Zum 175. Geburtstag von Mark Twain

  • Am 30. November 1835 wurde Mark Twain als Samuel Clemens in Florida, Missouri, geboren.


    Zur Erinnerung an den grandiosen Erzähler ein Auszug aus Die Abenteuer von Tom Saywer (1876), der unter dem Titel Der Gartenzaun bekannt ist.


    Tom ist von Tante Polly dazu verdonnert worden, als Strafe für ungebührliches Verhalten den Gartenzaun zu streichen. Die achtet zunächst sehr genau darauf, dass er nicht einen Dummen findet, der ihm diese Arbeit abnimmt. Als er Jim schon fast mit einer Glaskugel als Geschenk überredet hat, den Zaun zu streichen, während Tom dann für ihn Wasser holen gehen will -eine vergleichsweise angenehme Aufgabe, die sich durch vergnügliches Plaudern an der Gemeindepumpe beliebig ausdehnen ließ-, kommt Tante Polly mit ihrem Pantoffel dazwischen und Jim rennt mit dem Eimer davon.


    " ... Tom strich nun, was das Zeug hielt – und Tante Polly zog sich triumphierend mit ihrem Pantoffel aus dem Schlachtfeld zurück.


    Aber Toms Energie hielt nicht lange an. Alle die vergnüglichen Dinge, die er für heute geplant hatte, fielen ihm ein – und sein Kummer wurde immer und immer größer. Bald schon mussten all die Jungen, die frei waren, auf allen möglichen wunderbaren Expeditionen hier bei ihm vorbei kommen und sie würden ihn furchtbar auslachen, weil er arbeiten musste. Schon der Gedanke daran brannte wie ein Feuer in ihm. Er holte seine Schätze aus der Tasche hervor und betrachtete sie: Teile von Spielsachen, Murmeln und allerlei Plunder; genug vielleicht, um jemanden die Arbeit schmackhaft zu machen, sich einen kurzen Arbeitstausch zu erkaufen, aber nie genug, um auch nur mehr als eine halbe Stunde wirklicher Freiheit zu erhandeln. So steckte er alles wieder ein und gab den Gedanken auf, die Jungen zu kaufen. In diesem düsteren Moment hatte er eine Eingebung. Er nahm den Pinsel und fing wieder ruhig an zu arbeiten.


    Kurz darauf bog Ben Rogers um die Ecke. Ben Rogers war der Junge, vor dessen Spott er sich am meisten gefürchtet hatte. Ben kam gehüpft und gesprungen, was Tom ein Beweis dafür war, dass sein Herz leicht und voll froher Erwartungen war. Er kaute an einem Apfel und gab in kurzen Abständen Geräusche von sich: ein langes melodisches Heulen, gefolgt von einem Bim-Bam-Bim-Bam. Kein Zweifel, er stellte einen Dampfer da. Als er näher kam, drosselte er die Geschwindigkeit, hielt sich in der Straßenmitte, zog herüber nach Steuerbord und drehte mit großem Aufwand bei. Es war der „Big Missouri“ und Ben war Dampfer, Schiffsglocke und Kapitän in einem.


    „Stopp, Sir! Bim-bim-bim.“ Er steuerte langsam auf den Bürgersteig zu. „Maschine volle Kraft rückwärts! Bim-bim-bim! Steuerbord achteraus! Bim-bim-bim! Sch-sch-sch! Sch-sch-sch!“. Seine rechte Hand kreiste umher, denn sie war ja ein riesiges vierzig Fuß hohes Schaufelrad. „Steuerbord, stopp! Bim-bim-bim! Backbord, stopp! Das äußere Rad langsame Fahrt! Bim-bim-bim! Sch-sch-sch! Bugleine raus, Spanntau raus. Vertäut das Doppelpart am Poller. Alle Maschinen stopp! Tschschtsch!“ Das waren die Dampfhähne.


