237 Gründe, Sex zu haben

  • 237 Gründe, Sex zu haben
    09.03.2008 | 19.20 | escape







    Bilder kommunizieren Stimmung




    Wer im Blog schreibt, will beachtet werden. Wer deshalb überlegt, was die anderen neugierig macht, wie er eine lebhafte Diskussion anzetteln könnte, oder auch zur ständigen Auf- oder Abwertung provozieren, hat den Zahn der Zeit erkannt, nein ... ist auf den Zug der Zeit aufgesprungen ... ach, wie auch immer.


    Was hier im Kleinen geschieht, beherrscht auch den Online-Journalismus immer stärker. In den USA werden die ersten Journalisten nicht mehr nach der Wortzahl, sondern nach Klicks bezahlt. Klicks dienen auch der Befriedigung des Autors. Das führt verstärkt zur Themeneinschränkung. Tiergeschichten laufen immer, Liebesgeschichten auch. In den USA am häufigsten gelesen: der Beitrag einer Frau, die Regeln aufstellt, wie man in Anlehnung an die Delfindressur den eigenen Mann konditionieren kann. Jede kann es ausprobieren. Kombination von Tier- und Liebesgeschichte ist unschlagbar. Bemerkenswert: Mit umgekehrtem Vorzeichen könnte man das heute nicht schreiben, da wär es politisch nicht korrekt. So geht's aber!


    Jedes große Online-Portal veröffentlicht ein Ranking der meistangeklickten Beiträge, oder auch der meisten Kommentare. Wir müssen uns also keine Gedanken darüber machen, wann der KStA die Sternchen abschafft. Der ewige Streit darüber erhöht die Klicks ebenso, wie das damit verbundene ständige Voting. Und die Klicks sind vor allem ein Wirtschaftfaktor. Sie gelten als Indikator für die Reichweite eines Portals und bestimmen damit die Preise für Werbekunden. Zu diesen Überlegungen sind wir ja hier im Blog auch schon gekommen.


    Also überlegen auch die Redaktionen, durch welche Formate sie die Klicks steigern können ... künstlich, versteht sich. Wer einen Online-Artikel liest, hinterlässt nur einen Klick, das sorgt nicht für Quote.


    Was klickt? Bildergalerien, Kreuzworträtsel und Spiele. Jetzt weiß ich endlich, warum auf der Startseite von web.de täglich neue Memory-Spiele auftauchen. 15 Kartenpaare sind midestens 30 Klicks. Oder Ratespiele: eine Frage, drei Antworten, nächste Seite. Das lässt sich fast ins Unendliche ausweiten. Ein Höhepunkt: 237 Gründe, Sex zu haben in der Silvesterausgabe von Sueddeutsche. de. Jede Begründung ist einen Satz lang, jeder Satz erhielt eine eigene Seite.
    Auch die Wahl des Titels schafft Klicks: Sex, Hitler, Enthüllungen jeder Art ... der Titel muss gar nicht unbedingt zum Beitrag passen, angeklickt wird er auf jeden Fall.


    Inflationär steigen die Zugriffe allerdings erst bei den sozialen Netzwerken. Hatte Spiegel Online, der Marktführer unter den deutschsprachigen Nachrichtenseiten, im Dezember 394 Mio. Klicks, kam das Studentennetz Studi.VZ auf 5,3 Mrd. Hier geht es, wie bei den Stadtmenschen, um Selbstdarstellung, Kontakte, Diskussion. Das erfordert vom Nutzer viel Aktivität und Aktion heißt Klicks. Die Klicks sagen also nichts darüber, wieviele Menschen ein Portal tatsächlich nutzen. Spiegel Online hat über 4,5 Mio Unique User, StudiVZ etwa 4 Mio. Die Klicks verschaffen einem neuen Medium zunächst eine nur scheinbare Bedeutung.


    Welche Folgen hat das für den Journalismus, wenn Berichte über den Arbeitsmarkt oder Hintergrundinformationen über den Atomkonflikt im Iran floppen, und deshalb von der Startseite verschwinden? Wenn Nachrichten unter dem Gesichtspunkt der Vermarktung ausgewählt werden, wird die Wirklichkeit zugunsten der Quote verzerrt.


    Gleichzeitig werden die Foren immer interessanter für die Internetwerbung. Produkte werden heute kommuniziert, nicht mehr beworben und Produktkommunikation ist ein wachsender Markt, den der Verbraucher als solchen kaum wahrnimmt. Die Werbung hat längst neue Formen angenommen, seit sie nur noch im Netz boomt. Es ist inzwischen durchaus üblich, dass Firmen Mitarbeiter mit verschiedenen Nicks in unterschiedliche Foren schicken, damit sie dort von ihren guten Erfahrungen in Form eines Erlebnisberichtes zu erzählen.


    Gerade die Werbung könnte aber dazu beitragen, dass es auch im Online-Journalismus in Zukunft nicht nur um Banalitäten geht. Denn erfolgreiche Werbung braucht einen qualitativ hochwertigen Hintergrund. Klingt für mich alles ein bisschen verrückt: Gerade die Werbung fordert Qualität?


    Und jetzt warte ich noch darauf, dass der Begriff es klickt sich verselbständigt. „Tolle Handtasche, die klickt!“



    Der Beitrag entstand auf der Grundlage verschiedener Berichte der SZ und der Zeit und nach einem Gespräch mit einem Agenten für Produktkommunikation




    Die Erstausgabe steht hier

  • Auch im Internet wird sich das fortsetzen, was zur Zeit der Printmedien und des Fernsehens schon populär war. Auch hier wird es einen Boulevard geben. Allerdings finde ich Internet-Boulevard deutlich angenehmer, weil sich hiermit kaum Geld verdienen lässt, weil die Schwarmintelligenz selber für die Inhalte sorgt.


