Kanzler der Einheit" tituliert und Saumagengourmand, von dem man unlängst persönliche Ansichten zu Tischsitten Derjenigen las, die zunächst sein "Mädchen" aus dem Osten war, um ihn bald zu überholen und zur wichtigsten Frau westlicher Politik aufzusteigen.


    "Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen?"


    Ich beschränke mich auf einen damaligen Entscheider - Michail Gorbatschow, unseren "Gorbi". Der gibt grad Unbequemes von sich und findet mahnende Worte für die Gestalter deutscher Politik nach dem Mauerfall.
    Ob's gehört wird zwischen all den Jubelchören und knallenden Sektkorken nebst Feuerwerk?
    Ich wünsche es ihm - und uns ...

    Zitat

    Jahrestag des Mauerfalls
    Gorbatschow klagt an
    Er ist eigentlich zum Feiern gekommen, doch dann erhebt er schwere Vorwürfe: Der ehemalige Staatschef der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, kritisiert die Politik der USA und der EU - mit deutlichen Worten.
    mehr...


    Und noch etwas wünsche ich mir heute, an diesem historischen Datum:
    dass bei all unserer Freude über die Maueröffnung vor 25 Jahren auch Platz ist für das Gedenken an andere historische Ereignisse, die deutsche BürgerInnen mit dem 9.November verbinden ...


  • Zitat

    Ich lese aus den Worten Trauer über den Zusammenbruch des sozialisten Systems. Es muss ja jedes Mal schmerzlich für dich sein, daran erinnert zu werden.

    Du könntest kaum schiefer liegen!
    Das gilt übrigens auch für deinen Beitrag #52 im Thema "Politisch links = Gefahr?"


    Schade, dass du nahezu jeden Beitrag abwertest, der nicht -möglichst mit den entsprechenden, dir genehmen Vokabeln- deine Meinung widerspiegelt.
    Differenzierung und Offenheit für unterschiedliche Herangehensweisen und Möglichkeiten der Problemsicht oder Lösungsstrategie kann ich in deinen Beiträgen kaum jemals erkennen.
    Dialogbereitschaft ebenso wenig.
    Wie gesagt: schade!


  • Ja, ja, das wurmt den Salonbolschewisten. An solchen Tagen wird ihm schmerzlich bewusst, dass seine tollen Theorien ein Haufen Müll sind, ohne Praxiswert.


    Aber wenigtens kann er sich noch an "unseren" Gorbi aufrichten, der ja eigentlich die Einheit gebracht hat weil er sich den Sprit für seine Armee nicht mehr leisten konnte. Es wäre ja bedrückend dies jetzt dem Saumagenfresser Kohl zuzuschreiben.
    Der hat ja auch zuletzt so böse Sachen über Mutti gesagt. Da hören wir besser Gorbi zu, der Onkel Putin in Schutz nimmt.


    Recht hat er. Das ist die Schuld der deutschen Politik. Eine Annektierung fremden Territoriums war unausweichlich. Und jetzt ist ja auch alles wieder in Ordnung.


    Und wenn es dann zu arg wird wenn sich Millionen Menschen freuen, kann man ja auf die anderen Ereignisse die am 9.11. stattfanden verweisen. Jeder feiert halt was er gut findet. Ist doch in Ordnung.


    Und in zwei Tagen sind wir alle wieder auf dem Alter Markt.
    Dann ist das eh wieder vergessen.

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