Nebulöse Kneipen
Die Jüngeren unter uns wissen es gar nicht mehr: Früher gab es Kneipen und Gaststätten, da durfte und wurde nach Lust und Laune geraucht. So viel, wie jeder konnte und wollte. Wer schlapp machte oder wem übel wurde, der trank eben einen Schnaps oder öffnete verschämt auf dem Lokus ein Fensterchen (Wenn eines da war). Rauchmelder waren
Fehlanzeige, denn was sollte man mit einem Warngerät anfangen, das für den Dauerbetrieb gar nicht konstruiert oder konzipiert war?
Schon beim Betreten des einen oder anderen Etablissements konnte es schwierig sein, den Überblick zu behalten oder zu bekommen. Dieses, bzw. die Räumlichkeiten galt es dann zu erkunden, während sich ortskundige bereits sicher und schnell wie Blinde im Raum bewegten. Nachdem sich die Augen dann an den dichten Nebel gewöhnt hatten,
entdeckte man dann oft auch einen netten Bekannten und Verwandten. So erlebte man zusätzlich eine angenehme Überraschung.
Stillen Alarm gab es, wenn sich dann doch einmal ein Nichtraucher, manchmal
sogar ein militanter, aus Versehen in die gastliche Stätte verirrte. Aufkommende Proteste
wurden im wahrsten Sinne des Wortes „im Keime erstickt.“ Nach längerem Aufenthalt der/des Betreffenden erledigten sich deren Beschwerden wie von selbst,- ihnen war schlicht die Luft ausgegangen.
Ein anderer wesentlicher Vorteil dieser Wirtshäuser waren die angebotenen Speisen und Getränke. Meist waren es Sol-Eier in Salzlake, eingelegte Gurken und geräucherte Mettwurst im Schutzbehälter. Bulletten und Frikadellen hielten sich Dank des
Mikroklimas deutlich länger als vermutet, sogar als es das Verfallsdatum suggerierte, und die keimtötende Wirkung des Rauches verbesserte in Einzelfällen sogar den Eigengeschmack oder hob ihn besonders hervor. Bei manch einem Lebensmittel veränderte sich der
Geschmack sogar ins rustikal-cottagehafte! Einfach lecker!
Das Erkennungszeichen der eingeschworenen Gemeinschaft dieser regelmäßigen Gaststättenbesucher war nicht nur der dem Manne zugehörige Bierbauch, sondern auch die dunkel-nikontingelben Raucherfinger. Aber auch das schwefelig-gelbe Interieur vieler Bars
und Cafés und Kneipen sorgte für einen Wiedererkennungs- und Wohlfühleffekt. Die Älteren unter uns werden mir zustimmen: Das war ein einzigartiger Mikrokosmos, fast schon eine ökologische Niesche, die man heutzutage nur noch durch Mund-zu-Mund-Propaganda wieder
finden dürfte. Bestimmt gibt es ganz, ganz kleine Eckchen in einem nur wenig bekannten kleinem Veedel, in dem ein renitenter Wirt überlebt hat und die alte Rauchkultur sorgsam pflegt!