Bilitis oder die freie Liebe in den 70ern

  • Ich sehe eigentlich an jeder Form von freizüglichen, einvernehmlichen Sex nichts unmoralisches.


    Was mich nun interessieren würde ist deine persönliche, subjektive Sicht auf das heutige und damalige Sexualverhalten. Du hast damals ja quasi die sexuelle Revolution anscheinend mitgemacht. Was gefällt dir persönlich besser? Die absolute, sexuelle Freiheit, wie man einst propagierte und experimentierte, oder die Neigung zu Prüderie und Enthaltsamkeit, so wie es mittlerweile wieder zum Trend wird?


    Ich selber stelle mir die Idee der sexuellen Freiheit zwar in erster Linie ganz reizvoll vor, aber letztendlich frag ich mich, ob man damit wirklich so emotional und hormonell diszipliniert umgehen kann, wie es erforderlich ist. Verliert der Geschlechtsverkehr mit einer Person, die man wirklich liebt, dann nicht auch an Wert? Verliert Sex nicht sowieso an Reiz, wenn man ständig von ihm umgeben ist? Ich kann mir denken, daß es lange nicht mehr so spannend ist einen nackten weiblichen Körper zu sehen, wenn man 24h Stunden am Tag von nackten Frauen umgeben ist (Gut, münz es für dich um auf männliche Nacktheit ^^).


    In der heutigen, von Internetpornographie geprägten, Jugend ist die sexuelle Auslebung wieder rückläufiger geworden. Man steht schon in jungen Jahren unter den Eindrücken von professionellen Sexdarbietungen und fürchtet sich nunmehr diese überzogenen Vorgaben nicht leisten zu können. Deswegen neigen Jugendliche jetzt wieder vermehrt dazu ihren ersten Sex auch erst in einer ernsten Beziehung zu haben, statt wie es noch in den 90ern war, so früh und häufig wie möglich und egal mit wem.


    Mich würde mal deine Meinung zu all dem interessieren :)

  • Dass David Hamilton heute zensiert wird, wusste ich nicht. Denn sein künstlerisches Werk hat mich nie sonderlich interessiert.


    Zur veränderten Rolle der Sexualität: Vor ein oder zwei Jahren sah ich mal eine Talkshow, in der unter anderem Oswald Kolle und ein katholischer Jüngling über dieses Thema diskutierten. Der Katholik bekannte sich dazu, keinen Sex vor der Ehe haben zu wollen. Sandra Maischberger, die Moderatorin, wandte sich zu Kolle und fragte ihn, ob er das als Rückfall in die fünfziger Jahre betrachtete.


    Nein, meinte Kolle lächelnd: Uns ging es darum, sich frei entscheiden zu können. Wenn der junge Mann der Meinung sei - warum nicht?


    Heinz: Ich bin nicht nur böse, sondern auch skeptisch. Vor allem, wenn es um "gesellschaftliche Trends" geht. Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass man heute beim ersten Sex älter ist als früher?


    Die "sexuelle Befreiung" in den siebziger Jahren verlief sicher nicht nur emanzipatorisch und konfliktfrei. Es gibt menschliche Gefühle wie Eifersucht, die auch "die tollen 68er" nicht abschaffen konnten. Und ich habe den Eindruck, dass auch linke Aktivisten das "Recht auf Partnerwechsel" vor allem dem eigenen Geschlecht zubilligten.


    Ob diese offenen Beziehungen wirklich funktioniert haben - ich weiß es nicht.


    Guter Sex muss nicht unbedingt etwas mit Liebe zu tun haben, wobei ich ehrlich gesagt mit diesem Begriff nicht viel anfangen kann. Guter Sex beinhaltet für mich auch, bei einem One-Night-Stand den Bett- oder Tisch- oder Waschmaschinen- oder Duschpartner zu respektieren.


    Liebe - schon das Wort hört sich kitschig an - in meinen Augen.

