Warum macht der Doof die Türen nicht mehr auf

  • Ich schrieb im Jahr 2007 bei den Stadtmenschen einen Blog, in dem ich erklärte, warum wir Fahrer nicht immer jeden Nachzügler noch mitnehmen können.


    Im Moment kocht dieses Thema auf der Facebook-Seite der KVB wieder hoch. Darum hatte ich dort meinen alten Text eingestellt. Die KVB bat mich, ihn zu verlinken. Da die Stadtmenschen aber seit geraumer Zeit mausetot sind, veröffentliche ich den alten Text an dieser Stelle noch einmal, um dann nach hier verlinken zu können.





    Gleich werde ich einen Fachbegriff benutzen: IBIS…. Das Ding heißt ausgeschrieben: Integriertes-Board-Informations-System. Es kann eine Menge. Vom Steuern des Verkaufsautomaten über die Abwicklung der Funkgespräche bis hin zur Kommunikation des Zuges mit dem Stellwerk gibt es kaum etwas, was nach IBIS-Ausfall noch funktionieren würde. Uns interessiert aber heute nur eine Fähigkeit: Das IBIS sagt mir auf 10 Sekunden genau, wie viel ich zu früh oder zu spät bin. Wer wissen möchte, wie genau das funktioniert, kann mich ansprechen. Ist aber heute nicht Thema. Noch was: Ich habe immer einen Funk-Wecker dabei, der mir die genaue Zeit zeigt.

    Es werden gleich immer wieder zwei Abkürzungen auftauchen: I=IBIS, F=Funkuhr

    Wir befinden uns an der Endhaltestelle Weiden-West. Es ist 7:25 Uhr am 3. Mai 2007

    Der Berufsverkehr läuft, die Schüler (mehr oder weniger liebevoll Gremlins genannt) sind unterwegs, es wird knackig! Noch 4 Minuten bis zur Abfahrt. Die S-Bahn spuckt noch einen Schwung Menschen Richtung Straßenbahn aus.

    F: 7:28:40, I: -0:20 (Noch ne Erklärung: Minus bedeutet beim IBIS: zu früh, Plus zu spät)

    Ich fordere Ausfahrsignal an. Ein paar Nachzügler hasten noch von der S-Bahn zur letzten Türe meiner Bahn.


    F: 7:29:15 Signal steht auf Fahrt, Türen sind zu. Es geht pünktlich los.

    Bis Weiden Zentrum alles im grünen Bereich. Aber jetzt rennen vom EKZ rechts kommend noch ein paar Schüler bei Rot über die Aachener Straße. Hupende Autofahrer…aber das ist eben der tägliche Wahnsinn. Ihre Kumpels in der Bahn blockieren die Türen.

    I: +0:40

    Junkersdorf: Alles wieder im Lot. F: 7:37, I: -00

    Alter Militärring F:7:39:40, I: +40

    Eupener Straße F: 7:41, I: +1:00

    Tja, wäre alles nicht so tragisch, wenn ich denn in die nächste Haltestelle reinkäme. Aber die Haltestelle Clarenbachstift hat eine Besonderheit. Vor der Einfahrt kreuzt eine Bahntrasse der HGK die Aachener Straße. Und wenn sich ein Güterzug vor der Straßenbahn beim Stellwerk angemeldet hat, bleibt das Einfahrsignal auf Rot. Im Berufsverkehr der Super-GAU für jeden Straßenbahnfahrer.

    Nach drei Minuten und gefühlten 50 Kesselwagons ist der Zug endlich durch und ich kann in die Haltestelle.

    F: 7:45, I: +4:00

    Jetzt gilt: Augen zu und durch und beten, dass die Linie 7 Verspätung hat.

    Aachener Straße/Gürtel: F: 7:47:30, I: +3:30


    Normalerweise ist planmäßige Abfahrt um 7:44 und die Linie 7 aus Frechen kommend fährt um 7:48 in Richtung Porz. Wenn die 7 pünktlich sein sollte, habe ich endgültig die Arschkarte. Ich bekomme Fahrt, rolle los und sehe rechts die 7 in die Haltestelle einfahren.
    Uff!! Noch ens jot jejange.


    Melaten: Etwa 200-300 Gremlins verlassen den Zug. I: +4:00

    Einfahrt in die Haltestelle Universitätsstraße. In dem Moment, wo ich die Türen öffne, schaltet mein Ausfahrsignal auf Halt. Könnte nicht besser laufen. So kann der Fahrgastwechsel während der Rotphase über die Bühne gehen.


    I: +3:00 Eine Minute gut gemacht.

