Das Ende der Liebe

  • Das Problem mit der Liebe beginnt schon mit dem Wort, das so vieles bedeuten kann, dass man es am besten ganz abschaffen würde.


    Was heißt es, einen Menschen zu lieben?


    Warum lieben wir einen Menschen? Wir lieben ihn einfach. Die Liebe besteht gerade darin, dass wir den anderen nicht festlegen, sondern dass wir neugierig darauf bleiben, was in ihm steckt. Wenn wir lieben, lassen wir uns auf den anderen ein, folgen seinen Gedanken und Gefühlen. Wir sind offen für alles, gehen neue Wege.


    Der Geliebte fühlt sich dadurch wie verwandelt, wie "enfaltet", und auch der Liebende sieht die Welt plötzlich mit anderen Augen. Die Liebe befreit von festgelegten Bildern und Vorstellungen. Wir begeben uns durch sie auf eine abenteuerliche Reise.


    Das Ende der Liebe? Unsere Meinung, dass wir den anderen kennen. Nur Ursache und Wirkung liegen anders, als wir in der Regel glauben. Nicht weil wir den anderen kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil sich ihre Kraft erschöpft hat, sind wir nicht länger brereit, dem anderen zu folgen, auf seine Wandlungen einzugehen. Damit weigern wir uns, ihn länger als Geheimnis zu sehen ... und nehmen ihm damit zugleich die Lebendigkeit.


    Du bist nicht, wofür ich dich gehalten habe, sagt der Enttäuschte.
    Er ist müde geworden, es auszuhalten, dass der Mensch unfassbar ist, ein erregendes Rätsel, er hat sich ein "Bild" gemacht. Das ist das Lieblose...


    Das menschliche Miteinander ist sehr komplex. Wir sind in gewisser Weise auch das, was andere in uns hineinsehen, Freunde wie Feinde. Aber auch wir sind die "Verfasser" der anderen. Wir sind ganz unvermeidbar verantwortlich für das Gesicht, das sie uns zeigen. Unser "Bild", die Rolle, die wir ihnen zulegen, schnürt sie ein, legt sie fest.


    Wir halten uns für den Spiegel ... und denken nur selten daran, dass auch der andere ein Spiegel unseres Bildes von ihm ist, unser "Erzeugnis", unser Opfer...


    Das gilt nicht nur für "Liebesbeziehungen" oder Freundschaften, sondern generell. Wer anderen mit Vorurteilen begegnet, legt sie auch auf dieses "fremde Bild" fest, nimmt ihnen die Chance, "sie selbst", lebendig zu sein.




    Dieser Text stützt sich auf Gedanken von Max Frisch.




    Erstveröffentlichung 25. 11. 2007

  • wir sollten die Liebe ganz abschaffen ;-)


    Sie vernebelt die Sinne und laesst uns keinen Spielraum, den Anderen, zwar immer noch subjektiv, nuechterner zu sehen.


    nun, den Beitrag kenne ich ja schon, deshalb sag ich jetzt nuescht mehr dazu. hehe

  • sitz ich hier...und bestaune, nachdem ich den Text einige Male gelesen habe, meine Liebe... zu dem Mann an meiner Seite...zu den Söhnen... zu den Freunden...
    Und ich wünsche mir... dass sie "meine Spiegel"...bleiben, wie ich ihrer...und dass die Spiegel nicht erblinden...im Alltag...
    Das Spiegelbilder nicht zu Verzerrbildern werden...mit der Zeit...
    Danke Angie...
    Maggie :)

  • Da du immer sehr genau liest, Sunnyboy, hast du gemerkt, dass ich nicht die Liebe abschaffen möchte, sondern das Wort, das alles und nichts bedeutet ... das elendige Problem mit den abstrakten Substantiven.


    Da es das Wort aber nun mal gibt, wird es weiter sein Unwesen treiben und zu Missverständnissen führen.