    Ansonsten ist es natürlich sinnvoll nach Klicks zu entgelten und nicht nach Uniques. Klicks bedeuten Aktivität, Seitenaufrufe und je mehr Seiten aufgerufen werden, desto mehr Werbebanner o.ä. können geschaltet werden. Da spielt es keine Rolle auf wieviele verschiedene Personen sich das verteilt. Das ist nur für die Datenkraken interessant.


    Ich finde nur in Zukunft sollte man differenzieren, wieiviel Wert ein Klick überhaupt hat. Wenn ich zB auf die reißerische Überschrift reinfalle und den Artikel anklicke, diesen aber dann doch nicht lese, weil ich schon in den ersten Zeilen erkenne, daß er uninteressant ist, dann ist es auch weniger wahrscheinlich, daß ich von der Werbung mitkriege, die speziell auf diesem Artikel geschaltet ist. Man bräuchte also auch ein System, was erkennt, wie lange man einen bestimmten Weblink überhaupt konsumiert.

  • Die ganze Werbung habe ich sowieso nicht verstanden. Fährt einer Mercedes, weil die Bayern das auf der Brust haben? Kauft einer wegen dem FC bei REWE ein? Hier gibt es (zu Fuß) nur REWE und Edeka.




    Bei eBay sehe ich das so: Die Klicks sagen aus, wie gut die Anzeige aufgemacht ist. Wieviel Leute bleiben stehen, "Dú, guck mal", gehen in den Laden, sehen sich das Produkt an und verlassen den Laden vielleicht mit einem ganz anderen Produkt, z.B. einer Tüte Bonbons. Egal, Kleinvieh macht auch Mist.




    Bei den Stadtmenschen werden auch die Klicks gezählt. Wie viel es ist, ist geheim. Aber wenn ich eine Anzeige schalten will, gibt es Preisgruppen, je nach Klicks. Der Kunde muss jetzt selbst überlegen, wieviele User lesen alles, wie oft. und zum Schluss: Wieviele Käufer. Wie hoch der Gewinn, lohnt sich das? Am Spiel Capitalism II lernt man das Prinzip ganz gut. Fernsehen, Radio oder Zeitung.


    Ich vermute aber, dass der Wirkungsgrad oft gar nicht ermittelt wird. Es gehört einfach zum guten Ton, xxx Mio in die Werbung zu stecken. Wenn BMW das macht, machen wir es auch. Wíe sieht das denn aus, wenn wir nicht werben? Als wenn wir arm wären.




    Lohnt sch die Geschichte, ich habe keine Ahnung, bezweifle es aber.


    ich habe noch nie Erdinger Weißbier getrunken, ich kann es nur singen.

  • Ich glaub nicht, dass irgendwo Werbung geschaltet wird, die sich nicht lohnt. Die F1 ist eine einzige Werbeveranstaltung, ausgerichtet auf männliche Wesen. In den Werbepausen nur Autos, Autoreifen ... neuerdings auch Kosmetika und Parfum für den unwiderstehlichen Mann. Ein Novum an dieser Stelle war für mich eine Waschmittelreklame. Da hatte doch tatsächlich ein Mann entdeckt, dass seine Wäsche einen Grauschleier hat. Ist wohl nicht angekommen. ZUmindest habe ich keine Wiederholung gesehen.


    Die Werbung "Come in and find out" hat eine bekannte Parfumerie-Kette ganz schnell wieder eingestellt. Für Deutsche war sie zu missverständlich. Reinkommen und nach dem Ausgang suchen geht ja gar nicht!


    Toyota musste erkennen, dass Werbe-Affen ein Flop sind. Welcher Autofahrer lässt sich denn zum Affen machen?


    Obwohl du kein Weizen trinkst, kannst du die ErdingerMelodie singen? Wenn das kein Erfolg ist. Kennst du auch die von Paulaner?


    Man kann auch das www als eine einzige riesige Werbeplattform betrachten. Oder glaubt jemand, das wird uns freundlicherweise "geschenkt"??

  • Kennst du auch die von Paulaner?



    Klar, auch Jever, aber ich trinke Cola, obwohl von denen keine Werbung sehen.


    Aber vielleicht bin ich untypisch.Eigene Werbegruppe. Zu der Werbung gehört ja auch die Marktfoschung. Schließt Du bei Allianz eine Versicherung ab, nur weil sie die größte ist? Ich habe auch kein Konto bei der Deutschen Bank. Die haben mit Bank 24 die Privatkunden verschmäht, jetzt kriegen die mich nicht mehr.

  • Heinz K


    Das gibts schon.
    Ich kann selbst über das kostenlose Google Analytics feststellen, wie lange bestimmte Seiten meiner Homepage im Durchschnitt angeschaut werden


    Ich vermute, bei Profi-Anwendungen wird dies noch sehr viel differenzierter
    ausgewertet werden.


    Ich weiß nicht von wem es stammt:


    "Ich weiß, dass die Hälfte meiner Werbung rausgeschmissenes Geld ist, nur nicht welche Hälfte."


  • Man bräuchte also auch ein System, was erkennt, wie lange man einen bestimmten Weblink überhaupt konsumiert.


    Das macht man über so genannte Tracker, die sich allerdings auch blockieren lassen. In erster Linie bedeutet es für Anbieter, wie Endverbraucher, ein ständiges Aufrüsten. Und das kostet Zeit und Geld.

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