22 Jahre deutsche Einheit?

  • Auf den Erhalt von Mauerresten und Trennlinien zur Mahnung und als Geschichtserbe hatte ich zuletzt hingewiesen.
    Was wir von den 'Brüdern und Schwestern' der 'Ehemaligen' hätten lernen und annehmen können? Einiges davon - beisp. Betreuungs- und Bildungssystem- haben wir bereits vor 2 Jahren und erneut im vorigen Jahr diskutiert, siehe die damaligen Beiträge.
    Die Vereinigung wurde bekanntlich von w
    estlichen Normen und Vorgaben bestimmt.
    Entscheidende Voraussetzung gegenseitiger Wertschätzung ist natürlich, sich Wissen über einander anzueignen statt in gepflegten Klischees zu verharren. Und nicht zuletzt braucht's Offenheit und die Bereitschaft, Vorzüge bei den 'Anderen' überhaupt für möglich zu halten und sie wahrnehmen zu wollen.


    'Wessis' sei erneut die Lektüre von Peter Ensikat: "Populäre DDR-Irrtümer, ein Lexikon von A-Z" empfohlen.
    Vergnüglich und teilweise überraschend mag Manchem die ungewohnte Sicht von Ost nach West erscheinen:"Ihr könnt ja nichts dafür! Ein Ostdeutscher verzeiht den Wessis" vom selben Autor.

    :thumbup:


  • Das Thema bleibt, auch wenn es inzwischen 25 Jahre sind.


    17 Mio Ossis mit Diktatur und Menschenrechtsverletzung am Stecken gegen 70 Mio?? Wessis, die eh immer schon alles besser wussten?


    Wie soll das gehen, wenn man sich nicht ernst nimmt und nicht zuhört?


    Ich würde ja gerne die "Einheit" feiern, aber ich sehe sie nicht ... Wunschgebilde.

  • aber ich sehe sie nicht

    Wo siehst Du eine "Einheit" zwischen einem Hanseaten und einem Münchener, escape?

    Der Kardinalfehler dieser "Wiedervereinigung" war ihr Missbrauch aus politischem Kalkül. Helmut Kohl hat zwar mit Verve die sich bietende Chance ergriffen, aber die Umsetzung (wenn auch ohne historisches Vorbild) hat doch letztendlich dazu geführt, dass man sich hüben als Daueralimentierer, drüben als "plattgemacht" sah - und sieht.

    Der Mauerfall vor 25 Jahren war die Zäsur zur Vergangenheit. Wie immer sich die Dinge entwickelt hätten, wäre nicht Helmut Kohl voran geprescht, so ist es kaum vorstellbar, dass Deutschland heute nicht wieder vereint wäre. Es hätte seine Zeit gedauert, ja. Aber genau diese notwendige Zeit hat man der Sache nicht geben wollen. Willy Brandt hatte - völlig richtig - noch gesagt, dass jetzt zusammen wachse, was zusammen gehöre. So, wie die Dinge dann tatsächlich angegangen wurden, ist nichts gewachsen, da ist einfach nur zusammengewuchert worden. Und diese Narben trägt das Land noch heute; dies ist wohl, was aus der "Einheit" aus Politkermündern Dein "Wunschgebilde" macht, escape.

    Heute Morgen habe ich im WDR kurz in eine Sendung hinein gehört, in der nochmals auf den Zeitpunkt der Maueröffnung abgestellt, die persönlichen Reaktionen auf diese Nachricht thematisiert wurden. Und genau solche Schilderungen wecken auch bei mir die Erinnerungen an diese Stunden, an die späteren Fahrten zur "Grenze", entgegen und in endlosen Trabikolonnen, an die ersten Treffen mit "Ossis". Diese Emotionen werden wohl ein Leben lang präsent bleiben. Sie nicht zu einem ganz natürlichen Zusammenwachsen genutzt, sondern stattdessen einen Prozess über's Knie gebrochen zu haben, der fast ausschließlich von unserer "West-Denke" geprägt war, machte aus dem Zusammenschluss eine Annexion. Damit kann ich auch wenig anfangen.

