Notre-Dame ... notre drame

  • @agrippi
    Ja, der Dom hat ein paar Löcher bekommen. Nachdem er dutzende Bombentreffer aushalten musste, Brandbomben abbekam und die Welt um ihn herum bereits im Krieg versunken war. Damals hatten die Menschen in Köln noch ihre eigenen Häuser zu löschen, die Leichen ihrer Verwandten aus zugeschütteten Kellern zu bergen, und trotzdem waren sie für den Dom einsatzbereit.


    In Paris hat ein kleines Kurzschlüsschen fast die ganze Kapelle abgefackelt und die Stadt versinkt in Hysterie (letzteres mag Übertreibung der Lügenpresse sein). Da ist es kein Wunder, wenn die NYT Notredamm mit einer prominenten und qualitativ hochwertigen Kirche verwechselt :)

  • Foto: headtopics.com

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    Von Fristen redet inzwischen jedenfalls niemand mehr. Zu unberechenbar die notwendigen Reparaturen, zu groß die Schäden, von denen immer noch mehr gefunden werden, je genauer Notre-Dame besichtigt und untersucht werden kann.
    Kölns ehemalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner, die im Auftrag der Bundesregierung in Paris war und sich die Brandfolgen anschauen konnte, packte jedenfalls das große Grausen, wie sie vorgestern in der Stadtbibliothek berichtete.


    Foto: headtopics.com

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    Nicht allein das Offenkundige, also die vollständige Zerstörung von Dach und Vierungsturm ist zu beklagen. Unberechenbarer und nicht weniger dramatisch sind die Schäden, die das Löschwasser verursacht hat.
    Noch immer steht Wasser im Kircheninneren, die Mauern sind vollgesogen, und niemand kann präzise sagen, wie instabil die Konstruktion geworden ist - und wie groß die Einsturzgefahr.


    Ein Betreten der Kirche ist nur an einigen, als ungefährlich eingeschätzten Stellen gestattet, aber offenbar veranlassen die gewonnenen Eindrücke Schock-Werner dazu, ungewohnte Zurückhaltung im Erteilen von guten Ratschlägen zu üben. Gleichwohl bevorzugt sie eine weniger brandgefährliche, moderne Dachkonstruktion aus Stahl, räumt aber ein, die französischen Kollegen hätten zu Recht Bedenken, es könne die gesamte steinerne Mauerlast der Kirche nach innen wegbrechen, weil ein stählerner Dachstuhl zu leicht sei um das Gleichgewicht der Kräfte zu sichern. Als Ausweg sieht sie eine zusätzliche Betonkonstruktion, damit habe man bereits beim Wiener Stephansdom Erfahrungen sammeln können.


    Wie auch immer der Wiederaufbau von Notre-Dame de Paris gestaltet sein wird, Präsident Macron hat bereits den bisherigen strengen Denkmalschutz gelockert.


    Das erlaubt nicht nur den für die Baumaßnahmen notwendigen Abriss einiger die Kirche allzu eng umstehender Gebäude, sondern auch das Verbauen "unhistorischer" Materialien und Brandschutzvorrichtungen.

  • Haben die nicht genug Spenden gesammelt um das ganze Ding notfalls abzureißen und wieder neu zu errichten? Bei einer Kirche sind hauptsächlich die Reliquien wichtig, und die haben doch alle überlebt mein ich. Statuen, Fenster und sonstige Verzierungen kann man ja abtragen und für den Neubau verwenden.


    Ich mein, ich bin da gewissermaßen schon ein wenig Experte. Habe das 1248 schon mal alles gemacht :D

  • Wie kompliziert und kunstvoll gotische Kathedralen aufgebaut sind und welch großartige Leistung ihre französischen Architektur-Pioniere und Baumeister erbracht haben, zeigt uns der Kunsthistoriker Andrew Tallon am Beispiel der "Mutter" aller gotischen Kathedralen, Notre-Dame de Paris.
    Mit Hilfe von Laserscans spürte er der Konstruktion nach und korrigiert unser bisheriges Wissen.
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    Der Bericht ist ein echtes Leckerchen - Danke an Compi, der ihn aufgespürt und mir zugesandt hat!

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    L E S E N

    unbedingt empfehlenswert!