    Tom strich und strich und kümmerte sich nicht um den Dampfer. Ben sprach ihn an: „Hey, steckst wohl in der Klemme, was?“ Keine Antwort. Tom trat einen Schritt zurück und wie mit dem Auge eines Künstlers betrachtete er seinen letzten Strich. Und er tauchte den Pinsel noch mal ein, strich nochmals mit leichtem Schwung darüber hinweg und betrachtete nochmals sein Werk. Ben stand neben ihm. Beim Anblick des Apfels lief Tom das Wasser im Mund zusammen, aber er blieb stur bei seiner Arbeit. Da sagte Ben: „Hey, alter Junge, haben sie dich zum Arbeiten drangekriegt?“.
    „Ach du bist’s, Ben. Hab dich gar nicht gehört.“
    „Ich geh schwimmen, hörst du? Kommst du mit oder willst du lieber hier weiterschuften?“
    Tom sah Ben an und fragte: „Schuften? Was nennst du schuften? Was für eine Arbeit?“
    „Das ist also keine Arbeit, was du hier machst?“
    Tom machte sich wieder ans Streichen und meinte gleichgültig. „Naja, vielleicht ist es Arbeit, vielleicht auch nicht. Ich weiß nicht. Ich weiß nur eines: Tom Sawyer gefällt’s.“
    „Komm, hör auf! Du kannst mir doch nicht einreden, dass dir das hier Spaß macht!“
    Der Pinsel fuhr weiter.
    „Ob’s mir Spaß macht? Warum sollte es mir keinen Spaß machen? Bekommt man als Junge denn jeden Tag einen Zaun zu streichen?“
    Nun sah die Sache plötzlich anders aus. Ben hörte auf, an seinem Apfel zu knabbern. Tom schwang seinen Pinsel wieder elegant hin und her, trat zurück, tat einen Tupfer hier und einen Tupfer dort, trat von neuem zurück. Ben beobachtete seine Bewegungen genau und nach und nach interessierte ihn die Sache mehr und mehr, ja fesselte ihn sogar. Nach einer Weile sagte er: „Du, Tom, lass mich doch auch mal ein bisschen streichen.“


    Tom dachte nach und war schon drauf und dran, zuzustimmen. Aber dann überlegte er es sich anders. „Nein, nein, das geht nicht, Ben. Schau, Tante Polly nimmt’s immer ganz genau mit ihrem Zaun. Der steht doch hier direkt an der Straße – wenn’s nach hinten raus wäre, würde es nicht drauf ankommen. Aber hier, hier muss der Zaun sorgfältig gestrichen werden. Und ich sage dir: Von tausend Jungen ist keiner imstande, es so zu machen, wie es sein soll – ja, nicht einmal einer von zweitausend!“
    „Tatsächlich? Ach komm schon! Lass mich doch ein bisschen versuchen, nur ein kleines bisschen. An deiner Stelle würd ich dich lassen, Tom.“
    „Ben, ich würd’s ja gerne tun, aber Tante Polly! Jim wollte auch schon und sie hat ihn nicht gelassen. Sid wollte auch und auch ihn hat sie nicht gelassen. Siehst du, wie sehr ich in der Klemme sitze? Du machst dich dran, und dann passiert etwas …“
    „Dummes Zeug, ich bin ganz vorsichtig. Lass mich doch mal versuchen, bitte! Hier – du kriegst auch ein Stück Apfel von mir.“
    „Lieber nicht … ich hab Angst …“
    „Ich lass dir den ganzen!“
    Tom gab Ben den Pinsel. Er tat das widerstrebend – aber er war froh dabei. Und nun arbeitete und schwitzte der frühere Dampfer „Big Missouri“, während Tom sich im Schatten auf ein Fass setzte, mit den Beinen baumelte und den Apfel aufaß. Dabei überlegte er, wie er noch weitere Jungen überzeugen konnte. Schließlich schlenderte stets eine Menge Jungen vorbei.


