Völkermord scheint nicht gleich Völkermord
Nach dem Rumgeeiere der letzten Tage und Wochen haben sich deutsche Politobere doch noch dazu durchgerungen, den vieltausendfachen Mord der Osmanen an den Armeniern als "Völkermord" zu bezeichnen. Österreich hatte es kürzlich vorgemacht und prompt den Zorn der türkischen Regierung zu spüren bekommen.
Nun also Deutschland
Sowohl Lammert im Parlament, als auch Gauck von der Kanzel (sic!) verurteilten die 1915 im damaligen Osmanischen Reich begangenen Massaker und fanden dafür deutliche Worte. Die Begriffe "Völkermord", oder auch "Genozid", um das Geschehene zu benennen, waren bis dato tabuisiert gewesen. Nicht nur der Außenminister hatte die diplomatische Klippe umschifft, Politiker aller Parteien vermeiden seit vielen Jahren eine unzweideutige Wortwahl.
Dieser verbale Balanceakt hat Gründe, die nicht etwa nur im sprühenden Zorn des von neo-osmanischer Großmannssucht befallenen Recep Tayyip Erdogan zu suchen sind. Vielmehr geht's um eigene Verbrechen in der deutschen Vergangenheit.
Nicht die nationalsozialistische, die zuverlässig Scham auslöst, immer als mundtot-Argument funktioniert und leider häufig genug völlig unangebracht zitiert wird. [Wie eben auch von Gauck]
Nein, der Grund für die bisherige sprachliche Zurückhaltung zum Thema "Genozid" liegt in einem anderen dunklen Kapitel deutscher Geschichte, das heute nur noch selten beachtet wird und noch vor dem osmanischen Verbrechen an den Armeniern stattgefunden hat.
Ort von Verfolgung und Massaker war die damalige kaiserlich-deutsche Kolonie "Deutsch-Südwestafrika", heute Namibia, wo im Jahr 1904 Herero und Nama für ihren Widerstand gegen die deutschen Kolonialisten 'bestraft' und im darauf folgenden Krieg (1904 - 1908 ) systematisch ausgerottet wurden.
scifi-forum.de
Seit Jahren gibt es Initiativen, das deutsche Vorgehen als "Völkermord" zu geißeln, ebenso seit Jahren gibt es heftige Widerstände dagegen.
Begründung:
Der Begriff "Völkermord/Genozid" sei erst seit 1948 als Straftatbestand im Völkerrecht verankert.
ZitatEin Völkermord oder Genozid ist seit der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht, der nicht verjährt. Der Begriff Genozid setzt sich zusammen aus dem griechischen Wort γένος (génos = „Herkunft, Abstammung, Geschlecht, Rasse“; im weiteren Sinne auch „das Volk“) sowie dem lateinischen caedere „morden, metzeln“.[1]
Gekennzeichnet ist er durch die spezielle Absicht, auf direkte oder indirekte Weise „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Daher wird er auch als einzigartiges Verbrechen,[2] als Verbrechen der Verbrechen (engl. crime of crimes)[2] oder als das schlimmste Verbrechen im Völkerstrafrecht[3] bezeichnet. Die auf Raphael Lemkin zurückgehende rechtliche Definition dient auch in der Wissenschaft als Definition des Begriffs Völkermord. Seit dem Beschluss durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde die Bestrafung von Völkermord auch in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen ausdrücklich verankert.
(Wikipedia)
Folglich könnten die vor diesem Datum begangenen Verbrechen nicht als "Völkermord" abgeurteilt und geahndet werden. Aha.
Auf exakt diese Begründung stützt sich auch der türkische Präsident, wenn er das Urteil 'Völkermord an den Armeniern' zurückweist ...
Gilt -aus westlicher Sicht- die Verurteilung für begangene Verbrechen also nur für Osmanen, bzw. Türken - nicht aber für Germanen ...pardon... Bundesdeutsche?
Cui bono? ist auch hier die entscheidende Frage.
Räumte nämlich Deutschland -wahlweise die Türkei- den jeweiligen Völkermord ein, dann ginge es folgerichtig auch um Entschädigungszahlungen. Und wie man die vermeidet, beweist man -international- immer wieder neu. Zuletzt mit beeindruckendem deutschem Paragraphenwirbel zu Reparationsforderungen der Griechen.
Da sind sie doch lieber alle ganz unschuldige kleine Mörderlein ...