Komm, wir kaufen uns einen Kanzler

Vergesst nicht die beiden Bundespräsidenten Wulff und Köhler, die von unseren Medien mit Lügen aus dem Amt gehetzt wurden, nur weil sie es gewagt hatten die Bankenrettung zu kritisieren.

Solche Kampagnen sind nichts Neues, sie werden nur immer dreister und somit sichtbarer. Die INSM-Kampagne gegen Baerbock ist eine neue Dimension. Ich befürchte das wird alles noch viel schlimmer.

Zitat von Heinz K

Vergesst nicht die beiden Bundespräsidenten Wulff und Köhler, die von unseren Medien mit Lügen aus dem Amt gehetzt wurden, nur weil sie es gewagt hatten die Bankenrettung zu kritisieren.

Köhler musste gehen weil er die Verteidigung unserer Republik am Hindukusch diskreditiert hatte. ...Nein habe die nicht vergessen.

Aja richtig, hatte ich glatt vergessen. Also hat der sich direkt zwei schwere Vergehen geleistet! Was für ein würdeloser Präsident. Wegen dem haben die Taliban gewonnen

Naja, nicht jede kritische Buchbetrachtung ist zugleich eine Herabsetzung der Autorin. Die drei oben genannten Stichworte hat Baerbock oft genug selbst genannt. Es wäre ziemlich verblüffend, wenn sich Presseleute nicht darauf stürzen würden.

Im Sinne von "Wir kaufen uns einen Kanzler" finde ich viel bedenklicher, was kürzlich in einem Zeit-Artikel über politische Angriffe und Verleumdungen im deutschen Wahlkampf zusammengetragen und analysiert wurde.

Widerlich das Ganze, aber unbedingt lesenswert.

https://www.zeit.de/politik/de…fe-us-wahlkampf-vergleich

Ergänzung I

Zitat

Bundestagswahl 2021: Schmutzig wie in Washington

Persönlich, laut, unbelastet von Fakten: Im deutschen Wahlkampf wird dieser Tage so derbe auf die politischen Gegner eingedroschen, Donald Trump hätte seine Freude daran. Eine Analyse von Annika Brockschmidt 17. Juni 2021, 8:26 Uhr 328 Kommentare

Anfang der Woche twitterte Laura Sophie-Dornheim, Politikerin bei den Grünen, ein Gif aus dem Jahr 2016, den wohl bekanntesten Ausschnitt aus Michelle Obamas Rede auf dem Parteitag der US-Demokraten, in dem sie über Angriffe des politischen Gegners sagt: "When they go low, we go high." Natürlich ist dieser Vergleich schmeichelhaft für die Grünen, aber es scheint tatsächlich so, als tobe in diesem Sommer eine amerikanischere Version des Wahlkampfs in Deutschland. War der deutsche Wahlkampf jenseits des Atlantiks lange vor allem dafür bekannt, zahnlos und spät dran zu sein, während in den USA quasi direkt nach den Midterms mit allen Mitteln auf den politischen Gegner eingedroschen wird, ist das dieses Jahr anders.

Noch drei Monate sind es bis zur Bundestagswahl, doch in den vergangenen Wochen wurde bereits so schmutzig gekämpft, dass sich schon jetzt eine resignierte Müdigkeit breitgemacht hat. Wahlkämpfe sind immer mehr als das Ringen um die Macht, sie sind ein Messpegel dafür, wie politische Debatten geführt werden. Und was die politische Diskussionskultur betrifft, gerade auch den Umgang mit dem politischen Gegner, sind derzeit einige besorgniserregende Veränderungen zu beobachten. Und die lassen durchaus darauf schließen, dass der eine oder andere Wahlkampfstratege über den Atlantik gelinst hat und sich von den Taktiken der Republikaner und Republikanerinnen inspirieren ließ.

In den USA sind persönliche Angriffe auf den Präsidentschaftskandidaten oder die -kandidatin der Gegenseite Teil des Republikanischen Politik-Playbooks. Schon in den Neunzigerjahren wandte man die Taktik an, mit möglichst viel Dreck zu werfen, in der Hoffnung, dass etwas hängen bleibe – zum Beispiel an dem auch in manchen Südstaaten beliebten Southern Baptist Bill Clinton oder seiner Ehefrau Hillary. Steve Bannon, Donald Trumps ehemaliger Stratege im Weißen Haus und Ideologe der extremen Rechten, ist einer, der damit besonders gut gefahren ist. Wenn der eigene Kandidat in Schwierigkeiten steckt, gilt die Devise: medial ablenken, ablenken, ablenken. Oder, in Bannons Worten: "das ganze Gebiet mit Scheiße fluten." Und zwar so sehr, bis niemand mehr genau weiß, worum es in der Debatte eigentlich geht.

"Zufall oder Chiffre?"

Derzeit kann man dieselbe Taktik vor allem bei der Union beobachten: Mitten im Skandal um die antisemitisch gefärbten Äußerungen des CDU-Direktkandidaten in Thüringen, Hans-Georg Maaßen, und der Holocaust-Verharmlosung in der Thüringer CDU stürzten sich sämtliche großen Twitter-Accounts der Partei auf die Rede der Publizistin Carolin Emcke auf dem Grünen-Parteitag.

