Gestern war's wieder mal soweit: man talkte. Diesmal waren sogar Flüchtlinge eingeladen, ist zu lesen. Auch die obligatorischen Politiker waren anwesend. Hätte man sich sonst allzu zielstrebig dem Kern des Themas genähert?
Bemerkenswert, wie die Sendung beschrieben und bewertet wird.
'FAZ': "Maischbergers Menschenzoo",
'Süddeutsche':"Ob ich zu Hause Reis esse oder Schweinebraten spielt keine Rolle" ,
'Welt': "Ob ich Kebab esse oder Schweinebraten, das ist egal"
Den 'Spiegel'-Artikel"Der Tod war immer einen Augenblick entfernt" poste ich deshalb im vollen Wortlaut, weil er sich überwiegend auf die Aussagen der Flüchtlinge konzentriert.
ZitatAlles anzeigenFlüchtlingstalk bei "Maischberger": "Der Tod war immer einen Augenblick entfernt"
Von Arno Frank
In der Sendung von Sandra Maischberger diskutierten endlich Flüchtlinge über die Flüchtlingskrise. Es wurde ein denkwürdiger Abend mit teils verblüffenden, teils beschämenden Einsichten.
Zur Sendung: In den vergangenen Monaten war die Flüchtlingskrise Thema zahlreicher Talkshows (hier lesen Sie die wichtigsten Fakten zu Asyl und Einwanderung in unserem Erklärformat "Endlich verständlich"). Bei Sandra Maischberger kamen die Betroffenen nun selbst zu Wort. Titel der Sendung: "Die Stunde der Flüchtlinge: Jetzt reden wir!"
Die Talkshow als virtuelles Wohnzimmer der Deutschen fremdelte zuletzt ein wenig mit den Fremden. Zwar redeten Vertreter jeder nur denkbaren Partei oder Institution schon über Flüchtlinge, mit ihnen bisher allerdings kaum. Als Thema längst perfekt integriert, hatten die Menschen selbst nur selten eine Aufenthaltserlaubnis oder ein Bleiberecht im Fernsehen.
So langsam tastet die Talkshow sich aber an die Fremden heran. Neulich durften bei "Hart aber fair" bereits jene sprechen, die den Ankömmlingen helfen. Nun ruft Sandra Maischberger nicht ohne Pathos die "Stunde der Flüchtlinge" aus: "Jetzt reden wir!"
Und dann reden sie.
Majd al Hosaini: Lehrling, Syrien-Flüchtling
Da ist beispielsweise der fröhliche Majd al Hosaini, mit 17 Jahren aus Syrien über Ägypten, Italien und Frankreich nach Deutschland geflohen. In seiner Heimat spielte der Sohn eines wohlhabenden Restaurantbesitzers in der ersten Liga. Dann wurde ihm nach dem Training auf offener Straße ins Knie geschossen, ein Freund vor seinen Augen getötet.
Hosaini wollte nicht einmal weg aus Syrien, sein Vater setzte ihn ins Flugzeug nach Ägypten. 4000 Euro zahlte er dem Schlepper für einen Platz im Kahn, und im Boot habe er schon nach wenigen Stunden keine Angst mehr gehabt, denn: "Ich habe gewusst, dass ich sterben werde."
Die Schleusung durch Europa kostete den jungen Mann noch einmal 1000 Euro, am Ende bezahlte er von seinen letzten zehn Euro das Taxi vom Münchner Hauptbahnhof zum Erstaufnahmelager. Inzwischen hat er seinen Hauptschulabschluss gemacht und eine Lehrstelle, über die er so glücklich ist, dass er den Namen der Firma nennt - was Maischberger sanft tadelt: "Das können Sie nicht wissen, wir nennen keine Firmennamen im deutschen Fernsehen."
Er wollte nicht nach Schweden oder in die USA, weil Deutschland immer schon sein Traumland gewesen ist: "wegen Fußball". Zurück möchte er vor allem deshalb nicht, weil er sich hier schon "etwas aufgebaut" hat.
Jasmin Taylor: Unternehmerin, Iran-Flüchtling
Da ist auch die resolute Jasmin Taylor, die ebenfalls mit 17 Jahren vor dem Krieg zwischen dem Irak und Iran floh und heute in ihrem Unternehmen 60 Mitarbeiter beschäftigt. "Was war so schlimm in Iran?", will Maischberger wissen. Taylor schildert die dauernde Angst vor einem Einmarsch der Iraker: "Schulbesuch war schlicht und ergreifend nicht möglich." Einmal sei sie zu einem Kindergeburtstag zu spät gekommen, alle ihre Klassenkameradinnen waren schon im Haus - da zerstörte eine Bombe das komplette Gebäude: "Der Tod war immer einen Augenblick entfernt."
