Erdogan Proteste

  • Gutes Gelingen, viel Glück dafür, Tuerke, und bleib gesund!


    Proteste erfassen die gesamte Türkei
    Von Frank Nordhausen

    Taksim-Platz in Istanbul am 5. Juni 2013. Foto: dpa
    Die Demonstrationen, die auf dem Taksim-Platz in Istanbul ihren Anfang nahmen, haben sich inzwischen auf 79 von 81 Provinzen ausgeweitet.
    Der Staatspräsident versucht zu vermitteln. Die türkische Polizei geht weiter mit Gewalt gegen die Protestbewegung vor.

    Istanbul –
    Während der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vier Tage lang durch den Maghreb reist, versuchen Staatspräsident Abdullah Gül und Vizepremier Bülent Arinc die angespannte Lage im Land wegen der Massenproteste gegen die Regierung zu entschärfen.
    Gül verglich die Proteste mit der „Occupy-Wall-Street-Bewegung“ und äußerte Verständnis, Arinc entschuldigte sich bei den Demonstranten für Polizeiübergriffe. Am Mittwochmittag traf sich der Vizepremier in Ankara mit sechs Repräsentanten der Protestler aus der „Taksim-Solidaritätsgruppe“ zu einem einstündigen Gespräch. Der
    Taksim-Platz im Istanbuler Zentrum ist Ausgangspunkt und Zentrum der teils gewaltsamen Proteste, die sich inzwischen auf 79 der 81 türkischen Provinzen ausgebreitet haben.

    Quelle und weiterer Bericht

  • Viel zu lesen....aber viel richtiges dabei...
    Wer mag :


    Die Protestwelle in der Türkei, die mit der Besetzung des Gezi Parks begann und sich im ganzen Land verbreitet hat, wird von vielen als eine revolutionäre Bewegung gefeiert. Als ein historisches Ereignis, das zusammengebracht hat was bisher nicht zusammengehörte. Miteinander statt gegeneinander. Die Menschen, die im ganzen Land ihre Stimmen erheben, könnten nicht unterschiedlicher sein: Kopftuchträgerinnen neben modernen Feministinnen, Studenten neben Bauern, Linke neben Rechten, Kurden neben Türken, Islamisten neben Aleviten…


    Ich nahm am Samstag an einer Solidaritätskundgebung in Hamburg teil, mit 1.200 anderen Menschen und stellte fest, dass diese Gemeinschaft nicht die gleichen Ziele hat, sondern das gleiche Feindbild: Recep Tayyip Erdoğan. Die Gründe für ihre Wut, für ihre Aufregung, ja sogar für ihren Hass, sind vielfältig. Die Einheit, der Zusammenhalt, die Solidarität ist nicht echt, sondern zweckmäßig.


    Mir ging es tatsächlich um den Gezi Park. Ich bin der Meinung, dass Istanbul eine der schönsten Städte der Welt ist und es bleiben soll. Zum Teil hatte ich den Eindruck, dass ich die Einzige war, die so dachte. Während ich für den Gezi Park war, waren die anderen gegen Erdoğan. Fundamentalistische PKK-Anhänger, die seinen Rücktritt forderten, weil sie diese Gelegenheit nutzen wollen, ihre Interessen durchzusetzen. Linke, die den westlichen Weg, den die Türkei eingeschlagen hat nicht hinnehmen wollen. Westlich eingestellte Modernisten, die die islamistische Richtung der Regierung kritisierten. Aleviten, Armenier und andere Minderheiten, die gegen ihre Stellung in der Türkei protestierten. Und und und.


    Ich bin Türkin. Mir ist die Einheit, die Brüderlichkeit und die Freiheit in meinem Land wichtig. Vor allem die Einheit. Deswegen beschloss ich an dem Protestzug, der nichts anderes als gemeinsam gegeneinander war, nicht mitzumachen. Um für mein Land zu kämpfen werde ich nicht Schulter an Schulter mit Menschen marschieren, die mein Land bekämpfen wollen. Ich werde nicht neben einem PKK-Anhänger laufen, der bei jedem gefallenen türkischen Soldaten in Jubel ausgebrochen ist. Ich werde nicht neben einem Separatisten stehen, der nicht zu dem vereinenden Begriff “Bürger der Republik Türkei“ steht.


    Die Frage ist: was passiert, wenn Erdoğan tatsächlich seinen Rücktritt verkündet? Wessen Interessen stehen dann im Mittelpunkt? Wer unterschiedliche Ziele verfolgt, kann keines davon erreichen. Dass die Regierung Erdoğans Fehler im Umgang mit den Demonstranten im Gezi Park gemacht hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Sonst wäre ich nicht nach Hamburg gefahren.


    Aber! Der Baubeschluss für das Einkaufszentrum ist nicht nur von der Regierungspartei AKP, sondern auch von Parteien wie der CHP unterschrieben worden. Es ist nicht auszuschließen, dass andere Parteien ihre Leute unter die Demonstranten gemischt haben, um für Ärger zu sorgen und die Polizei zu provozieren, um so die Regierung Erdoğans in Misskredit zu bringen. Dass die Polizei sich nicht hätte provozieren lassen dürfen, steht außer Frage. Der Einsatz von Tränengas und Pfefferspray ist nicht entschuldbar.


