Zigeuner, Neger und Konsorten

  • wurde das nicht immer schon so gehandhabt, dass man Literatur "zeitgemäß" überarbeitet?

    Klar,
    wenn Sprache unverständlich wird, mag das auch durchaus seine Berechtigung haben.


    In dieser Debatte geht es aber u.a. um inhaltliche Veränderungen, die dem nicht unumstrittenen Zeitgeist geschuldet sind, in vorauseilendem Gehorsam Texte/Sprache klinisch sauber zu waschen.

  • Wegen des inhaltlichen Zusammenhangs aus "Otfried Preußler und die Grünen" hierher kopiert:


    Zitat von Heinz K :
    >Rassistische, politisch inkorrekte Ausdrücke waren Alltag. Das hat sich bis heute nicht gerade geändert. Türkische Freunde bezeichne ich immer noch gerne als Kümmel oder Kanacken, dafür nennen die mich dann Kartoffel oder Nazischwein. Was daran so schlimm sein soll versteht wohl keiner von uns.<


    Ob es "schlimm" ist, möchte ich nicht beurteilen.
    Was es offenkundig ist, kann ich dagegen sagen: eine Insider-Sprache, die in deinem Freundeskreis gepflegt wird und die dort auch 'richtig' verstanden wird.
    Ihr habt sie positiv belegt, ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubt und als 'Code' tradiert.


    Außerhalb eures Kreises ist sie das, was sie im allgemeinen Sprachgebrauch darstellt - abwertende Beschimpfung.

  • *** Komplette Bearbeitung der Erstübersetzung – Mit 100 Illustrationen ***
    “Pinocchio” ist die Geschichte einer lebenden Marionette, ....
    Der Herausgeber hat die ursprüngliche Übersetzung bearbeitet, ohne dabei ihren Charakter zu verändern. Im Gegensatz zur unglücklichen schwäbisch geprägten Erstübersetzung heißt Pinocchio hier auch wirklich Pinocchio und nicht “Bengele”. Und es ist nicht von einem Hampelmann die Rede, sondern wirklich von einer Marionette, und Geppetto heißt Geppetto – wie es sich gehört – und nicht Seppel und und und




    @ aggrippi
    was das u.a. die inhaltlichen veränderungen angeht: wenn da farbiger (oder was auch immer) statt neger steht ist das für mich keine inhaltliche veränderung des buchstoffes. Veränderung findet wenn überhaupt im kopf des wissenden lesers durch verknüpfung polit. hintergrundnformtion statt.. Du hast ähnliche probleme bei übersetzungen. Solange man nicht anfängt ganze handlungen umzuschreiben, solange wir hier öffentlich darüber diskutieren können, halte ich den austausch von ein paar überkommenen begriffen nicht für dramatisch. Es wäre schön, aber wahrscheinlich nicht wirtschaftlich, diese bücher parallel in einer überarbeiteten neuauflage und einer originalfassung anzubieten. Nicht alle kinder die gerne lesen haben einen erwachsenen neben sich der erklärt, migrantenkinder vlt. gar nicht. Für mich war ein buch zu lesen immer ein moment des rückzugs in dem ich gerne ohne eltern auskam.

  • man kann da durchaus unterschiedlicher ansicht sein, siehe zeitartikel , auch wenn die deutsche stammtischmeinung eine andere ist.


    Zitat

    Stellt euch nicht so an


    Seite 2/2: Wir leben in heterogenen Gesellschaften
    Dahinter verbirgt sich etwas anderes: Sie sind irritiert, dass nun andere mit am Tisch sitzen, wenn es um wichtige gesellschaftliche Fragen geht. Rassismus zum Beispiel. Wir leben in heterogenen Gesellschaften, das kann man finden, wie man will, sie werden nie wieder homogen. Das Wir ändert sich, mittlerweile beträgt der Anteil der Menschen anderer Herkunft in Deutschland 20 Prozent. Die neuen Deutschen haben einen anderen Zugang zu Themen, eine andere Geschichte und andere Erfahrungen. Und je mehr von ihnen in öffentliche Positionen kommen, desto mehr werden sich auch Debatten ändern. Ändern müssen. Die Kinderbücher, die Eltern Anna-Lena und Philipp abends vorlesen, hören jetzt auch Can und Mampezi; diese Literatur gehört nicht mehr den Alteingesessenen allein, sondern auch den neu Dazugekommenen. Und die sind, das ist ein wesentlicher Unterschied zu der Zeit Astrid Lindgrens oder Otfried Preußlers, heute sprechfähig. Präsent. Deutsche.