In der Rede hatte sie illustriert, wie die Pluralität rechter Feindbilder sich in Desinformationskampagnen zusammensetzt. Politiker von CDU und CSU nahmen Emckes Worte aus dem Kontext und behaupteten, sie habe den Holocaust relativiert. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak twitterte: "unglaubliche + geschichtsvergessene Entgleisung auf dem Parteitag der @Die_Gruenen. Ich erwarte von @abaerbock dazu heute absolute Klarheit! Beim Thema Antisemitismus darf es keinen Raum für Interpretation geben." Implizierend, dass es diesen Raum bei den Grünen gebe. Völlig unerwähnt bleibt dabei die nach wie vor ausstehende Distanzierung des eigenen Spitzenkandidaten Armin Laschet von Hans-Georg Maaßen und anderen, die sich seiner Rhetorik bedienen. Ziemiak immerhin nahm seine Vorwürfe später komplett zurück, telefonierte mit Emcke, gelobte Besserung und führte als Entschuldigung an: "Bin immer besonders sensibel, wenn ich Vergleiche mit Juden höre."

Maaßen twittert derweil, die Initialen von Baerbock, ACAB, würden mit der Abkürzung für All Cops Are Bastards übereinstimmen, einer ursprünglich wohl aus den Zwanzigerjahren aus England stammenden, heute universellen Antipolizeiparole. Maaßen beherrscht das rechtspopulistische Spiel perfekt, denn er schiebt hinterher: "Zufall oder Chiffre?" Damit verspottet er die Kritik an seinem Gebrauch antisemitischer Codes und unterstellt Baerbock gleichzeitig, gegen die Polizei zu sein. Das faktenferne "Ich stelle doch nur Fragen" ist ein fester Bestandteil rechter Desinformationskampagnen. Maaßens Tweet hätte auch von Fox-News-Star Tucker Carlson stammen können – dessen Verschwörungsgeraune er selbst auch schon als "Quelle" zitiert hat.

Ähnlich lässt sich beobachten, wie zu Recht kritikwürdige Patzer für persönliche Angriffe instrumentalisiert werden statt für angebrachte inhaltliche Kritik. Hillary Clintons Nutzung eines privaten E-Mail-Servers war dumm und unüberlegt; das Versäumnis des Grünen-Teams, vor einer Bundestagswahl einen einheitlichen, hieb- und stichfesten Lebenslauf der Spitzenkandidatin Baerbock zu veröffentlichen, fällt in dieselbe Kategorie. Es bahnt sich an, dass der bis heute anhaltende Refrain "Aber ihre E-Mails!" aus den USA auch hier zu erwarten ist und man versucht, Baerbock den geschönten Lebenslauf als Zeichen mangelnder Seriosität dauerhaft anzuheften. Praktischerweise lenkt das von den zahlreichen Korruptionsaffären ab, mit denen die Union sich derzeit herumschlagen muss. Was die Vehemenz erklärt, mit der Unionspolitiker auf den Baerbockschen Lebenslauf-Zug aufgesprungen sind und entrüstet die Fäuste recken.

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(ZEIT)

Ergänzung II

Zitat

Immer schön relativieren

Eine weitere Parallele der heftigen Angriffe auf Clinton und Baerbock ist der häufige misogyne Unterton, der mal mehr, mal weniger offen zur Schau gestellt wird. Zwar ist auch hier zu differenzieren: Clinton war einer wichtigen republikanischen Wählergruppe, den weißen Evangelikalen, schon seit Jahrzehnten zutiefst verhasst als ein Schreckensbild von Feminismus und Emanzipation. Eine solche gewachsene Feindschaft gibt es bei Baerbock in diesem Extrem nicht – und doch führt eine junge Frau, eine Feministin, die sich dem Klimaschutz verschrieben hat, zu heftigeren Reaktionen, als das in der Vergangenheit bei männlichen Kandidaten der Fall war. Seit Baerbock sich für die Kanzlerschaft bewirbt, haben die Fehlinformationen, die über sie verbreitet werden, enorm zugenommen: von gefälschten Nacktbildern bis zu falschen Zitaten.

Thema: Bundeswahlkampf

Auf Instagram teilte die "christlichsozialeunion" vor drei Wochen ein Meme unter dem Hashtag #verdienenwiebaerbock, das der Spitzenkandidatin der Grünen einen Heiligenschein und eine Denkblase mit drei Emoji-Kackhaufen aufsetzte – nur Scheiße im Kopf, so das "Argument". Der Hintergrund: Baerbock hatte Sonderzahlungen, die sie von ihrer Partei zusätzlich zu ihren Abgeordnetenbezügen erhielt, verspätet bei der Bundestagsverwaltung nachgemeldet. Die Überschrift des Memes lautete: "Grüne Doppelmoral: Wenn man sich 2020 einen fetten Bonus gönnt, und dann 'vergisst', ihn beim Bundestag zu melden." Zuvor hatten die CSU und die CDU mit der Maskenaffäre Negativ-Schlagzeilen gemacht.