    Wie lässt es sich erklären, dass Schaufenster zu Bruch gingen, randaliert wurde und Autos angezündet wurden, wenn es friedliche Demonstranten waren? Über Socialmedia wurden dutzende Falschmeldungen verbreitet. Zum Teil war die Rede von über 500 Toten. Irre Durchhalteparolen wie “Wenn wir noch 24 Stunden durchhalten zwingt die EU die Regierung zum Rücktritt“ wurden geschrieben.


    Erstaunlich sind zum Teil auch die Berichte in den deutschen Medien. Gründe für diesen plötzlichen Wutausbruch der Türken sind schnell gefunden: Die Islamisierung des Landes, wie sie auch das vor kurzem beschlossene Alkoholverbot zeigt. Warum fragt eigentlich keiner, was dieses Alkoholverbot ist? Es gibt kein Alkoholverbot, sondern eine Neuregelung des Alkoholgenusses und -verkaufs. Demnach darf auf öffentlichen Plätzen wie Straßen und Parks kein Alkohol mehr getrunken werden. Der Verkauf von Alkohol im Umkreis von 100 m von Schulen und Moscheen ist nicht erlaubt, außer in bereits bestehenden Läden. Alkoholhersteller dürfen nicht mehr für ihre Produkte werben und als Sponsoren auftreten. Aber in Restaurants, Bars und Kneipen darf jeder trinken wie und was er will, genauso Zuhause. Übrigens ist das Alkoholgesetz in Schweden Vorbild für die türkische Gesetzesverschärfung gewesen. Und ich habe noch nie jemanden darüber meckern hören, dass er in New York City nur in bestimmten Läden Alkohol kaufen darf, nicht in der Öffentlichkeit trinken oder nur in bestimmten Lokalen Alkohol bestellen kann.


    Überhaupt ist das Bild, das durch die Protestaktion im Ausland entstanden ist, schrecklich. Es sieht so aus als wären die Türken ein armes, unterdrücktes Volk, das endlich aufgewacht ist und seine Stimme erhebt. Es ist aber so, dass die Türken anscheinend ein armes, unterdrücktes Volk bleiben wollen. Man kann der AKP-Regierung vieles vorwerfen, sie kritisieren und missbilligen. Zu Recht. Doch man muss sie auch anerkennen. Wenn wir einen Schritt zurückgehen, dann können wir sehen, dass das Land zuvor von anderen Parteien regiert wurde, von der DYP über CHP bis ANAP. Waren die besser? Werden die Nachfolger der AKP es besser machen? Bevor man gegen etwas ist, muss man für etwas sein. Eine Alternative, eine Lösung bereit haben. Was ich aber sehe ist, dass wir uns von einer “Katastrophe“ in die nächste katapultieren werden. Wir müssen etwas Besseres haben, damit das Schlechte nicht mehr gut genug ist. Sonst werden wir gemeinsam auseinander driften. Ich möchte, dass wir alle einmal innehalten und uns nicht nur fragen, was tun wir jetzt, sondern auch, was tun wir danach?


    Ich will hier niemanden zu unrecht verteidigen, aber auch nicht zu unrecht anklagen. Ich denke nur, dass es vermessen ist, die Protestwelle in der Türkei mit dem arabischen Frühling, den Ereignissen auf dem Taksim Platz mit der Revolution auf dem Tahrir Platz zu vergleichen. Vermessen uns gegenüber, aber vor allem vermessen gegenüber den Menschen, die nicht nur ihre Meinung nicht sagen, sondern auch keine Meinungen haben durften. Die nicht nur mit Tränengas verjagt, sondern mit Kugeln niedergeschossen wurden. Die Menschen in Ägypten hatten tatsächlich ein Problem: eine Diktatur. Die haben die Türken nicht. Sie haben einen Premierminister, der mit Mehrheit vom Volk gewählt wurde. Wer ihn nicht mehr haben will, gibt ihm bei den nächsten Wahlen einfach nicht mehr seine Stimme. Eines dürfen wir nicht übersehen: Während wir Demokratie wollen, dürfen wir über der Hälfte der Türken ihre demokratischen Rechte nicht streitig machen. Und zwar der Hälfte der Türken, die mit Mehrheit diesen Mann gewählt und ihn in seinem Amt bestätigt haben.


    Ich glaube nämlich, dass wir bei der ganzen Sache, das Wichtige aus den Augen verloren haben: Wir wollten einen Park retten, sind aber gerade dabei unser Land zu zerstören.


    Candan Six-Sasmaz


    Quelle: Sabah Avrupa

  • [ironie]
    Klingt auch für mich als gäbe es nix zu meckern in der Türkei.
    Alles läuft gut und die Demonstranten springen nur so-aus purer
    lust am streit auf den Zug.


