Als ich das erste Mal von einer sehr jungen Kellnerin mit "Du" angesprochen wurde, habe ich nicht reagiert.
Erst ihr beharrliches "Hast du schon etwas gefunden?" ließ mich von der Speisekarte aufblicken und verwirrt registrieren, dass ich selbst gemeint war.
"Du"?
Die beflissene Servicekraft war höchstens halb so alt wie ich, ich hatte sie nie zuvor gesehen. Sie sah auch keinem meiner Freunde oder Freundinnen so ähnlich, dass ich sie eventuell als deren süßer Hosenmatz oder rosa Prinzesschen kennengelernt und irgendwie die Zwischenphase zum Erwachsenwerden verpasst haben konnte.
Einigermaßen verwirrt gab ich meine Bestellung auf, wobei ich mich nicht erinnere, welche Anrede ich gewählt habe.
In der Folgezeit passierte es mir immer öfter, von wildfremden Menschen geduzt zu werden.
Nicht, dass ich etwas gegen einen locker freundlichen Umgangston hätte, bewahre. Nur, ich habe immer schön gefunden, dass die deutsche Sprache mir die Möglichkeit zu differenzieren bietet. Ein kleines Wort nur um Distanz oder Nähe auszudrücken. Wunderbar.
Im schnöden Alltag hat sich's als Abstandshalter bewährt. Nahezu unverzichtbar wird es bei der Kunst des Flirtens.
Wie prickelnd ist doch -einem Fächer gleich- das distanzierende "Sie" als 'Barriere' zu nutzen, während die Wirkung des Lächelns und der Augensprache das Ihrige tut. Um dann allmählich die Distanz zu verringern, bis -vielleicht- das "Du" angeboten wird.
Angeboten - nicht übergestülpt !
Mancher Flirt blieb gerade wegen der Spannung zwischen Anrede und Körpersprache umso nachhaltiger in Erinnerung.
Ein "Du" als Geschenk, eine Besonderheit.
In deutschen Landen scheint es vorbei damit.
In Bloggerkreisen hat sich längst das "Du" durchgesetzt, kleingeschrieben. Der Auskunft heischende Tourist, vor allem der Ausländer, wird ebenso geduzt, wie der alte Mensch, dem zugleich noch der Verwandtschaftsgrad "Oma" oder "Opa" verpasst wird. Die allgegenwärtige Werbung brüllt, kreischt, jault uns unterschiedslos "du"zend ihre Verkaufsbegehren in Auge und Ohr.
Zuletzt erzählte man mir, eine weiterführende Schule im Raum Bonn habe nach langer Diskussion das allgemein verbindliche "Du" für SchülerInnen und LehrerInnen beschlossen. Begründung: Das Verhältnis von Nähe und Distanz solle "neu erfahren", die Gleichwertigkeit der Schulgemeinde-Mitglieder unterstrichen werden.
Kann man so sehen, keine Frage.
Aber wenn ich mir vorstelle, einige meiner früheren Pauker duzen zu sollen. Danke. Nein, danke.
Übrigens: "Sie Ar***loch!" klingt für mich immer noch wirkungsvoller, als "Du Ar.......!"
Und selbst?
Siezen Sie noch, oder duzt du schon?