Das industrielle Kultursystem

  • Im Gegensatz zu den westlichen Märkten hat man auf die Bedrohungen aus dem Internet in Südkorea ganz anders reagiert. Man hat aus der Not eine Tugend gemacht, wobei natürlich auch die Größe des eigenen Marktes eine ganz besondere Not war. Man hat sich zwar auch um Restriktionen gegen Raubkopierer bemüht, allerdings hilft das beim Export in andere Länder natürlich wenig. Denn dabei waren Raubkopien und gerade die Vermarktung und unentgeltliche Verbreitung der Musik über Youtube die entscheidenden Faktoren. Es ist vor allem der sogenannte KPop, der sich in den südostasiatischen Märkten, und dabei ist es egal ob es sich um Japan, China, Thailand, Philippinen, Vietnam oder Malaysia handelt, durchgesetzt hat. In diesen Märkten dominiert mittlerweile keine englische Popmusik mehr, sondern die koreanische oder andere asiatische Musik. Das ist natürlich auch bedingt dadurch, daß es sich bei den genannten Ländern oftmals um große Schwellenländer handelt, mit riesigem Marktwachstum.
    Nichtsdestotrotz haben in dieser Region die westlichen Musikgesellschaften einiges an Marktanteilen eingebüßt. Etwas, was man natürlich auf unseren Märkten verhindern möchte. Im Westen herrscht immer noch der Glaube, daß man mit der freien Verteilung von Musik keiner Industrie helfen könnte. Da passt dieses Bild der koreanischen Erfolgsgeschichte natürlich so garnicht hierher. Das wird größtenteils totgeschwiegen, oder wer hat schon jemals von Hallyu oder KPop gehört, bevor er diesen Blog hier gelesen hat? :)


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    Ich will aber auch nicht unbedingt meinen, daß diese Art von Vermarktung und Raubkopierertum letztendlich jedem den großen Erfolg garantieren wird. Die koreanische Popmusik ist nicht nur deswegen auf der momentanten Erfolgswelle, weil sie diese digitalen Mechanismen für sich zu nutzen wusste, sondern weil sie in diesem Kontext auch Qualität bietet. Ähnlich wie es in der Vergangenheit eben die Amerikaner oder die Briten mal gemacht hatten. Sei es nun durch die optimierte Ausbildung von Poptalenten, die Ausarbeitung von Merchandise oder die Imagegestaltung. Das sind ebenso Faktoren, mit denen viele konkurrierende Musikindustrien nicht mehr Schritt halten können.
    Andererseits besteht natürlich die Möglichkeit, daß Korea nicht das einzige Beispiel dieser Art ist und es noch viele andere Musikkulturen auf dieser Welt gibt, die ebenfalls ihren Erfolg verdient hätten, aber im Westen größtenteils totgeschwiegen werden. Ich bin auch eher durch Zufall auf die genannte Entwicklung aufmerksam geworden, weil, wie gesagt, man hört, sieht und liest davon so gut wie nichts in unseren Land.

    Man sollte sich nie selbst zitieren, aber ich will nochmal speziell auf diese Passagen meines damaligen Beitrages verweisen, weil sich mittlerweile ja einiges ereignet hat diesbezüglich.


    Als ich vor zwei Wochen von einer alten Studienkollegin zu einer Hausparty eingeladen wurde bemerkte ich wie die mir größtenteils fremden Partygäste nach einigen Bieren anfingen einen imaginären Pferdetanz aufzuführen. Ich war verdutzt, weil mir der Tanz und der dazugehörige Gesang irgendwie bekannt vorkam, ich es nur erst nicht wirklich glauben wollte, weil das Lied, welches ich damit assozierte, unmöglich von so vielen zufälligen Menschen hätte gekannt werden können. Aber es handelte sich doch ums PSYs "Gangnam Style", wie man mir erklärte. Ein Lied mit dazugehörigen Video, daß mir auf einem eSport-Event ein paar Wochen zuvor (nicht die Gamescom ^^) als Pausenfüller bekannt gemacht wurde. Es handelte sich um jenen koreanischen Pop, den ich in meinem Blog hier beschrieben hatte, wie ihn eben nur Insider aus der Gamingszene vielleicht kannten. Das verwunderliche an den Partygästen war allerdings, daß sie nicht unbedingt typische Gamer waren (wenn überhaupt), noch in der Gaming-Branche arbeiten. Woher kannten die das also?


    Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste war, daß jenes Kpop-Video bereits weltweit bekannt war, in dutzenden Ländern die Chartspitzen erstürmte, selbst in den USA und Großbritannien auf Platz 1 der Charts landete, und sämtliche Youtube-Rekorde zerschmettert hatte. PSY veröffentliche das Musikvideo exakt einen Monat nachdem ich den Blog fertiggestellt hatte und über das Wachstum der koreanischen Popindustrie schwadronierte. Platz 1 in über 30 Musikcharts in der Welt, über 3 Millionen Likes und 400 Millionen Aufrufe auf Youtube in nicht einmal 3 Monaten (beides mit gewaltigem Abstand Weltrekorde!). Plötzlich interessiert sich das ganze Erdenrund für Popmusik aus Korea. Es läuft im Fernsehen, auf den Musiksendern, die Zeitungen berichten darüber, amerikanische Plattenfirmen versuchen reihenweise Kpop-Stars unter Vertrag zu nehmen, und selbst im GEMA-zensierten Deutschland, wo das Video garnicht aufzurufen ist, ist es der Partyhit des Jahres. Alles urplötzlich passiert, innerhalb weniger Wochen.
    Von diesem gigantischen Erfolg zu hören war wirklich ein merkwürdiges Gefühl. Als ob ich es damals voraus geahnt hätte.


    Also Leute, wenn ihr wissen wollt was in Zukunft angesagt sein wird, dann hört einfach auf mich. Ich empfehle mich überdies als Investmentbänker oder Propheten. Nee ohne Witz, ich sollte wirklich mal Aktien kaufen :D

  • Och nöö Heinz, nicht noch ein Prophet, wie haben doch schon ... ach ne, das sag ich jetzt lieber nicht ;)


    Da es mir immer schon schwer gefallen ist, die Tatsache, dass in jedem Winkel der Welt Coca Cola und köstliche Hamburger zu kaufen sind, als Zeichen einer entstehenden Weltkultur zu deuten, gefällt mir dein Hinweis, dass dank Internet auch koreanische Kultur weltweit Verbreitung findet ... auch wenn sie bei mir noch nicht angekommen ist.

  • Popmusik ist ja auch eigentlich eher für junge Leute. Ich habe aber damals auch herausgefunden, daß Korea in Asien der führende Exporteur von Seifenopern ist. Sowas schauen ältere Semester doch gerne :)


    Deiner Bemerkung zur Weltkultur stimme ich zu. Durch das Internet wird eine Weltkultur entstehen, die vielleicht trotzdem irgendwie vom Kapital, aber nicht exklusiv von den USA abhängig ist. Alles was den Menschen auf der Welt gefallen könnte, sollte auch weltweit bekannt sein. Das ist doch der Gedanke dahinter. Das Internet ermöglicht das zumindest für diejenigen, die einen Internetanschluss haben. Dennoch durchbricht das Internet Barrieren. Ehemalige Popkultur war rein englisch und wurde auch fast nur aus dem englischen übersetzt. Andere, nichtenglischsprachige Kulturen hatten gar keine Chance sich im Westen und überhaupt weltweit zu vermarkten. Jetzt hören wir immer mehr Lieder und sehen immer mehr Filme aus völlig anderen Sprachkreisen. Es gibt mehr Spanisches, mehr Russisches, mehr Japanisches, egal ob das nun die Musik-, die Kino-, die Buch- oder die Videospielcharts sind. Das angelamerikanische Marketingmonopol wurde abgeschafft. Durch eine amerikanische Erfindung ^^


    Das wird sicher noch ganz interessante Ausmaße annehmen. Wer weiß, vielleicht konsumiert die Welt in 100 Jahren keine Coca Cola und keine McBurger mehr, sondern trinkt lieber Kölsch und isst Döner :D

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