    Oder nein, sind sind empört über den Polizeieinsatz mit Wasserwerfern
    und Tränengas gegen friedliche Rentner die einen Park erhalten möchten.
    Deshalb gibt es die solidaritäts- demo´s von den Trittbrettfahrern sogar hier.


    Sowas erschüttert aber auch eine Nation nachhaltig..Demonstranten verhauen lassen...
    das endet bestimmt wie in Stuttgart...die parallelen liegen auf der Hand...Anarchie!
    :( [/ironie]

    .
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    Verrückte ?? Verrückte explodieren nicht wenn das Sonnenlicht sie trifft, ganz egal wie verrückt sie sind. :pinch:


  • Die Kommentare sind auch nicht zu verachten.


    [url=http://www.sabah.de/de/die-einzige-gemeinsamkeit-das-feindbild.html]Die einzige Gemeinsamkeit: Das Feindbild

  • Ja, dieser Text erscheint mir auch ein wenig blauäugig. Die Repressionen gegenüber Medien und Presse werden mit keinem Wort erwähnt. Dabei gehört zu einer Demokratie, daß man auch freien Zugang zu Informationen hat, daß Journalismus unabhängig von staatlichen Vorgaben funktioniert. Vor ein paar Tagen hatte ich noch gelesen gehabt, daß in der Türkei mehr Reporter im Knast sitzen als in China. Ich weiss nicht, ob diese Information der Wahrheit entspricht. Wenn aber sogar der türkische CNN-Ableger lieber über Kochrezepte berichtet, statt über die Massendemonstrationen und die darausfolgenden Gewaltaussbrüche, dann zeigt das schon wieviel Einfluss die AKP auf die Informationsverteilung im Land hat. Blogger und Twitterer wegen unpassender Meinungen jetzt wegzusperren, das Internet zu verteufeln und über Verbote nachzudenken, weil es zu sozialen Unruhen führt, spricht dabei für sich. Demokratie sieht für mich jedenfalls anders aus und ich finde es fatal, daß der Artikel diese Umstände komplett ignoriert.


    Im Link von ABC kann man auch etliche Kommentare lesen, die genau das anprangern, sogar weitaus ausführlicher.



    Warum müssen die Proteste überhaupt zur Folge haben, daß Erdogan oder die AKP abgesetzt wird? Würde es nicht schon reichen, wenn sie ihre autokratische Politik drangeben würden?




    Es gibt kein Alkoholverbot, sondern eine Neuregelung des Alkoholgenusses und -verkaufs. Demnach darf auf öffentlichen Plätzen wie Straßen und Parks kein Alkohol mehr getrunken werden.


    Roters = Erdogan? ^^

  • Warum müssen die Proteste überhaupt zur Folge haben, daß Erdogan oder die AKP abgesetzt wird? Würde es nicht schon reichen, wenn sie ihre autokratische Politik drangeben würden?

    Das sehe ich -noch- nicht. Aber dass es zu Veränderungen kommen wird, ist nach diesen Unruhen wahrscheinlich.



    Erdogans gespaltene Türkei: 50 Prozent Frust
    Aus Istanbul berichtet Oliver Trenkamp


    Seine Anhänger verehren ihn als Heilsbringer, seine Gegner verdammen ihn als Autokraten: Kein türkischer Politiker polarisiert mehr als Premier Erdogan. Und der Regierungschef treibt die Spaltung weiter voran - ein gefährliches Spiel.


    In der Türkei gibt es immer zwei Wahrheiten, mindestens. Auf dem Taksim-Platz in Istanbul und auf den Straßen vieler anderer Städte, in 77 von 81 Provinzen, lautet die Wahrheit:
    Recep Tayyip Erdogan beschneidet unsere Bürgerrechte, regiert über unsere Köpfe hinweg, versucht uns seine religiös-konservative Moral aufzuzwingen. Es ist die Wahrheit Zehntausender Demonstranten, die seit sechs Tagen auf die Straße gehen und dem Tränengas und den Knüppelattacken der Polizei trotzen. Etwa 4000 Verletzte und drei Tote zählte der türkische Ärzteverband; verlässliche Zahlen über Festnahmen gibt es nicht.


    In Istanbuls ehemaligem Werftenviertel Kasimpasa, wo Erdogan aufwuchs, als es noch ein Slum war, in anderen frommen Stadtteilen der Metropole und in Dörfern im ganzen Land, lautet die Wahrheit:
    Wildgewordene Randalierer zertrümmern unsere Städte, womöglich angestachelt von Aufrührern der Opposition und Ausländern. Sie führen einen Feldzug gegen den Islam und verunglimpfen den einzig verdienstvollen Politiker. Die Polizei reagiert nur deshalb so hart, weil sie muss.


    Quelle und weitere Informationen

  • Diese andere Hälfte der Türkei sollte sich auch mal einen Internetanschluss besorgen. Dann würde sie lernen, daß Wahrheiten schonmal gerne irgendwo in der Mitte liegen :)


    Ich hätte nie gedacht, daß die türksiche Gesellschaft so gespalten ist. Das scheint mir als ob dort zwei Welten aufeinander prallen. Bin mal gespannt wie das endet.

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