Hallo Escape,
soweit ich weiß, ist "sinnfrei" ein recht junges Wort im Duden und auch nicht eindeutig definiert.
Ich bin von der Wortbedeutung ausgegangen: Alles, was wir tun, hat nicht nur für uns einen subjektiven und nicht immer einsichtigen Sinn, sondern - sehr viel folgenreicher - es entwickelt einen von uns nicht kalkulierbaren Sinn für andere, die mit unserem Tun konfrontiert werden.
Darauf zielt, denke ich, die Karikatur von sakurai.
Mir gefiel zu diesem Thema auch der folgende Kommentar in der FAZ:
"Kommentar zu Özil und dem DFB
Das deutsche Auch
Von Jürgen Kaube-Aktualisiert am 24.07.2018-10:25
Ein Satz Goethes sagt, der Handelnde sei immer gewissenlos, es habe niemand
Gewissen als der Betrachtende. Der Fall Özil ist geeignet, diesen Satz
zu erläutern. Denn es ist die Unentschiedenheit des Nichthandelns, die
jetzt zu einer ungeheuren, hässlichen Aufwallung an Meinungen,
Forderungen, Beschimpfungen, Rechthabereien und Ausflüchten geführt hat,
deren Ende gar nicht abzusehen ist.
Zwei Fußballspieler lassen sich lächelnd mit einem Staatsmann abbilden, der
Teile seiner Bevölkerung unterdrückt und den Rechtsstaat mit Füßen
tritt. Einer findet, das drücke „Respekt“ gegenüber der Heimat seiner
Eltern aus. Er sagt das aber – die Berater warten zunächst ab – erst
lange danach.
Bis dahin finden beide, ein Kompensationsfoto mit dem Bundespräsidenten kläre
vielleicht, inwiefern sie Nationalspieler sind. Es kommt zu einer
erheblichen Wertekollision: einerseits dumme Jungs, also Nachsicht;
andererseits Vorbilder, also Vorsicht. Einerseits Nationalmannschaft,
also Rücksicht auf Leistungsträger; andererseits Nationalmannschaft,
also Rücksicht aufs Publikum. Einerseits die Werte des DFB:Fairness und Menschenrechte;
andererseits die Werte des DFB: Selbstbetrug („Das Turnier ist lang“) und Selbstvermarktung
(„Best never rest“). Einerseits „Die Mannschaft“, nur das Team zählt und so weiter;
andererseits ist sich auf Instagram längst jeder selbst der Nächste.
Und so dachten sie, die Grindels, Bierhoffs und Löws, an die Politik, an Fototermine,
Werbeverträge, an 2014, den fünften Stern und besonders zärtlich an
sich, vor allem aber, dass alles schon gutgehen werde, weil noch fast
immer alles gutgegangen ist, und dass es darum jetzt „auch“ mal gut sein
müsse.„Auch“ ist ein sehr deutsches Wort. Allen Werten will man dienen, den sportlichen, auch
den politischen, den ökonomischen auch und auch den medialen, den
jungen Spielern und den alten, den deutschen Tugenden und der
Leichtigkeit, dem Fußball in Gestalt des Spiels und dem Fußball in
Gestalt der Fifa. Weswegen vor lauter Herren, denen man gleichzeitig
„auch“ dienen möchte, niemand sich entscheidet: Özil nicht zur
Erklärung, Gündogan weder zum Ausdruck des Bedauerns noch des Beharrens, der DFB weder zu
einem Rauswurf noch zu einem Junktim noch zu einem „Das ziehen wir
durch“.
Alle, Bierhoff und sein Trainer zumal, verhalten sich verdruckst, mit Goethe
„gewissenhaft“, voll komplexer Innerlichkeit, reich an Motiven und
Rückpässen. Alle agieren wie die Mannschaft selbst: den Ball am besten
schnell abgeben, Zweikämpfen ausweichen, Risiken vermeiden. Alle, Özil
eingeschlossen, hoffen, dass sich die Sache und alle Fragen mit dem
Erfolg erledigen, und, wenn der Erfolg ausbleibt, dann ja immer noch
Schuldige gefunden werden können oder Ausreden. Insofern alles sehr
deutsch, alle sehr integriert.
Es würden, heißt es entsprechend nach dem Scheitern von so ziemlich allem, was
scheitern konnte, die Ursachen schonungslos analysiert. Aber dieser Satz
ist selbst bereits die Schonung. Nämlich die Selbstschonung derer, die
nicht willens waren, sich festzulegen und dabei zu bleiben, anstatt sich
Meinungen in alle Richtungen zu bilden und alles offenzulassen. Was
nicht zuletzt für diejenigen gilt, die, wie Uli Hoeneß, jetzt schimpfen,
dass Özil seit Jahren einen Dreck gespielt habe, aber das eben erst
jetzt sagen. Vor der WM wäre es, ob töricht oder nicht, eine Handlung
gewesen, so zu sprechen. Jetzt ist es – wie zuvor Bierhoffs
Opportunismus, Grindels Lavieren und Özils Kommuniqué – nur eine weitere
wohlfeile, selbstgerechte Meinung."
http://www.faz.net/aktuell/feu…ebatte-15704820.html#void
Zu Deinem P.S.: Für mich ist Özil weder ein "Sündenbock" und schon gar kein "Opferlamm".
Von solch einem begnadeten Fußballer hätte ich "auch" ein wenig mehr eigenes "Köpfchen" erwartet.