Das Ende der Liebe


  • Wenn du zu einem Ergebnis gekommen bist, lass es mich wissen ...



    Ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Thema ... und stoße immer wieder darauf.

    Ich glaube ... das es gar nicht anders geht, als sich immer wieder damit auseinanderzusetzen. Denn dann driftet man in Gleichgültigkeit aber oder???

  • Das glaube ich nicht.



    Stellt Euch ein altes Ehepaar vor, das 50 Jahre verheiratet ist.



    Da ist fast alles Gewohnheit.



    Sie lässt immer noch die Ähzezupp anbrennen, er bringt die Eimer runter, sie räumt ihm die Sachen hinterher und schimpft, er guckt Sportschau.



    Aber beide sind zufrieden. Ist das nicht schön?



    Mein Arzt hat mir mal erzählt, er hätte uns gesehen. Händchenhaltend auf dem Weg zum Einkaufen.

  • sitz ich hier...und bestaune, nachdem ich den Text einige Male gelesen habe, meine Liebe... zu dem Mann an meiner Seite...zu den Söhnen... zu den Freunden...
    Und ich wünsche mir... dass sie "meine Spiegel"...bleiben, wie ich ihrer...und dass die Spiegel nicht erblinden...im Alltag...
    Das Spiegelbilder nicht zu Verzerrbildern werden...mit der Zeit...
    Danke Angie...
    Maggie :)


    Ja, die Zerrbilder, Maggie ... auch der Spiegel wirft ja kein objektives Bild zurück.


    Wir alle brauchen Menschen, die uns spiegeln -inzwischen gefällt mir das Wort nicht mehr, die uns konstruktiv kritisch sehen und auch den Mut haben, uns ihre andere Perspektive mitzuteilen. Sonst schmoren wir nur "im eigenen Saft", wie es so schön heißt und verlieren den Blick für die Realität.


    Der Mensch als Spiegel macht sich aber ein Bild, anders geht es ja gar nicht, und dieses Bild nimmt dem anderen auch ein Stück Freiheit. Und wir spiegeln auch ganz unbewusst. Deshalb heißt es bei Frisch in dem Zusammenhang immer wieder: Du sollst dir kein Bildnis machen ...


    Eine Forderung, die wir nie ganz erfüllen, aber trotzdem ernst nehmen können, wenn wir uns der Bilder zumindest bewusst werden.


    Wir halten uns für den Spiegel ... und denken nur selten daran, dass auch der andere ein Spiegel unseres Bildes von ihm ist, unser "Erzeugnis", unser Opfer...

    Es geht um den Gedanken, dass uns fremde Meinungen und Vorstellungen von uns, beeinflussen. Wenn ich dem anderen "mein" Bild von ihm spiegele, enge ich ihn dadurch zugleich ein.
    Ein "Du hast sowieso zwei linke Hände" kann wie ein Orakel auf der Stirn stehen. Man kann sich ein halbes Leben damit herumschlagen, ob es sich bewahrheitet oder nicht. Zumindest die Frage ist da.
    Man wird ein Orakel nicht los, bis es sich erfüllt hat. Auch im Widerspruch zeigt sich der Einfluss, dadurch, dass man nicht so sein will, der andere einen einschätzt. Man wird ein exzellenter Handwerker, aber man wird es durch den anderen.
    Man kann hier auch an die sich selbst erfüllende Prophezeihung denken. Ödipus passt hier rein, der sein Orakel gerade dadurch erfüllt, dass er es mit aller Macht zu verhindern sucht. Die Macht des Wortes!

    Ein komplexer Zusammenhang. Wieviel Freiheit dem einzelnen tatsächlich bleibt, könnte man diskutieren ....ich denke da an die frühen Prägungen. Der eigene Weg, den wir so gerne für einen individuellen halten, ist immer auch von anderen geprägt.


    Huch, ich häng wieder am Thema ... ;)

  • Natürlich gibt es -wie immer- zu dem Ansatz von Frisch auch einen Gegenentwurf.