    :thumbup:



    Tallons Laserscans offenbarten, dass einige der Säulen im Kirchenschiff der Pariser Kathedrale Notre-Dame nicht genau parallel zueinander stehen, da um bestehende Strukturen herumgebaut wurde.
    bild Andrew Tallon


  • Ein Netz schützt den Innenraum der Kathedrale von Notre-Dame vor herabfallenden Teilen. Das Foto entstand Mitte Mai 2019.
    © afp
    17.06.19 16:02
    Paris
    Notre-Dame: Gewölbe noch immer einsturzgefährdet

    • von Joachim Frank

    Die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner hat Notre Dame besucht.
    In der Pariser Kathedrale Notre-Dame sind die Gewölbe des Mittelschiffs auch zwei Monate nach der Brandkatastrophe vom 15. April akut einsturzgefährdet. Diese Erkenntnis konnte die Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsche Wiederaufbauhilfe, Barbara Schock-Werner, von einer der seltenen Besichtigungsgelegenheiten für auswärtige Besucher mitnehmen.


    „Chef-Architekt Philippe Villeneuve ist sehr unsicher, ob die Gewölbe des Mittelschiffs zu retten sind“, berichtete die ehemalige Kölner Dombaumeisterin. „Er fürchtet, dass die vom Löschwasser durchnässten Wände bei der Trocknung in der Sommerhitze Schaden nehmen – wenn etwa der aufgequollene Mörtel zu arbeiten beginnt und sich dadurch die Wände verziehen.“ Streben aus Metall, die zurzeit angefertigt werden, sollen verhindern, dass die außen gelegenen Strebebögen die Wände nach innen drücken. „Diese Gefahr besteht, weil nach dem Einsturz der Gewölbe die entgegenwirkende Auflast fehlt.“


    Notre-Dame: Mauerwerk wird ständig kontrolliert
    Mit Hilfe zahlreicher Messpunkte werde das Mauerwerk ständig kontrolliert und jede Bewegung dokumentiert. In den 28 Stützachsen soll zur weiteren Stabilisierung je eine Leimbinder-Balkenkonstruktion auf die Kirchenmauern gelegt werden. Die mächtigen Bauteile lagern bereits auf der Nordseite vor der Kirche.


    Vier Wochen nach ihrem ersten Besuch zeigte sich Schock-Werner „sehr beeindruckt“ vom Fortschritt der Aufräumarbeiten und der Gebäudesicherung. In der Mitte des Langhauses liege zwar immer noch ein Haufen Schutt, „aber der ist längst nicht mehr so groß“. Auf dem Platz vor der Kirche stehen große Zelte, in denen geborgene Teile gesichtet und für eine mögliche Wiederverwendung deponiert werden.


    Belastung durch giftiges Blei nach dem Brand in Notre-Dame
    Der gesamte begehbare Bereich des Innenraums – Seitenschiffe, Chorumgang und Kapellenkranz – werde täglich abgesaugt, berichtet Schock-Werner. Die Belastung des Staubs und damit der Atemluft durch das giftige Blei der im Feuer geschmolzenen Dachabdeckung seien erheblich. Auch deshalb wollen die Verantwortlichen nach wie vor möglichst niemanden in die Kirche lassen, der dort nicht zwingend zu tun hat. „Mit bloßem Auge gut erkennbar, habe ich in den nicht gesäuberten Teilen überall kleine Bleitropfen herumliegen sehen.“


    Ob der vom Feuer zerstörte Dachstuhl originalgetreu in Holz oder stattdessen – wie etwa im Kölner Dom – als Stahlkonstruktion wiedererrichtet und in welcher Form der eingestürzte Dachreiter ersetzt wird, das ist offiziell die Entscheidung des französischen Präsidenten und des Senats. Architekt Villeneuve präferiert einen hölzernen Dachstuhl und eine Rekonstruktion des Vierungsturms aus dem 19. Jahrhundert, so dass die Silhouette von Notre Dame wieder so aussähe, wie sie den Parisern und Touristen aus aller Welt vertraut war. Bis dahin aber braucht es, so Schock-Werner, vor allem dreierlei: viel Zeit, viel Arbeit – und viel Geld.


    (Frankfurter Rundschau)

  • Die statischen Zusammenhänge sind mir als gelerntem Zimmermann nur zu klar. Hoffentlich gewinnen sie den Wettlauf gegen die Zeit. Es wäre wirklich der worst case, wenn die Außenmauern nach innen gedrückt würden.


    Am Geld sollte es nach den Großspenden doch nicht liegen, oder?

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