  • Zitat

    Sexklamauk, sie waren mit der zugehörigen Altersbeschränkung versehen, kamen ohne Lolitamotive aus (oder?)

    Da bin ich nicht so sicher. Bedienten nicht die "Schulmädchenreport"-Filme genau dieses Klischee?


    Zitat

    Ich frage mich schon, ob man als Mädchen nicht eine Art Freiwild war . Ob man selbst vielleicht einfach nur naiv war. War wirklich alles so ´frei oder waren Jugendliche nicht im Zugzwang zu beweisen, dass sie nicht verklemmt waren.

    Einen gewissen Zugzwang und oft auch selbst auferlegten Leistungsdruck hat es sicher gegeben. Dennoch meine ich, dass Frau oder Mädchen überwiegend 'frei' und selbstbestimmt mit sich und ihren von Testosteron überschwemmten und neue Sexualität feiernden Partnern umgehen konnte.
    Der Mann, der meinte strunzen zu sollen und mit dem blöden Spruch: "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment." aufwartete, hatte in der Regel schon nach dem ersten Mal die Rote Karte gesehen :D oder bekam sie spätestens jetzt.


    Zitat

    wurde damals übers Ziel hinaus geschossen?

    Ich denke schon, ja.
    Es war ja nicht nur die Sexualität - hinzu kamen auch noch die Politik, das Leben in neuen Wohnformen, Experimente mit Drogen, die Auseinandersetzungen mit der Elterngeneration und dazu Schule, Studium oder Broterwerb...und überall sollte ratzfatz restlos alles infrage gestellt werden und kam auf den Prüfstand.


    Da wurde schon mal das verträgliche Maß aus den Augen verloren. ;)



    Zitat

    Ich habe den Rat älterer Frauen vermisst. Außer dass unsere Mütter mit uns mit 14 beim Frauenarzt waren, damit man rechtzeitig die Pille bekam, war da wenig Rat.

    Ist das nicht immer noch so?
    Oder kennst du ernsthaft Mütter, die ihre Töchter (oder gar Söhne 8| ) offen in Fragen der Sexualität und Liebesbeziehung beraten?

    Wer Glück hat, findet vielleicht eine Tante oder ältere Freundin als Vertrauensperson oder hat eine unangepasste Oma, die ihre Schamgrenze überwindet und Weisheiten ausplaudert...


    Keine Ahnung, ob es in anderen Gesellschaften anders abläuft, aber so wie ich das sehe, ist bei uns das Schweigen trotz aller Tabubrüche immer noch ausgeprägt.

  • Ach, übrigens, wie war das noch?

    Zitat

    Tex
    Wäre ich böse, würde ich sagen: Ein Kinderschänder kann immer noch die Grünen wählen.

    Zitat

    Heinz K
    Die Grünen sind bekannt als Kinderschänderpartei ....


    Guckt mal hier:

    Zitat

    Indes muss nicht nur ein wichtiges Kapitel der Geschichte der Grünen neu geschrieben werden. Die Göttinger Forscher sind im Zuge ihrer Recherchen auf Spuren der FDP gestoßen.
    Wie die Grünen, so votierten im Jahr 1980 auch die „Deutschen Jungen Demokraten“, die Jugendorganisation der FDP, für eine Änderung des Sexualstrafrechts zugunsten Pädophiler.


    Quelle

  • Was mich nun interessieren würde ist deine persönliche, subjektive Sicht auf das heutige und damalige Sexualverhalten. Du hast damals ja quasi die sexuelle Revolution anscheinend mitgemacht.

    @Heinz
    Nein, du irrst. Ich gehöre nicht zur Generation der "großen Revoluzzer". Wir waren die danach ;)

    Zitat

    Was gefällt dir persönlich besser? Die absolute, sexuelle Freiheit, wie man einst propagierte und experimentierte, oder die Neigung zu Prüderie und Enthaltsamkeit, so wie es mittlerweile wieder zum Trend wird?

