Die Fußball-WM 2018, das Versagen und der Sündenbock

  • Hallo Escape,
    soweit ich weiß, ist "sinnfrei" ein recht junges Wort im Duden und auch nicht eindeutig definiert.


    Ich bin von der Wortbedeutung ausgegangen: Alles, was wir tun, hat nicht nur für uns einen subjektiven und nicht immer einsichtigen Sinn, sondern - sehr viel folgenreicher - es entwickelt einen von uns nicht kalkulierbaren Sinn für andere, die mit unserem Tun konfrontiert werden.


    Darauf zielt, denke ich, die Karikatur von sakurai.
    Mir gefiel zu diesem Thema auch der folgende Kommentar in der FAZ:


    "Kommentar zu Özil und dem DFB
    Das deutsche Auch

    Von Jürgen Kaube-Aktualisiert am 24.07.2018-10:25


    Ein Satz Goethes sagt, der Handelnde sei immer gewissenlos, es habe niemand
    Gewissen als der Betrachtende. Der Fall Özil ist geeignet, diesen Satz
    zu erläutern. Denn es ist die Unentschiedenheit des Nichthandelns, die
    jetzt zu einer ungeheuren, hässlichen Aufwallung an Meinungen,
    Forderungen, Beschimpfungen, Rechthabereien und Ausflüchten geführt hat,
    deren Ende gar nicht abzusehen ist.


    Zwei Fußballspieler lassen sich lächelnd mit einem Staatsmann abbilden, der
    Teile seiner Bevölkerung unterdrückt und den Rechtsstaat mit Füßen
    tritt. Einer findet, das drücke „Respekt“ gegenüber der Heimat seiner
    Eltern aus. Er sagt das aber – die Berater warten zunächst ab – erst
    lange danach.


    Bis dahin finden beide, ein Kompensationsfoto mit dem Bundespräsidenten kläre
    vielleicht, inwiefern sie Nationalspieler sind. Es kommt zu einer
    erheblichen Wertekollision: einerseits dumme Jungs, also Nachsicht;
    andererseits Vorbilder, also Vorsicht. Einerseits Nationalmannschaft,
    also Rücksicht auf Leistungsträger; andererseits Nationalmannschaft,


    also Rücksicht aufs Publikum. Einerseits die Werte des DFB:Fairness und Menschenrechte;


    andererseits die Werte des DFB: Selbstbetrug („Das Turnier ist lang“) und Selbstvermarktung
    („Best never rest“). Einerseits „Die Mannschaft“, nur das Team zählt und so weiter;
    andererseits ist sich auf Instagram längst jeder selbst der Nächste.


    Und so dachten sie, die Grindels, Bierhoffs und Löws, an die Politik, an Fototermine,
    Werbeverträge, an 2014, den fünften Stern und besonders zärtlich an
    sich, vor allem aber, dass alles schon gutgehen werde, weil noch fast
    immer alles gutgegangen ist, und dass es darum jetzt „auch“ mal gut sein
    müsse.„Auch“ ist ein sehr deutsches Wort. Allen Werten will man dienen, den sportlichen, auch
    den politischen, den ökonomischen auch und auch den medialen, den
    jungen Spielern und den alten, den deutschen Tugenden und der
    Leichtigkeit, dem Fußball in Gestalt des Spiels und dem Fußball in
    Gestalt der Fifa. Weswegen vor lauter Herren, denen man gleichzeitig
    „auch“ dienen möchte, niemand sich entscheidet: Özil nicht zur
    Erklärung, Gündogan weder zum Ausdruck des Bedauerns noch des Beharrens, der DFB weder zu
    einem Rauswurf noch zu einem Junktim noch zu einem „Das ziehen wir
    durch“.


    Alle, Bierhoff und sein Trainer zumal, verhalten sich verdruckst, mit Goethe
    „gewissenhaft“, voll komplexer Innerlichkeit, reich an Motiven und
    Rückpässen. Alle agieren wie die Mannschaft selbst: den Ball am besten
    schnell abgeben, Zweikämpfen ausweichen, Risiken vermeiden. Alle, Özil
    eingeschlossen, hoffen, dass sich die Sache und alle Fragen mit dem
    Erfolg erledigen, und, wenn der Erfolg ausbleibt, dann ja immer noch
    Schuldige gefunden werden können oder Ausreden. Insofern alles sehr
    deutsch, alle sehr integriert.


    Es würden, heißt es entsprechend nach dem Scheitern von so ziemlich allem, was
    scheitern konnte, die Ursachen schonungslos analysiert. Aber dieser Satz
    ist selbst bereits die Schonung. Nämlich die Selbstschonung derer, die
    nicht willens waren, sich festzulegen und dabei zu bleiben, anstatt sich
    Meinungen in alle Richtungen zu bilden und alles offenzulassen. Was
    nicht zuletzt für diejenigen gilt, die, wie Uli Hoeneß, jetzt schimpfen,
    dass Özil seit Jahren einen Dreck gespielt habe, aber das eben erst
    jetzt sagen. Vor der WM wäre es, ob töricht oder nicht, eine Handlung
    gewesen, so zu sprechen. Jetzt ist es – wie zuvor Bierhoffs
    Opportunismus, Grindels Lavieren und Özils Kommuniqué – nur eine weitere
    wohlfeile, selbstgerechte Meinung."


    http://www.faz.net/aktuell/feu…ebatte-15704820.html#void


    Zu Deinem P.S.: Für mich ist Özil weder ein "Sündenbock" und schon gar kein "Opferlamm".
    Von solch einem begnadeten Fußballer hätte ich "auch" ;) ein wenig mehr eigenes "Köpfchen" erwartet.

  • (bento)


    .


    Sieh an, nach den Bayern-Spielern Müller und Neuer, die gar nix Diskriminierendes erkennen, auch wenn's direkt vor ihren Augen und Ohren geschieht, äußert sich nun der nordrhein-westfälische Ministerpräsident zum Thema und stellt fest:


    Zitat

    NRW-Ministerpräsident Laschet
    "Was Özil erreicht hat, ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte"


    Für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Laschet ist Mesut Özil immer noch ein Vorbild. Das Verhalten des DFB nennt der CDU-Politiker absurd. mehr...

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