Heute bin ich beim Lesen einiger Kommentare zum Krim-Referendum auf ein interessantes Thema gestoßen. In diesen Tagen dürfen Venetianer in einem Referendum darüber abstimmen, ob sie lieber weiter zu Italien, EU und NATO gehören wollen, oder ob sie lieber frei und unabhängig sein wollen. Wie bindend dieses Referendum ist, ist natürlich äußerst umstritten, auch wenn es von der gewählten Lokalregierung organisiert wird. Vermutlich wird es nur einen symbolischen Effekt haben, da niemand es anerkennen wird.
Allerdings finde ich das Referendum aus zweierlei Gründen recht interessant.
Zu aller erst, weil ich nur durch Zufall davon erfahren habe. In unseren Medien wird diese Sache nahezu totgeschwiegen. Das ist schon ein wenig unverständlich. Erstmal weil solche Referenden nicht gerade gewöhnlich sind. Selbst wenn das Referendum irrelevant sein wird, sollte man doch wenigstens mal das Unabhängigkeitsbestreben Venedigs thematisieren können. Zum anderen ist es doch gerade bezüglich der Krimkrise und deren Unabhängigkeitsreferendum interessant zu erfahren, wenn so etwas auch in Europa stattfindet, vor allem in einem EU-Staat!
In einem Schweizer Nachrichtenmagazin fand ich nun folgende Erklärung:
ZitatDeutschsprachige Medien haben eine Nachrichtensperre über dieses
Referendum verhängt. Man fürchtet die "Büchse der Pandora" damit zu
öffnen und der Funke der Freiheit und der Freiheitsdrang der Völker
Europas, speziell der Deutschen, Schweizer und Österreicher,
überspringt.
Auch wenn der Abschluss etwas polemisch klingt, aber was hat es denn mit einer Nachrichtensperre auf sich? Wer verhängt die? Wieso dürfen unsere Medien so freizügig und selbstgerecht darüber bestimmen, welche Informationen uns zu erreichen haben? Ist das nicht eigentlich eine sehr schlimme Form der Zensur sogar?
Zu dem Thema habe ich noch einige Ungereimtheiten erlebt. Es wurde berichtet, daß in diversen Foren und Kommentarbereichen der Nachrichtenportale massenhaft Beiträge zu dem Thema gelöscht wurden. Ich kann es selber bestätigen. Bei ZON, wo ich auf das Thema aufmerksam wurde, war die Administration ebenfalls fleissig dabei Beiträge mit der Erwähnung des Themas zu zensieren oder ganz zu löschen. Gerne auch mit dem Hinweis, man solle sich an das eigentliche Artikelthema halten (in dem Fall das Krimreferendum).
Ich habe dann mal in einem Beitrag bei der Redaktion nachgefragt, wo man denn als Interessent am Venedigthema selbiges diskutieren kann, wenn es keinen einzigen Artikel dazu gibt? Diese Fragen wurden natürlich auch gelöscht, ohne sie zu beantworten. Das Thema soll also kleingehalten werden. Möglichst wenige sollen nach Ansicht unserer Medien davon wissen.
Immerhin hat mittlerweile (vor ein paar Minuten) die Süddeutsche (sz.de) als einziges deutsches Leitmedium einen Artikel dazu herausgebracht. Wenigstens etwas. Dennoch fühlt es sich nicht gerade an wie Sonnenschein, daß unsere Medien zwar gerne das Krimreferendum so lautstark in den Mittelpunkt rücken, aber selbige Referenden in unseren Reihen komplett ausblenden und sogar versuchen die Weitergabe dieser Information zu zensieren. Ist die Angst vor der Demokratie etwa wirklich so gewaltig?
Aber nun zu dem anderen Grund, weswegen ich das Thema interessant finde und das wäre das Völkerrecht. Ich denke, daß solche Unabhängigkeitsreferenden gegen das Völkerrecht verstoßen dürfte jedem klar sein.
Nun ist Venedig nicht die einzige Region innerhalb der EU, die nach Unabhängigkeit von ihrem Mutterland strebt. In Katalonien und im Baskenland sind die Mehrheiten der dort lebenden Bürger ebenfalls dafür sich von Spanien bzw. Spanien/Frankreich abzuspalten. Die Basken haben dafür bekanntlich sogar schon Gewalt angewendet. Nur die spanische Regierung verweigert sich bislang irgendwelcher Referenden. Ist auch klar, daß gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise man sich nicht von einem ökonomischen Zugpferd wie Katalonien abspalten will.
Schottland wird dieses Jahr tatsächlich ein gültiges Referendum für die Unabhängigkeit von Großbritannien abhalten. Mit Genehmigung der britischen Zentralregierung, auch wenn die natürlich weniger erfreut sein dürfte, sollten die Schotten der Unabhängigkeit zustimmen. Wäre das in dem Fall aber mit dem Völkerrecht zu vereinbaren?
Wie seht ihr das persönlich überhaupt? Sollten Regionen immer das Recht haben sich unabhängig erklären zu können, egal unter welchen Umständen? Oder ist die nationale Souveränität eines Zentralstaates höher zu werten, solange er selber kein internationales Recht bricht? Sollte Köln oder das Rheinland sich von Deutschland trennen?