    Mir persönlich die Freiheit.
    Jeder wie er will und kann. Wichtig ist die Wahl zu haben, der Rest ist persönliche Neigung. Niemand sollte sich für seine sexuellen Neigungen rechtfertigen müssen, solange er die Grenzen anderer respektiert und niemanden damit belästigt, oder schlimmer quält oder misshandelt.


    Zitat

    Ich selber stelle mir die Idee der sexuellen Freiheit zwar in erster Linie ganz reizvoll vor, aber letztendlich frag ich mich, ob man damit wirklich so emotional und hormonell diszipliniert umgehen kann, wie es erforderlich ist.

    Wie ist es denn "erforderlich"?
    Das muss doch jeder für sich selbst herausfinden und beantworten, weil jeder anders ist. Ich kann dir auch nur sagen, dass Schokolade süß schmeckt, ob du sie verträgst, wieviel davon, ob sie dir überhaupt schmeckt und welche Sorte am besten, wirst du nur herausfinden, wenn du sie ißt :)

    Zitat

    Verliert der Geschlechtsverkehr mit einer Person, die man wirklich liebt, dann nicht auch an Wert?

    Nein.

    Zitat

    Verliert Sex nicht sowieso an Reiz, wenn man ständig von ihm umgeben ist? Ich kann mir denken, daß es lange nicht mehr so spannend ist einen nackten weiblichen Körper zu sehen, wenn man 24h Stunden am Tag von nackten Frauen umgeben ist (Gut, münz es für dich um auf männliche Nacktheit

    *lach* hilfe, du hast aber auch Vorstellungen ;)


    Klar. Wir saßen von morgens bis abends nackischt in der Küche. Zum Frühstück gab's Freud, Adorno und Marcuse, dazu ein bisschen Essen, ein bisschen Sex. Als Zwischenhäppchen auch mal etwas Postmoderne von Baudrillard:

    Zitat

    Postmoderne hieß für Baudrillard : Die Zivilisation hat ihren Siedepunkt überschritten, von nun an wird sie erkalten. Sie tritt auf der Stelle, und es wird viel passieren, aber nichts mehr geschehen. Die Ereignisse finden nicht mehr statt, und wenn, dann nur noch als Simulation auf dem Bildschirm. In der neuen Ära, der Ära der Nachgeschichte, gibt es weder Wahrheit noch Politik. Nietzsche, so Baudrillard, habe sich noch mit dem Tod Gottes herumgeschlagen; wir, die endgültig Modernen, aber hätten es mit dem Verschwinden der Geschichte und dem Ende der Politik zu tun. Die Achtundsechziger waren die letzte Zuckung im historischen Lauf der Dinge, danach begann die »Agonie des Realen«, die »große Absorption«, das elende Verschwinden.

    was uns darin bestätigte, dass wir eine Gemeinde der Wissenden waren. Das Abendprogramm bestand aus Disco (pssst!), de Sade, Lady Chatterly oder Casanova als kleine Nachtlektüre, davor oder danach, du weißt schon. Alles ganz zwanglos, völlig unverkrampft, worauf man grade Lust hatte. Beim Sex wurde geteilt. Alles zur Erforschung des Wechselverhältnisses zwischen Sexualtrieb und sozialem Verhalten, Persönlichkeitsstörungen und Neurosen. Alles gesellschaftspolitisch relevante Themen. Die Joghurtbecher im Kühlschrank trugen Namensschildchen.