    "Mein" Tag der Einheit ist heute, wird mein Leben lang der 9. November sein. Die Erinnerung ist wach, bei mancher Sendung in Radio oder TV kriege ich immer noch Gänsehaut.

    Der 3. Oktober 1990? Ein Honoratiorenakt, nicht mehr. Auch diese (Miss-)Wahl ist Teil des verkorksten Gesamtpakets

  • Wo siehst Du eine "Einheit" zwischen einem Hanseaten und einem Münchener, escape?

    Die Frage wollte ich auch stellen.

    Der Mauerfall vor 25 Jahren war die Zäsur zur Vergangenheit. Wie immer sich die Dinge entwickelt hätten, wäre nicht Helmut Kohl voran geprescht, so ist es kaum vorstellbar, dass Deutschland heute nicht wieder vereint wäre. Es hätte seine Zeit gedauert, ja. Aber genau diese notwendige Zeit hat man der Sache nicht geben wollen.

    Nicht geben wollen oder können?
    Ich glaube nicht, dass zum damaligen Zeitpunkt die Menschen in der DDR bereit gewesen sind die Einheit inkl. D-Mark in Ruhe abzuwarten und es langsam angehen zu lassen.
    Die hatten genug von ihren verrotenden Städten und der Mangelrepublik.
    Ich bin davon überzeugt, dass die in Scharen in den Westen gezogen wären, in viel größeren Dimensionen als ohnehin geschehen. Das galt es zu verhindern, ohne Menschen funktioniert kein Aufbau.
    Das hat man ja auch damals schon erkannt und eine Mauer gebaut.


  • Ich glaube nicht, dass zum damaligen Zeitpunkt die Menschen in der DDR bereit gewesen sind die Einheit inkl. D-Mark in Ruhe abzuwarten und es langsam angehen zu lassen.

    Was macht dich da so sicher?


    Es gab den Runden Tisch, der sich genau damit beschäftigt hat ... aber dann hat die Zeit nicht gereicht?
    Das ist aus meiner Sicht immer das schlechteste aller Argumente.

  • Was macht dich da so sicher?

    Sämtliche Umfragen seinerzeit und die 25 Jahre danach.


    Es gab den Runden Tisch, der sich genau damit beschäftigt hat ... aber dann hat die Zeit nicht gereicht?
    Das ist aus meiner Sicht immer das schlechteste aller Argumente.

    Ja, der runde Tisch. Den wollten aber viele nicht, die wollten D-Mark und Reisen.
    Dass das nicht das vernünftigste war ist mir auch klar.


  • Sämtliche Umfragen seinerzeit und die 25 Jahre danach

    Traue keiner Umfrage, deren Kriterien Du nicht selbst festgelegt und deren Fragen Du nicht selbst formuliert hast, Tex.

    Ich war (erstmals) im Juni 1990 "drüben" - noch zu Zeiten der DDR, noch zu Zeiten der Ost-Mark. Das Ganze initiiert über die Reanimation einer alten Verbindung zweier Vereine. Vom "In-den-Westen-Gehen"sprach (zumindest von den dort Angetroffenen) in Jena zu dieser Zeit niemand. Und in den Westen sind auch bis heute nur Wenige hinüber gewechselt.

    Was jedoch deutlich herüber kam, war die morbide Stimmung in einem sich in Auflösung befindlichen Staatsgebilde. "Wir wollen ja gar nicht drüben bleiben, aber doch wenigstens mal raus hier und was Anderes sehen", war der Tenor. Unsere Gastgeber, ein Ehepaar Mitte 40, führte uns durch die Stadt. Die noch durch Ost-Auslagen geprägten Geschäfte siechten erkennbar dahin. "Das will doch keiner mehr, alles wartet aus Westprodukte". So oder ähnlich die Aussag des Familienvaters. Vom Weggehen kein weiteres Wort.