Am Anfang habe sie entsetzliches Heimweh gehabt, sagt Taylor. "Wenn der Krieg nicht gewesen wäre, wäre ich never ever hierhergekommen!"
Ob Kirche oder Moschee, Schweinebraten oder Kebab - mit Integration hätten solche kulturellen Kinkerlitzchen nichts zu tun. Vor allem habe sie ihren damals zwölfjährigen Bruder nachholen können, der ansonsten mit 15 in die irakischen Minenfelder geschickt worden wäre. Taylor sagt, in Deutschland könne es jeder schaffen: "Ich bin keine Ausnahme."
Dilovan Alnouri: Arzt, Syrien-Flüchting
Da ist außerdem Dilovan Alnouri. Er ist genau jener "syrische Arzt", von dem immer alle reden. Sein Krankenhaus geriet zwischen die Fronten, Kollegen wurden erschossen, weil sie die falschen Leute behandelt hatten. Alnouri floh in sein kurdisches Dorf. Ob er dort nicht hätte bleiben können, fragt Maischberger mit Blick auf das Argument, es sei nicht überall gefährlich.
Schon, sagt Alnouri, in seinem Dorf sei es "sicher". Warum? Weil von dort aus kurdische Soldaten gegen den IS kämpften. Na dann. Maischberger will wissen: "Wie kann ein Vater seine Frau und seine kleinen Kinder da zurücklassen?" Alnouri zuckt mit den Schultern: "Alle Wege sind gefährlich", da nehme man doch keine Kinder mit, die hole man nach. Überhaupt seien die "qualifizierten Leute" längst alle in Deutschland. Sein ehemaliger Chef hocke gerade in Duisburg und warte auf einen Deutschkurs.
Beq Zeqiri: Kosovo-Flüchtling, abgelehnter Asylbewerber
Da ist auch noch Beq Zeqiri aus dem Kosovo, der über die Balkanroute kam und seine Söhne nachgeholt hat. Die hat er schon im Kosovo mit deutschem Fernsehen gequält, damit sie die Sprache lernen. Inzwischen besucht ein Sohn das Gymnasium, der andere hat einen Ausbildungsvertrag in der Tasche. Kommende Woche werden diese "Wirtschaftsflüchtlinge" abgeschoben.
Zu Hause droht Zeqiri und seinen Söhnen keine Lebensgefahr, aber "schwer ist es auch". Ob er denn verstehen kann, dass die Deutschen ihn und seine Familie abschieben, dass sein Lebenstraum scheitert? Zeqiri denkt kurz nach und sagt den beschämenden Satz: "Ja, man muss den Platz freigeben für Leute, die aus einem Kriegsgebiet kommen."
Franz Wasmeir: Leiter eines Flüchtlingsheims
Zur Auflockerung ist direkt aus einer Einrichtung in Pfaffenhofen die Basis zugeschaltet. Der robuste und sonnige Heimleiter Franz Wasmeir erzählt, dass vor allem der Lagerkoller ein Problem sei. Er fordert einen verbindlichen Deutschkurs und ärgert sich, dass "Somalis und Afghanis" davon ausgeschlossen seien.
Auch gebe es viele Schwierigkeiten, es sei nicht "immer alles leicht". Manche Leute wüssten eben nicht, dass man sich nicht an fremde Autos lehnt. Denen erklärt er das dann, und sie lassen es bleiben. Und wenn sie es nicht bleiben lassen, erklärt er es ihnen noch einmal. Genervt ist Wasmeir von der "I need, must have"-Mentalität mancher Bewohner. Man solle die Leute nicht in Watte packen. "Meine Heimlinge, ich mag sie sehr gerne, ich leb' ja mit denen!"
Ach, und dann war da noch Simone Peter. Eine tapfere Frau, die sich aus dem von Fuchs und Hase hart umkämpften Saarland in den Bundesvorsitz der Grünen retten konnte. Und Paul Ziemiak, der es vom armen Aussiedlerkind über die katholischen Gottesdiente im Sauerland bis zum Vorsitzenden der Jungen Union geschafft hat.
Die beiden Politiker, das soll nicht verschwiegen werden, redeten an diesem denkwürdigen Abend auch irgendwas.