  • @ aggrippi

    Huch,
    komme ich dir aggressiv vor?;)

    Solange man nicht anfängt ganze handlungen umzuschreiben, solange wir hier öffentlich darüber diskutieren können, halte ich den austausch von ein paar überkommenen begriffen nicht für dramatisch. [....] Nicht alle kinder die gerne lesen haben einen erwachsenen neben sich der erklärt, migrantenkinder vlt. gar nicht.

    Von "dramatisch" war auch nicht die Rede, manches erscheint eher unüberlegt, übereifrig und -pardon- dümmlich.
    Ich verweise in dem Zusammenhang auf den im Thread bereits dargestellten Streit zum Begriff "Zigeuner"
    und lege euch die SPON-Kolummne "Auf dem Weg zur Trottelsprache" nochmal wärmstens ans öööh...Hirn :)


    Die SPON Kolumne

  • Huch, jetzt hast du aus meiner Sicht aber unvollständig und "verfälschend" zitiert, zeitgeist.


    Die Schlussfolgerung im Zeitartikel bleibt ja: Keine Bücher korrigieren ... aber mit der richtigen Begründung. Diskutieren ja, den anderen ernst nehmen, Rassismus Rassimus nennen ... ihn aber nicht "ausradieren".


    Das schrieb ich bei "Preußler und die Grünen". Da die Grünen grad gar nix damit zu tun haben, gehört es hierher:


    Pippi Langstrumpf* ist -von den meisten unbemerkt- längst von der Negerprinzessin zur Südseeprinzessin geworden. Wer das verbrochen hat, hat den Text nicht verstanden. Pippi ist eine positiv besetzte Hauptfigur. Da, wo sie Pinzessin ist, wird nicht verunglimpft.

    Und wenn Lukas, der Lokomotivführer, mit seinem ewig rußgeschwärzten Gesicht, kein Negerkind mehr auffischen darf ... sondern nur noch ein Kind mit schwarzer Hautfarbe, dann ist der Witz raus aus der Geschichte! "Schwarz" ist schon Lukas. Genau deshalb passt das "richtig" schwarze Negerkind so gut zu ihm ... und natürlich liebt er es. Da gibt es gar keine Missverständnisse.

  • @zeitgeist
    Der von dir verlinkte ZEIT-Artikel bringt es einen Absatz später als der von dir zitierte auf den Punkt,
    ich kopiere mal hierher:


    >Übrigens kann man laut und klar sagen: »Das ist rassistisch«, und trotzdem dagegen sein, rassistische Begriffe aus Kunst und Literatur zu entfernen. Man sollte Originale lassen, wie sie sind –aber aus den richtigen Gründen.


    Ressentiments und Narben werden nicht gelöscht, nur weil Wörter getilgt werden.
    Die sollten unbedingt erhalten bleiben, weil sie uns wachsam sein lassen und die Geschichte, ob es um die Kolonial- oder Einwanderungsgeschichte geht, lebendig halten.
    Minderheiten in vielen Gesellschaften haben sich die abwertenden Bezeichnungen auch zurückgeholt, um zu verstören, klar, aber in erster Linie, um Rassismus sichtbar zu machen. Der amerikanische politische Rap der achtziger und neunziger Jahre lebte davon.

    Es gibt bessere Methoden, als Wörter zu löschen, auch Minderheiten können sich ihrer bedienen. Sich ungefragt in die Debatten zu drängen, beispielsweise. Und neue Bücher zu schreiben, für eine neue Zeit.<


    Quelle: zeitartikel

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