    Und Eins ist klar: Jena hatte immerhin mit den Zeiss-Werken ein Unternehmen von Weltruf vor Ort, also kann und will ich diese Erfahrungen nicht verallgemeinern. Wie es in der Mecklenburgischen Pampa aussah, lasse ich dahin gestellt. Aber letztendlich habe auch ich ja eine sehr ländlich geprägte Heimatregion verlassen und bin nach Köln gegangen - wo keine selbsttragende Arbeit angeboten wird, verreckt am Ende jeder Landstrich. Da bedarf es keiner Ost-West-Trennung.

    Heute, ganz aktuell, erleben wird im großen europäischen Rahmen das Gleiche noch einmal: da werden nicht einfach 5 neue Bundesländer, sondern ganze Staaten völlig unterschiedlicher Wirtschaftskraft unter den Deckel einer Einheitsregierung und einer gemeinschaftlichen Währung gezwängt. Und wohin drängt es nun so viele der Benachteiligten dieser wirtschaftlich schwächeren Partnerländer? Kurioserweise in das Land, dass durch die größte, so gern als "ungerecht" verschrieene Ungleichverteilung der Vermögenswerte gekennzeichnet ist... :thumbsup:


    Was das seinerzeit für die marode und nicht wettbewerbsfähige Restwirtschaft der DDR bedeuten musste, können nur eingefleischte Ideologen beiseite wischen (ähnlich wie heute auch). Wenn dann (!), in der Folge dieser Entwicklung, die Menschen aus der Ex-DDR abgewandert sind, vermengen sich nur zu schnell Ursache und Wirkung. Die "Treuhand" hat sich sicherlich nicht nur mit Ruhm bekleckert, aber an der zumeist nicht vorhandenen Wettbewerbsfähigkeit "abgewickelter" Unternehmen auf dem Weltmarkt konnte sie auch nichts ändern.

    Daher meine Überzeugung: hätte man den Dingen einfach ihren Lauf gelassen, wäre ganz offenkundig geworden, dass die DDR allein nicht überlebensfähig war. Da wäre auch nicht mehr oder weniger zusammen gebrochen, als dass mit der Treuhand der Fall war - aber damit hatte man seinen Sündenbock. Bis heute.

    Dagegen war das im Aufbruch befindliche Land (diese Aufbruchstimmung war bei unserem Besuch deutlich erkennbar - man war einfach nur froh, dass der Bremsklotz des "real existierenden Sozialismus" seinem Ende entgegen ging) doch für ausländische Investoren um Längen attraktiver und sicherer als irgendein zweifelhaftes Engagement meinetwegen in Afrika oder sonst wo.

    Eine vertane Chance - und so wurde die DDR tatsächlich "platt gemacht". Selbständigkeit im eigentlichen Sinne kann so niemand erlernen. Das Recht auf Irrtum und Scheitern gehört nun einmal auch zur Freiheit.

  • Ich war (erstmals) im Juni 1990 "drüben" - noch zu Zeiten der DDR, noch zu Zeiten der Ost-Mark. Das Ganze initiiert über die Reanimation einer alten Verbindung zweier Vereine. Vom "In-den-Westen-Gehen"sprach (zumindest von den dort Angetroffenen) in Jena zu dieser Zeit niemand. Und in den Westen sind auch bis heute nur Wenige hinüber gewechselt.


    Deine persönlichen Erfahrungen in Jena kann ich natürlich nicht beurteilen.
    In den 90ern sind 1,7 Mio Menschen von Ost nach West gewechselt. Überwiegend junge Leute, die Arbeit wollten. Hätte man noch länger gewartet und den Dingen seinen Lauf gelassen wäre es noch viel schlimmer gekommen.



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