    Die nächste Haltestelle, Moltkestraße, ist auch so eine Wundertüte. Setzt sich von rechts kommend ein Bus der Linie 136/146 vor die Bahn, oder hat man freie Fahrt in den Rudolfplatz..? Heute ist mein Glückstag. Während ich aus der Haltestelle rolle, I: +1:50, fährt
    rechts ein 136 in seine Haltestelle ein. Mein Kollege macht kein besonders fröhliches Gesicht.


    Jetzt hängt alles davon ab, so schnell wie möglich aus dem Rudolfplatz zu kommen. Planmäßig müsste ich um 7:51 los. Es ist aber schon 7:53 und ein paar Zerquetschte. Wenn ich jetzt noch Zeit verlieren sollte, rutscht am Neumarkt die Linie 9 vor mich, obwohl sie zwei Minuten hinter mich gehört.

    Die Türen schließen sich, aber leider nicht alle. Im Außenspiegel sehe ich ein Bein, das in rhythmischen Abständen von innen nach außen schwingt, um der Lichtschranke und damit auch mir ein Schnippchen zu schlagen. Ein „freundlicher“ Fahrgast, der Nachzüglern die Türe aufhält. Ob ich an diesem Tag „Launisches Wiesel“ ... Nickname eines damaligen Mitbloggers ...im Zug habe? ;-))

    Um 7:54, meiner Abfahrzeit Neumarkt, „darf“ ich dann endlich den Rudolfplatz verlassen. Schon von weitem sehe ich die 9 von der Mauritiuskirche kommend in den Neumarkt einbiegen. Das wars dann mit der Pünktlichkeit endgültig. Ich stelle mich als zweiter Zug artig an. Die 9 bekommt die Kiste bis unters Dach voll. Klar, der arme Kerl darf auch die Fahrgäste mitnehmen, die ich eigentlich
    schon „abgeräumt“ hätte. Durch dieses Mehr an Fahrgästen verspätet sich jetzt auch die 9


    Nachdem ich dann endlich auch meinen Fahrgastwechsel durchführen konnte und aus der Haltestelle rolle, zeigt die Uhr 7:59
    und das IBIS +5:00
    Der Kollege auf der 7 (ihr erinnert euch an Aachener Str./Gürtel ??) hinter mir verdreht wahrscheinlich auch schon die Augen.

    Vor der Einfahrt in den Heumarkt stehe ich an dieser grauenhaft geschalteten Baustellenampel eine weitere Minute blöde rum. Den Heumarkt verlassen wir mit 6:30 Verspätung. Bis zur Haltestelle Kalk-Kapelle schiebe ich die Linie 9 vor mir her. Der Kollege bekommt kein Bein mehr auf den Boden. Klar, mein Zug mit einer Kapazität von ca. 500 Fahrgästen fehlte vor ihm. Und das schaukelt sich logischerweise hoch. Je mehr die 9 sich durch erhöhtes Fahrgastaufkommen verspätet, umso mehr Fahrgäste sind mittlerweile in der nächsten Haltestelle eingetroffen.

    Nachdem die 9 Richtung Königsforst abgebogen ist, habe ich freie Bahn. Ich gebe dem „Pferdchen die Sporen“. Aber von den 8 Minuten Verspätung, die ich Kapelle noch hatte, kann ich bis Bensberg mal gerade 2,5 Minuten gut machen.

    Geplante Ankunft in Bensberg: 8:24, tatsächliche Ankunft: 8:29 und 30 Sekunden.


    Planmäßige Rückfahrt nach Weiden: 8:31

    Mir bleiben also 1,5 Minuten zum Fahrerstandwechsel. Pinkelpause gestrichen.

    So, das war das. Nichts dazu gedichtet, nichts weggelassen. So und nicht anders lief gestern diese Fahrt. Kann mir jemand verraten, wo und wann ich hätte Zeit haben sollen, mit freundlichem Lächeln auf Nachzügler zu warten..???

  • hahahahahahaha, niedlich diese Uhrzeitangaben. Jauuuuuuuuuuuuuuuuul.

    Im wilden Venezuela so etwas einfuehren zu wollen, waere so absurd, wie der Versuch, einem Doitschen die Unwichtigkeit puenktlicher Fahrzeiten klarzumachen :D

    Obwohl es bei uns KEINE Puenktlichkeit gibt, haben diesen Umstand saemtliche Venezolaner freudestrahlend "ueberlebt". Sie hassen Puenktlichkeit und lassen dementsprechend oft ihre Termine "sausen" und die Gespraechspartner unbeeindruckt stehen. Erbost ist deshalb niemand. Nur dat jecke Lama reecht sich immer wieder aufs Neue ueber diese Monos auf ^^



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