Hilfreich(!) war des Schneiders Weib ...

  • "Neugierig war des Schneiders Weib..." heißt es in August Kopischs berühmtem Gedicht über die Heinzelmännchen zu Cölln. Und bis heute hält sich die Mär von den fleißigen Kerlchen, die nichts weiter im Sinn gehabt hätten, als den Kölnern zu helfen, während diese sich auf die faule Haut legten.
    Welch ein Unsinn!
    Wer wirklich wissen will, was einst geschah, sollte einmal die vielen Verwandten dieser so fleißig schuftenden Heinzel betrachten - missgünstige Trolle, feindliche Wichte und üble Streiche ausheckende Kobolde allenthalben ...
    Und ausgerechnet in Köln sollten sich besonders hilfsbereite und freundliche Gesellen aufgehalten haben, die dann bloß wegen ein paar Erbsen wehleidig heulend die Stadt für immer verließen?
    Wer soll denn das ernsthaft glauben?


    Fragte sich auch Tilman Röhrig, stellte Nachforschungen an und legte vor Jahren das niederschmetternde Ergebnis seiner Recherchen vor.
    Kölner Heinzelmännchen? Eine Plage waren sie für jeden echten Kölschen! Nichts als Arbeit hatten sie im Kopf und trieben die armen Kölner Bürger zu immer größeren Anstrengungen an.


    Denn kaum hatten 1814 die Franzosen die Stadt verlassen müssen, waren zum Entsetzen der lebensfrohen Kölner die pingeligen Preußen einmarschiert und übernahmen die Herrschaft in der Stadt. Ordnung, Fleiß und Strebsamkeit lautete von nun an die Parole.
    Das war die Stunde der Heinzel!
    Nun konnten sie endlich ihrer Leidenschaft, dem Arbeiten und unermüdlichen Werkeln nachgehen. Sie 'halfen', wo sie nur konnten und trieben so die geplagten Kölner vor sich her. Denn die strengen Preußen verlangten, dass keine angefangene Arbeit über Nacht liegen bleiben dürfe. Alles musste vor dem Schlafengehen erledigt sein.
    Immer schwächer und freudloser wurden die einst so fröhlichen Kölner. Den Preußen war's recht. Und die Heinzel? Sie merkten's nicht einmal.



    Aber des Schneiders Weib sah die Plackerei, und ihr war's nicht egal. Sie beschloss nicht länger tatenlos zuzusehen, wie ihr erschöpfter Mann vor lauter Müdigkeit kaum noch aß und außer der Arbeit gar nichts mehr zustande brachte. Wirklich gar nichts ...

    Was ist denn das für eine Ehe?! :rolleyes: ;(
    "So dünn darf ein Mann nicht sein, selbst ein Schneider nicht!" soll sie gesagt haben.Wer immer unten in der Werkstatt trappelte und schnippelte, war verantwortlich für den desaströsen Zustand ihres geliebten Mannes. So beschloss die Schneidersfrau - auch im eigenen Interesse - die Plagegeister aufzuspüren, zur Rede zu stellen und sie um etwas mehr Verständnis für die müden Kölner und die vernachlässigten Kölnerinnen zu bitten.
    Nahm ihre Lampe und eine Handvoll gelber Erbsen, ging zur Treppe ... Das Ergebnis ist bekannt.


    Heute wissen wir:
    Die preußischen Herren konnten ohne die Unterstützung durch die Heinzel nichts mehr ausrichten gegen die lebenslustigen Kölner. Dank der mutigen Schneidersfrau kehrte die gute Laune nach Köln zurück. Ein bisschen kölscher Schlendrian ist auch dabei, aber den nehmen die Kölner mit Humor. ;)


    °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°


    Wer diese und andere Kölner Sagen neu kennenlernen und schmunzelnd eine andere Sicht auf Altbekanntes erhalten möchte, dem empfehle ich wärmstens


    51yTnQPsAkL._SX419_BO1,204,203,200_.jpg
    Sagen und Legenden aus Köln

    neu erzählt von
    Tilman Röhrig

    Regionalia Verlag, Rheinbach
    ISBN 978-3-939722-23-6

    :thumbup:

  • Ich verstehe das nicht ganz. Auf welchen Quellem basiert denn die neue Legende? Mal davon abgesehen, daß es die Heinzelmännchen womöglich niemals gab und ohnehin nur eine erfundene Sage sind, klingt diese neuartige Geschichte doch recht seltsam. Wieso hat man denn jahrhundertelang eime andere Version des Märchens erzählt und den Heinzelmännchen zu Ehren sogar einen Brunnen in Domnähe errichtet, wenn die ursprüngliche Sage genau das Gegenteil erzählen soll?

  • ich haette gern Heinzelmaennchen zu meiner Schulzeit gehabt.
    Diese diskriminierenden Hausaufgaben waren ein Gräuel fuer mich. Nach 6 Stunden Schule noch einmal zwei bis drei Stunden zu Hause vor den Aufgaben sitzen zu muessen, liess sich nur umgehen, in dem man morgens von den "Kollegen" abschrieb. So habe ich es die meiste Zeit gehalten.


    Fuer mich war das gezielte Erniedrigung eines kleinen Lamas !

    tja, leider waren die Typen bei mir nicht aufgetaucht :thumbdown:

  • @hk2
    Ja, Tilman Röhrigs Sicht auf Historie und Histörchen bietet immer wieder großes Lesevergnügen.
    Schade, dass die frühere Ausgabe seiner Kölner Sagen, illustriert von Gerda Laufenberg :thumbup: nicht mehr aufgelegt wird. Immerhin, im Internet ist sie noch antiquarisch zu ergattern.

    .

    .

    @Heinz
    Du fragst mich jetzt nicht ernsthaft nach dem 'Wahrheitsgehalt' dieser Geschichte? :D

    Fakt ist, unter Preußischer Herrschaft zogen 'Zucht und Ordnung' in Köln ein - bis heute haben "Preußen" in Köln nicht den besten Ruf - und Röhrig hat eine plausible Erklärung für die Rückkehr der Kölner Lebensart, inklusive des Köln-typischen Schlendrians gefunden. Seine Darstellung weicht von den Grundzügen der Sage nicht ab, ist aber solide historisch eingebettet und sowohl augenzwinkernd kritischer als auch deutlich frauenfreundlicher als die Vorgänger-Versionen der Herren Ernst Weyden und August Kopisch.


    Was den Heinzelmännchenbrunnen anlangt: Des Schneiders Weib steht 'On Top' ... zu Recht! ^^
    .


    Foto: ernstkaebisch.de


    Mindfreak
    Du bist eben kein kölsches Lama.
    Aber tröste dich, nirgendwo ist überliefert, dass diese Kölner Heinzel für Schulkinder die Arbeit erledigt hätten.
    Selbst die Kölner Heinzelmännchen hielten Lernen und Üben für unerlässlich.:P

  • Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 365 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Bitte erstellen Sie ggf. ein neues Thema.