    "Was tun Sie", wurde Herr K. gefragt, "wenn Sie einen Menschen lieben?" "Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K., "und sorge, daß er ihm ähnlich wird." "Wer? Der Entwurf?" "Nein", sagte Herr K., "der Mensch."


    [Bertolt Brecht, Wenn Herr K. einen Menschen liebte]


    Dieses Verhalten lässt sich häufig beobachten, denke ich. Wie glauben zu wissen, wie der andere sein sollte ...


    Für mich stellt sich da die Frage, ob der Mensch als Mitmensch sich da nicht eine Rolle anmaßt, die ihm nicht zusteht?

  • Heute wäre Max Frisch 100 Jahre alt geworden.


    Am 15. 5. 1911 in Zürich geboren, ist er dort auch am 4. 4. 1991 gestorben. Die meiste Zeit seines Lebens hat er allerdings nicht in der Schweiz verbracht, deren "Enge" er immer wieder öffentlich kritisierte, womit er sich eine Überwachung durch den Geheimdienst einhandelte.


    Der Sohn eines Architekten begann mit einem Gemanistikstudium in Zürich, das er nach ersten journalistischen Arbeiten aber abbrach, weil es ihm keine Grundlagen zum Schreiben vermitteln konnte. Mit dem Abbruch des Studium stellte er auch das Schreiben zunächst ein, ließ die Berufsbezeichnung "Schriftsteller" aus seinem Pass löschen, studierte Architektur und arbeitete anschließend einige Jahre als Architekt. Das sog. Letzibad in Zürich trägt z. B. seine Handschrift.


    Vom Schreiben kam er allerdings nie ganz los. Schon vor dem nicht nur finanziellen Erfolg des Romans "Stiller" [1954], lebte er hauptsächlich von seinen Einkünften als Schriftsteller und schloss 1955 endgültig sein Architekturbüro.


    Frischs bekanntester Roman ist sicher "Homo Faber" [1957], der es in den Literaturkanon deutscher Schullehrpläne geschafft hat ... völlig zurecht, wie ich meine. Im Roman scheitert der im Beruf sehr erfolgreiche Ingenieur Walter Faber an seiner rein technisch-rationalen Weltsicht. Er ist nicht beziehungsfähig, da er Menschen wie Maschinen beurteilt, sinngemäß, der Mensch ist als Idee gelungen, aber das Material taugt nicht. Seine Geliebte heißt bezeichnenderweise Ivy -Efeu- und auch als Frau ist man geneigt, sie eher als lästig zu empfinden, da sie alle Klischees erfüllt.


    Das Zusammentreffen mit der jungen Sabeth -er vergleicht ihre Hüften mit einem Steuerrad :-)- bringt Fabers Weltbild ins Wanken. Lange vor Faber weiß der Leser, dass die erste Frau, die bei ihm Emotionen freisetzt, seine Tochter ist, die Tochter seiner großen Liebe Hanna, der er zur Abtreibung geraten hatte. Sie ist Halbjüdin und er hat seine berufliche Karriere im Blick. Daraufhin hatte Hanna sich aus seinem Leben verabschiedet.


    Steht Walter Faber im Roman für das männliche Prinzip, vertritt Hanna, die zuletzt auch im Roman wieder auftaucht, für das weibliche. Viele Interpreten sehen in Hanna die "Gewinnerin". Faber scheitert so überdeutlich ... und Hanna überlebt zumindest. Liest man aber genau, ist das zu kurz gegriffen: Auch Hannas Leben ist "gescheitert". Man kann das weibliche Prinzip nicht gegen das männliche ausspielen, beide ergänzen einander.


    Wer jetzt neugierig geworden ist ... ich empfehle den Roman gerne als Lektüre. Er ist immer noch aktuell und "liest" sich leicht, wenn man von der komplizierten Erzählperspektive des Architekten mal absieht.


    Max Frisch hat sich viel mit sich selbst beschäftigt, seine Schriften sind stark autobiographisch geprägt. Die Frage nach dem Ich steht im Mittelpunkt, nach dem eigenen Lebensentwurf, die Forderung, sich "kein Bildnis zu machen" vom anderen, sondern die Ungewissheit auszuhalten, das Lebendige ...