    Wer sich für ein Zimmer bewarb unterzog sich einem Gesinnungstest. Wenn wir Bock hatten wurde der Bewerber flitzen geschickt, danach wurde gemeinsam abgestimmt, auch über das Heizöl. Wer altmodische Besitzansprüche an Partner geltend machte, musste sich vor dem Plenum erklären. Bekam er diese kleinbürgerliche Krise nicht in den Griff, war er untragbar, Kündigung folgte. Nebenbei wurde studiert, zugegeben die Malocher hatten es etwas schwerer, sie litten unter Schlafmangel, beklagten sich über Unverständnis, auch darüber wurde diskutiert. Man kannte sich in und auswendig und hatte meist nach Auszug keinen Kontakt mehr miteinander. Schließlich entwickelt man sich weiter ...
    (Zum besseren Verständnis: das ist eine Glosse, kein Erlebnisbericht)
    :))))


    Zuviel ist immer schlecht, egal von was.

  • Ist das nicht immer noch so?
    Oder kennst du ernsthaft Mütter, die ihre Töchter (oder gar Söhne ) offen in Fragen der Sexualität und Liebesbeziehung beraten?
    Wer Glück hat, findet vielleicht eine Tante oder ältere Freundin als Vertrauensperson oder hat eine unangepasste Oma, die ihre Schamgrenze überwindet und Weisheiten ausplaudert...


    Keine Ahnung, ob es in anderen Gesellschaften anders abläuft, aber so wie ich das sehe, ist bei uns das Schweigen trotz aller Tabubrüche immer noch ausgeprägt.

    Ja, das ist wohl noch so.
    Ich habe irgendwo einmal einen Bericht gelesen oder gesehen über das Leben in einer Dorfgemeinschaft früher. Der Bericht handelte auch von alten Backhäusern, in denen die Dorffrauen sich trafen zum Teig machen, kneten und backen. Dabei wurde von Frau zu Frau erzählt, wissen von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben. Seit dem denke ich oft, so etwas fehlt heute. Vielleicht gibt es ja Kreise in denen solche intimen Themen besprochen werden und ich kenne einfach keine. Ich möchte auch nicht zurück in alte Dorfbackhäuser ;) Aber es gibt keine sozialen Dienste, die so etwas ersetzen können.

  • Seit dem denke ich oft, so etwas fehlt heute.


    Ja, das fehlt im Zeitalter der Globalisierung und Anonymisierung. Facebook und Twitter können das nicht ersetzen.


    Soziale Dienste? Notwendig und sinnvoll, aber für mich trotz allem ein Surrogat. Es stimmt allerdings, dass grade bei "intimen" Fragen, ein gewisser Abstand hilfreich ist. Sonst würden ja wohl kaum so viele ihr Innerstes ins Internet schütten ... ?(


    Bei den 70ern denke ich besonders an heillos durchdiskutierte Nächte. Und dann fällt mir Reinhard Mey ein: Annabelle ein.


    Niemand wird so schnell zum "Spießer" wie diejenigen, die keine Spießer sein wollen :)

  • Weils so gut ins Thema passt und genau beschreibt was ich anfangs meinte:
    Aus einem Zeitartikel :

    Zitat

    Dannenberg:

    Die theoretischen Grundlagen muss man lange vor der sexuellen Revolution von 1968 suchen. Schon Freud hat den basalen Fehler begangen, von frühkindlicher Sexualität zu sprechen. Seine These war ja, das Kind begehre den gegengeschlechtlichen Elternteil und die Verdrängung dieses inzestuösen Wunsches führe zu Neurosen. Daraus lässt sich leicht folgern, dass man ein Kind aktiv vor dieser Verdrängung bewahren müsse, indem man seine "Sexualität" entsprechend bejahe und fördere. Wilhelm Reich schrieb später, autoritäre Triebunterdrückung führe zu Faschismus. Theorien wie diese haben zu Missverständnissen geführt, die schließlich in der Aussage münden konnten: Pädophilie ist befreite Sexualität und damit befreite Gesellschaft. Vielleicht sollten wir endlich überdenken, ob man die kindliche Neugier und Körperlust überhaupt mit dem Begriff Sexualität belegen sollte.

    [align=-webkit-auto] Quelle

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