Der Friedhof in Prag/Umberto Eco
wie der Titel, eine Anspielung auf das Werk eines gewissen John Retcliffe schon andeutet: Ein Ausflug in die europäische Geschichte ab Mitte des 19. JH. Viele aufklärende, historische Details zusammengefügt mit schelmischen Humor und serviert als komplexe Verschwörungstheorie. Vorsicht, nicht alles für bare Münze lesen, es geht um Fälschungen. Dank Internet ist das Nachlesen und Auffinden von Begleitmaterial zum Buch kein Problem (und nötig). Das Buch wurde von der Kritik genau deswegen verrissen. Was ich am Ende der Lektüre sagen werde ist offen, die Rahmenhandlung erscheint mir etwas beiläufig und zum Anhäufen des historischen Materials missbraucht. Bis in die Mitte war es für mich genau wegen der geschichtlichen Quellen und Verweise jedoch spannend, sprachlich gesehen lese ich einen Eco meist gerne.
Auszüge:
Zitat... aber es erschien, dass der Kern der Geschichte die permanente Drohung dreier unheilvoller Kräfte war, die untergründig die Welt berherrschten, nämlich der Freimaurer, der Katholiken, insbesondere der Jesuiten, und derJuden die sich auch unter die beiden ersteren mischten, um die Fundamente der Reinheit der teutonisch-protestantischen Rasse zu untergraben. ...
Zitat"Man muss zurückgehen bis auf das was Martin Luther über die Juden gesagt hat :", sagte Goedsche , " ein solch bis ins Mark verböstes, durchgiftetes, verteufteltes Ding, sei es um diese Juden, jahrhundertelang seien sie unsere Plage, Pestilenz und Unglück gewesen und sind es noch."
ZitatDenken sie nur an eine griechische Statue, welche Reinheit der Züge, welche Anmut und Eleganz der Gestalt, nicht zufällig wurde diese Schönheit mit Tugend gleichgesetzt, wer schön war, war auch gut, wie es auch bei den großen Helden unserer teutonischen Mythen der Fall war. Nun stellen sie sich vor diese apolls würden durch semitische Züge entstellt, mit dunklem Teint, finsteren Augen, krummer Nase, gedrungenem Körper. ..
Zitatdie christliche Legende, in der noch jüdische Elemente mitschwingen – schließlich hat Paulus sie begründet, ein asiatischer Jude, heute würden wir sagen: ein Türke–, hat uns eingeredet alle Rassen gingen auf Adam zurück.
Zitat... wir müssen an den Punkt zurückgehen, wo sich die Wege getrennt haben, also an den wahren nationalen Ursprung unseres Volkes, der nichts zu tun hat mit den Phantastereien der französischen "lumières" und ihrem Kosmopolitismus, ihrer égalité und ihrer fraternité universelle. Dies ist der Geist der neuen Zeit. Was man heute in Europa das Risorgimento, die Auferstehung eines Volkes nennt, ist die Berufung auf die Reinheit der ursprünglichen Rasse. Nur dass der Begriff – und das Ziel – allein für die germanische Rasse gilt, und es ist lächerlich, wenn in Italien die Rückkehr zur Schönheit von einst durch euren krummbeinigen Garibaldi repräsentiert wird und durch einen kurzbeinigen König und ... Was daran liegt, dass auch die Römer zur semitischen Rasse gehören.
Umberto Eco über sein Buch
und last not least kleiner, aktueller Hinweis zur Neuauflage von Hitlers "mein Kampf".