Ich kann nur aus der Warte einer Historikerin etwas dazu sagen.
Ein Doktorvater muss darauf vertrauen können, dass der Doktorand korrekt zitiert. Das gehört zur wissenschaftlichen Grundausbildung. Bis vor kurzem gab es meines Wissens auch keine Textprogramme, mit denen man im Schnelldurchgang eine Dissertation überprüfen konnte.
Ich habe 222 Seiten zu Papier gebracht mit 1134 Fußnoten. Hätten mein Doktorvater und der Zweitgutachter nur jede zehnte Fußnote kontrolliert, dann wäre der Arbeitsaufwand schon enorm gewesen. Einfach abschreiben - das gehört sich einfach nicht, es ist so eine Art Ehrenkodex.
Die beiden Gutachter prüfen, ob der Doktorand dem Thema gerecht geworden ist, ob er den Forschungsstand berücksichtigt, unterschiedliche Positionen benennt, und zu einem eigenen Urteil kommt. Sehr wichtig ist der angemessene Umgang mit den Quellen.
Ich saß fünf Jahre an meinem Thema und arbeitete halbtags. Es war eine Lustpromotion; es machte mir Spaß, und ich würde es wieder tun. Ich hatte nicht den Anspruch, gleich ein monumentales Werk zu verfassen, sondern eine solide Arbeit zu schreiben. Das klappte, und ich wurde mit "magna cum laude" promoviert. Deshalb konnte ich das Manuskript auch gleich drucken lassen.
Fazit: Auf zwei Dinge in meinem Leben bin ich stolz; die Promotion gehört dazu. An meiner Universität wird auch kein Firlefanz mit dem Doktorhut und diesen schwarzen Umhängen veranstaltet; die Urkunde kam mit der Post und der Briefträger erhielt 10 Euro.
Eine nervige Feier mit Streichquartett Köchelverzeichnis 378 und Ansprache des Dekans hätte mich gelangweilt. Sehnsucht nach Harvard verspürte ich nie.
Wer promoviert, muss nicht überdurchschnittlich intelligent sein. Man muss über die Ausdauer verfügen und sich für das Thema begeistern - zumindest am Anfang. Nach ein paar Durchhängern steigt die Leidenschaft gegen Ende wieder.
Im Klartext: Wer nur promoviert, weil er die beiden Buchstaben braucht, weil es in seiner Familie nur Oberlandesgerichtsräte, Generalstabsoffiziere oder leitende Fabrikanten gibt, die ihn ohne Doktorhut scheel ansehen, der hat es schwer, mag er auch noch so viel im Kopf haben. Man muss ein wenig abgedreht sein, um sich so auf ein Thema konzentrieren zu können. Natürlich spielt auch Eitelkeit eine Rolle - keine Frage.
Dass jetzt die Promotion so in Verruf gerät, finde ich schade. In jedem Beruf gibt es schwarze Schafe. Aber in Deutschland laufen wohl nur Promovierte herum, die betrogen haben.
Was ich über diesen Prof. Kamenz gelesen habe, wirkte auf mich nicht sehr seriös. Aber Herr Steinmeier muss seine Dissertation jetzt überprüfen lassen - da bleibt ihm wohl keine Wahl.
Sollten die Vorwürfe berechtigt sein, hat auch er die Konsequenzen zu ziehen.