Endlich "frei" ... ?

  • Gespräch mit einem Vogel, der kein Philosoph ist, sondern nur seinen normalen Vogelverstand benutzt ...



    "Sie sagen immer, dass Sie froh sind, sich hier ein wenig von ihrer Arbeit erholen zu können", begrüßte mich der Vogel gutgelaunt, noch bevor ich vom Rad steigen konnte.


    "Heißt das, dass eure Arbeit müde macht? Ich kenne das aus der Zeit, als ich noch lange Strecken fliegen musste, um meine Beute zu verfolgen. Nach meiner Beobachtung habt ihr Menschen euch für alles Maschinen ausgedacht, die euch die Anstrengung abnehmen."


    "Nun ja, das stimmt schon ... aber nach so einem Arbeitstag ist man trotzdem müde. Eher eine geistige Müdigkeit bei mir ... körperlich muss ich mich ja nicht anstrengen."


    "Ich weiß, der Geist ist eure schwächste Stelle," entgegnete der Vogel trocken. Er wusste, dass er mich damit am meisten reizen konnte.


    "Geistige Müdigkeit ... soll ich daraus schließen, dass Ihnen Ihre Arbeit keinen Spaß macht?"


    "Nun ja, manchmal macht es Spaß ... aber irgendwann reicht es dann auch."


    "Und Sie können nicht nach Hause gehen, wenn Sie keine Lust mehr haben?"


    "Wo denken Sie hin? Ich werde dafür bezahlt, dass ich die volle Arbeitszeit an meinem Arbeitsplatz verbringe."


    Ungläubig schaute der Vogel mich an.


    "Unabhänging davon, wieviel Beute Sie angeschafft haben?"


    "Das ist alles viel komplizierter, als Sie denken", begann ich, brach dann aber ab, weil es nicht einfach sein würde, das dem Vogel zu erklären ... außerdem war ich müde.


    Zum Glück bohrte der Vogel nicht nach. Stattdessen sagte er versöhnlich:


    "Ich verstehe zwar nicht, warum Sie auf Ihrem Jagdplatz bleiben müssen, wenn Sie schon genug Beute gemacht haben, aber das hängt wahrscheinlich mit Ihrer Besessenheit zusammen, Beute zu horten, auch solche, die unnütz ist, weil sie euch weder Fraß noch Schutz vor schlechtem Wetter oder den Feinden bietet. Und wohl auch mit Ihrer niedrigen Stellung in der Hierarchie. Auch bei anderen Herdentieren werden niederrangige Herdenmitglieder in Zucht gehalten.


    Aber jetzt haben Sie doch Ihre Stunden gearbeitet und damit ihren Teil an der Beute gesichert ... und was tun Sie? Setzen sich auf ein Zweirad und kommen zu mir. Ist das keine Arbeit?"


    "Die Bewegung tut mir gut, wenn ich den ganzen Tag im Büro gesessen habe."


    "Klar, besonders wir Raubtiere -egal ob Mensch oder Vogel- brauchen Bewegung. Sie werden aber jetzt mit mir diskutieren, sich geistig anstrengen ... ist das keine Arbeit?"


    "Arbeit?", verblüfft betrachtete ich den Vogel, der behaglich in seiner Voliere saß.


    "Das mach ich doch zu meinem Vergnügen! Niemand hat es mir befohlen und ich werde auch nicht dafür bezahlt!"


    "Ich blicke da nicht so ganz durch: Würde Ihr Ranghöherer Sie zu mir schicken und Sie bezahlen, wäre es Arbeit ... und so ist es Vergnügen?


    Sie haben mir doch erzählt, dass Ihnen Ihre Arbeit manchmal Spaß macht. Wird das, was Spaß macht, als Vergnügen angesehen und von der Arbeit abgezogen?"


    "Nein, das ist doch Arbeit, das muss gemacht werden", widersprach ich.


    Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. "Aha, Arbeit ist also eine Tatigkeit, die angeordnet wird ... wenn man sie sich selber anordnet, ist es ein Vergnügen. Wohl weil ihr dadurch das Gefühl habt, aus der Rangordnung ausgebrochen zu sein."


    "Ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht. Es gibt sogenannte Selbstständige, die selbst entscheiden, was sie tun wollen. Wenn sie dabei etwas Nützliches schaffen, wird es ihnen bezahlt."


    "Das ist doch das gleiche: Ihre Arbeit wird von der Herde nicht angeordnet, aber nachträglich akzeptiert.


    Ich weiß aber immer noch nicht, ob ihr die Arbeit gerne macht und schätzt. Einerseits belohnt ihr sie, das ist auch richtig. Wer arbeitet, macht Beute und verausgabt seine Lebenskraft ... es soll aber auch Reiche geben, also Tiere, die von eigener und fremder Beute so viel gehortet haben, dass sie nicht mehr arbeiten müssen. Und die stehen bei euch sehr hoch in der Rangordnung."


    "Auch viele Reiche arbeiten ... sehr intensiv sogar."


    "Sie müssen es nicht, also ist es keine Arbeit, sondern ein Vergnügen.


    Oder sie tun es, um noch mehr zu horten ... weil es ihren Rang erhöht. Das Gehortete, nicht die Arbeit.


    Also schätzt ihr die Arbeit wohl doch nicht so hoch und ihr macht sie nicht gern.


    Was würden Sie denn machen, wenn Sie reich wären? Würden Sie weiter in Ihr Büro gehen?"


    "Ich weiß nicht ... wahrscheinlich würde ich mir eine Segeljacht kaufen und über die Meere segeln. Oder ... "


    "Das kenn ich", unterbrach mich dier Vogel barsch. "Vor zweihundert Jahren hatte ich mein Jagdrevier an der See. Was die Menschen da auf den Segelschiffen machten, hat aber nach schwerer Arbeit ausgesehen. Manchmal sind Schiffe auch untergegangen und Menschen ertrunken."


    "Ach damals ... da waren Segelschiffe noch Arbeitsschiffe."


    "Sie müssen aber auf Ihrer Jacht die gleiche Arbeit tun, wie die Segler damals und sind den gleichen Gefahren ausgesetzt. Trotzdem soll das für Sie ein Vergnügenen sein?"


    "Natürlich!"


    "Natürlich", sagen Sie? "Wenn ihr euch mit Nutzen anstrengt, ist es Arbeit, und ihr tut es ungern. Dasselbe ohne Nutzen gilt bei euch als Vergnügen. Das ist nicht natürlich, das ist menschlich."



    Der Text beruht auf einer Idee des Satirikers Gabriel Laub.


    Erstveröffentlichung 7. 11. 2008