Auch bei diesem Beispiel scheint es wie beim Emcke-Shitstorm: Es soll der Eindruck erweckt werden, alle Parteien hätten in gleichem Maße ein Antisemitismusproblem oder ein Korruptionsproblem. Das relativiert nicht nur die eigenen Verfehlungen, sondern lenkt auch davon ab. Mit rechtspopulistischen Methoden wird außerdem versucht, die Grünen als nicht ausreichend patriotisch darzustellen. Nachdem 300 Grüne für den Parteitag einen Antrag gestellt hatten, das Wort "Deutschland" aus dem Wahlprogramm zu streichen – der schließlich abgelehnt wurde –, titelte die Bild: "Grüne wollen Deutschland streichen!"; die Junge Union twitterte ein entsprechendes Meme und behauptete, "grüne Kader" wollten "Deutschland abschaffen". Das ist nicht mehr weit entfernt von "Die Demokraten wollen Amerika zerstören".

Inhalte dann später?

Auch die Inhaltsleere des Wahlkampfes ist eine bemerkenswerte Parallele zu den Republikanern. Die hatten 2020 einfach ihr Wahlprogramm von 2016 übernommen, ohne sich die Mühe zu machen, auch nur den Namen "Obama" an allen Stellen zu löschen. Ihr Programm, das war mehr als deutlich, war Trump. Nun kann niemand behaupten, das Unionsprogramm bestehe nur aus Laschet, denn dafür ist er als Kandidat zu blass. Und doch ist es auffällig, dass die heftigen, persönlichen Angriffe aus Unionsreihen ohne Unterlass gefahren werden, während es noch kein offizielles Wahlprogramm von CDU/CSU gibt. Wahlkampf macht man aber trotzdem schon, in aller Heftigkeit – Inhalte kommen dann (vielleicht) später.

Auffallend ist auch die Aufstellung der Medienlandschaft: Ein ganzer Block aus NZZ und den Springer-Medienhäusern Welt und Bild fahren seit Wochen eine Kampagne gegen Baerbock und die Grünen. Der Ton: emotionsgeladen, laut und wenig faktenbasiert. Dass die Springer-Presse kein Freund von Mitte-Links-Kandidaten und -kandidatinnen ist, ist nichts Neues, genauso wenig ihre Unterstützung für konservative Kräfte des Landes im Wahlkampf. Und doch entsteht auch hier der Eindruck, dass man sich einiges von der Empörungsmaschinerie der amerikanischen Rechten abgeschaut hat. Ob Fleischkonsum, Mallorca-Flüge oder Corona-Maßnahmen: Das Geraune der Springer-Presse von "Klimadiktatur" und "Verbotspartei" trägt erheblich zur Verschärfung des Debattenklimas bei.

Bild und Welt waren es auch, die den Shitstorm zu Carolin Emcke losgetreten hatten, der eine Hasslawine zur Folge hatte, die sich über die Publizistin ergoss. Auch hier muss differenziert werden: Die deutsche Presselandschaft verfügt nicht im selben Maße über parallele, große Medienimperien, die, wie in den USA von der religiösen Rechten getrieben, geschlossen Desinformation verbreiten. Doch Welt, Bild und NZZ arbeiten seit geraumer Zeit daran, wie Fox News zu operieren: emotionalisierte Scheindebatten und Wissenschaftsfeindlichkeit fern jeder inhaltlichen Auseinandersetzung, die die Gesellschaft weiter spalten und die Lagerbildung verschärfen.

Schnelle Treffer gegen den politischen Gegner

Es ist nicht nur die Union, die sich republikanischer Taktiken bedient: Auch die SPD stieg ein in die Versuche des Koalitionspartners, die Grünen-Pläne für die Benzinbepreisung als Katastrophe zu framen, auch wenn beide Parteien eine ähnliche Erhöhung des Benzinpreises bis 2025 als zentrales Steuerungselement ihrer Klimapolitik beschlossen hatten. Und auch Teile der FDP sind nur allzu froh, die Vorlagen von Unions- und Springer-Seite aufnehmen zu können, wenn man damit einen schnellen Treffer gegen den politischen Gegner landen kann.

Muss Baerbock nun bald ihre Geburtsurkunde vorlegen? Nein, vermutlich nicht, denn sie ist eine weiße Frau. Wäre das nicht der Fall, sollte man sich nicht wundern, wenn ein Verschwörungsmythos wie die "Birther"-Legende, dass Barack Obama nicht in den USA geboren sei, auch hier populär würde. Die Zeichen stehen auf Eskalation: Es ist kurzfristig einfacher, mit Emotionen und Empörung, mit Ressentiments und Halbwahrheiten Wahlkampf zu machen. Aber es zermürbt diejenigen, die Vertrauen in die Demokratie haben. Und es gibt denen Auftrieb, die den politischen Diskurs zerstören wollen.

So kaputt wie in den USA ist unsere politische Debattenkultur noch nicht. Aber vielleicht, trotz aller Unterschiede der Ausgangssituation, hängen wir auch nur ein paar Jahre hinterher.

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(Zeit)

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Quelle: campact