    Als Ben fertig und müde war, kam Billy Fisher für einen gut erhaltenen Drachen an die Reihe, und als dieser sich ausruhen musste, kaufte sich Johnny Miller ein mittels einer toten Ratte samt Schnur, an der man sie herumwirbeln konnte. Und so ging es weiter, Stunde um Stunde. Als schließlich der Nachmittag halb um war, da war aus dem armen Tom am Morgen ein reicher Junge geworden. Neben den erwähnten Dingen besaß er nun zwölf Murmeln, den Teil einer Mundharmonika, eine Scherbe blaues Glas, durch die man hindurch sehen konnte, einen Revolver, einen Schlüssel ohne passende Tür, ein Stück Kreide, den Glasstöpsel einer Karaffe, einen Zinnsoldaten, zwei Kaulquappen, sechs Knallfrösche, ein einäugiges Kätzchen, einen Türgriff aus Messing, ein Hundehalsband ohne Hund, einen Messergriff, vier Orangenschalen und einen verrotteten alten Fensterrahmen. Während der ganzen Zeit hatte er gefaulenzt und eine Menge Gesellschaft genossen – und nun bedeckte den Zaun eine dreifache Schicht Farbe! Wäre Tom nicht die Farbe ausgegangen, hätte er am Ende sämtliche Jungen des Ortes Bankrott gemacht."



  • Bei Mark Twain heißt es weiter:


    Die Welt ist doch nicht hohl und leer, sagte sich Tom. Ohne es zu wissen, hatte er ein wichtiges Gesetz entdeckt, das das menschliche Handeln bestimmt: Man muss, um das Begehren der Menschen – Männer oder Jungen – zu wecken, die Sache schwer erreichbar machen. Er hatte, auch ohne es zu wissen, den Unterschied zwischen Arbeit und Spiel entdeckt: Das, was man tun muss, ist die Arbeit, das, was man nicht tun muss, ist Spiel. Sonst hätte er nun erkannt, warum es Arbeit ist, Papierblumen herzustellen oder in einer Tretmühle zu arbeiten, warum es aber Spiel ist, Kegeln zu gehen oder den Montblanc zu besteigen. Es gibt in England reiche Herren, die im Sommer große vierspännige Kutschen dreißig Meilen weit lenken, nur weil es sie viel Geld kostet. Gäbe man ihnen aber Geld für diese Tätigkeit, würde es zur Arbeit werden, und sie würden die Finger davon lassen.



    P. S. berlin hängt auch immer noch daran, dass der Empfänger die Botschaft bestimmt ;)

  • Zum 175. Geburtstag von Mark Twain


    Am 30. November 1835 wurde Mark Twain als Samuel Clemens in Florida, Missouri, geboren.


    Zur Erinnerung an den grandiosen Erzähler ein Auszug aus Die Abenteuer von Tom Saywer, der unter dem Titel Der Gartenzaun bekannt ist.





    Erzaehler????? Dachte, er waere Anstreicher gewesen

  • Mark Twain war Schriftsetzer, Schiffslotse, Goldsucher und Journalist ... bevor er anfing Bücher zu schreiben. Das Pseudonym stammt aus der Seemannssprache, mark twain bedeutet da "zwei Faden [Wassertiefe]".


    Wie Jonathan Swift und Wilhelm Busch wird auch Mark Twain häufig zu den Kinderbuchautoren gerechnet. Eine ungenaue Zuordnung, denn allen dreien geht es um Gesellschaftskritik.


    Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß.


    Wilhelm Busch


  • Wie Jonathan Swift und Wilhelm Busch wird auch Mark Twain häufig zu den Kinderbuchautoren gerechnet. Eine ungenaue Zuordnung, denn allen dreien geht es um Gesellschaftskritik.


    Deshalb gibt es z. B. von Tom Saywer und Huckleberry Finn entschäfte Jugendbuchausgaben, erkennbar an Hinweisen wie „Eine Bearbeitung für die Jugend“ oder „Gekürzt“.

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