Vor ein paar Tagen wurde die Deutsche Einheit gefeiert, mit einem festlichen Staatsakt in würdigem Ambiente, der Dresdner Frauenkirche. Welcher Ort könnte wohl symbolträchtiger sein?
Dresden, das neben Leipzig durch seine Montagsdemonstrationen den Anstoß zur politischen Wende gegeben hatte, die Frauenkirche, im Feuersturm vom 13. zum 14. Februar 1945 durch alliierte Luftangriffe nahezu restlos zerstört und mittlerweile in früherer Pracht wieder errichtet. Ein Mahnmal gegen den Krieg und für Versöhnung.
Nur das Publikum wollte nicht so recht passen. Jedenfalls Jene nicht, die sich "Das Volk" nennen und draußen vor der Kirche den Besuchern des Festaktes einen schrill ungastlichen Empfang bereiteten.
Unter ohrenbetäubendem Einsatz Hunderter Trillerpfeifen brüllte, gellte, skandierte man in Richtung Kanzlerin und Regierungsvertreter "Volksverräter!", "Muss weg!", "F*tze!", u.a.m. . Begleitete mit äffischem Gegrunze dunkelhäutige Kirchenbesucher und schrie ihnen "Abschieben!" ins Gesicht.
Drinnen bemühte man sich um Contenance und Konzentration auf den Ablauf der Feierstunde.
Business as usual also?
Ach, hätte doch der Bundespräsident sich ein Mikrofon geschnappt und dem selbsternannten "Volk" draußen ein paar deutliche Worte gegönnt!
Vielleicht hätte er der Mehrzahl der Anwesenden, die sich nicht gemein machten mit der phonstark auftretenden Minderheit ein Zeichen gesetzt. Aufzustehen gegen diese unsäglich dummen und unverschämten Pöbeleien. Mut gemacht, sich nicht alles bieten zu lassen "im Namen des Volkes". Auch nicht im Namen "der Dresdner".
Denn es ist nicht Alles durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Beleidigungen und Diskriminierungen gehören nicht dazu.
Komme mir jetzt bitte Niemand mit so netten Spitzfindigkeiten wie, was eine Beleidigung sei bestimme allein das betroffene Individuum. Das ist Stuss, weiß auch Jeder. Ebenso, dass Beleidigungen justiziabel sind.
Man müsste sich halt drum kümmern.
Müsste? Muss!
Sonst senkt sich die Hemmschwelle immer noch mehr, und sie hat doch jetzt schon einen unfassbaren Tiefstand erreicht.
Ach so, wer mir einreden will, die Politiker seien doch selber schuld an den ihnen zugedachten Schimpfkanonaden, schließlich seien sie mit "Pack!" und Stinkefinger als schlechtes Beispiel vorangegangen, möge bitte einen Augenblick innehalten und die Fakten sortieren:
Sigmar Gabriel hat seinen Ausspruch "Bei uns zuhause würde man sagen, das ist Pack, was sich hier rumgetrieben hat." nicht auf politisch Andersdenkende bezogen, sondern unmissverständlich auf Diejenigen gemünzt, die für die Ausschreitungen in einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau verantwortlich waren.
Seinen Stinkefinger hat er in Salzgitter, nach vergeblichen Versuchen mit ihnen ins Gespräch zu kommen, müde abwinkend einer Gruppe vermummter Neonazis entgegengereckt, die ihm allen Ernstes vorwarfen ein "Volksverräter" zu sein, und zwar explizit im Gegensatz zu Gabriels Vater, zeitlebens ein bekennender Nationalsozialist - "Mensch, dein Vater hat sein Land geliebt. Und was tust du? Du zerstörst es.“
Suboptimale Reaktion? Ja. Aber die Provokationen waren eben nicht vom Politiker ausgegangen.
Keine Legitimation für "Volkes" beleidigte und beleidigende Pöbeleien also.