Was hab ich da bloß angerichtet?
Heinz greift wieder mal in sein Lyrik-Repertoire, Richmodis verweist auf Anlaute und Mindestanzahl, escape erhofft Torqualitäten - und dann gibt's noch Wagner-Inspiriertes als Motivationshilfe für den Effzeh.
So kann's gehen, wenn man alliteriertes Allerlei ins Nebensätzchen packt.
ZitatAlliteration:
Lautliche Übereinstimmung der Anfänge von zwei oder mehr akzentuierten Silben.
Konstituierendes Prinzip in der germanischen Versdichtung (Stabreim) mit vereinzelten jüngeren Wiederbelebungsversuchen (z.B. bei Richard Wagner oder Felix Dahn). Es alliterieren bzw. staben identische Anlautkonsonanten (dabei gelten sk, sp und st als Einheit) sowie alle Anlautvokale betonter Silben untereinander.
(li-go.de)
Mir hat hierzu ein alter 'Zeit'-Artikel Spaß gemacht, der nichts an Aktualität verloren hat.
Das isser:
ZitatAlles anzeigenRettet den Stabreim!
10. Januar 1975, 7:00 Uhr Aktualisiert am 21. November 2012, 18:13 Uhr
Der Mann heißt Koerber-Kent und leidet unter merkwürdigen Ausscheidungen – er sondert fortwährend Stabreime ab. Sagt, wenn er über Arbeiter spricht, Sätze Wie diese: „Die denken nur ans Geld. In ihrem Kopf sind nichts als Zahlen und Zoten, wie ich es einmal genannt habe. Statt für einen Abendkurs oder ein Abonnement im Theater geben sie ihren Lohn für Kühltruhen, Kristallspiegel und Kuckucksuhren aus. Seit sie das Allgemeine nicht mehr achten, sind sie besessen von dem Beelzebub des Besonderen, wie ich manchmal scherzhaft sage.“
Herr Koerber-Kent, Priester und Unternehmer, ein Mann also, der zwei alliterierenden Großmächten dient, der Kirche und dem Kapital, Herr Koerber-Kent ist eine Erfindung von Peter Handke. Er tritt auf in dem Stück über die Unvernünftigen, die angeblich aussterben.
Eine Erfindung nur, eine böswillige dazu? Wer redet denn so wie Koerber-Kent? Vielleicht redet niemand so, aber viele schreiben so, so ähnlich und noch schlimmer. Der Stabreim (auf germanistisch: Alliteration), eines der ältesten und schönsten Stilmittel unserer Sprache, wird derzeit von den Massenmedien durch verschwenderischen Gebrauch ruiniert. Der Unfug kennt keine ideoogischen Grenzen: Im Stabe gereimt wird von „Welt“ bis ZEIT, von „Bild“ bis „Spiegel“. Für ihre Story über das Selbstverständnis deutscher Professoren etwa erfand die „Spiegel“-Redaktion solche Bildunterschriften: „Nach den Kämpfen zwischen Klappsitz und Katheder ein Frieden ohne Eintracht“ / „Männer unter sich wie in Klöstern und Kneipen“ / „Trennung von Geist und Gott“.
Am einfältigsten treibt es das Fernsehen, wenn es seine Sendungen betitelt. Da gab es einmal ein überaus erfolgreiches Buch, erfolgreich vielleicht auch wegen seines Titels: „Götter, Gräber und Gelehrte“ von Ceram. An die wohlklingende Ceramsche Triole erinnern sich nun Autoren und Fernsehredaktionen, wann immer sie einen Namen für ihre Produkte suchen und es ihnen, leer wird im Kopf. Als es eine Jugendsendung gab, die „Sport, Spiel, Spannung“ hieß, als sich später ein Kulturmagazin nicht einfach „Kulturmagazin“ nannte, sondern sich mit dem Stabreim „Titel, Thesen, Temperamente“ taufte, konnte man es noch ertragen. Aber nun werden auch schon die Plagiatoren plagiiert: Eine Sendereihe über Journalisten muß „Makler, Mahner, Manipulateure“ heißen, und wenn Walther Schmieding zum Literarischen Colloquium bittet, dann stehen „Ereignisse, Erfahrungen und Erinnerungen“ auf dem Programm.
Peter Hacks hat schon vor zehn Jahren über den Schwachsinn solcher Titeleien gespottet. Zitat aus einer Kritik über Käte Hamburgers Buch „Von Sophokles zu Sartre“: „Die Zusammenstellung hat etwas Skurriles. Die genannten Schriftsteller, haben miteinander gemein, daß sie alliterieren, und daß sie Atridenstücke geschrieben haben; der Titel ist in dem gleichen Maße sinnreich wie etwa: Vom Montblanc zum Maulwurfshügel.“
Mein wachsender Mißmut über die Stabreimereien deutscher Journalisten ist kein Mißmut über den Stabreim selbst oder gar über einen vergnüglichen Umgang mit der Sprache. Schreiben, wenn es gutes Schreiben ist, ist immer auch ein artistischer Vorgang – und zur Artistik gehört ein Repertoire von Kunstgriffen. Wer von sich behauptet, immer nur „zur Sache“ zu schreiben, lügt oder schreibt schlecht; denn beim Schreiben ist die Sprache immer eine Hauptsache. Und unvergessen sind auch die historischen Verdienste des Stabreims: Richard Wagner, der ihn, auf der Suche nach dem Gesamtkunstwerk, in die erhabenen Höhen des Irrsinns geführt hat. Oder die großen Entertainer (von Charlie Chaplin bis Donald Duck), und die kleineren (wie Micky Mouse und Mainzelmännchen), die ihre Popularität auch der naiven Magie des Stabreims verdanken.
Leider ist es nun allmählich so weit, daß man den Stabreim vor den Stabreimern retten muß. Es gibt keine schmutzigen Wörter; wohl aber gibt es bis zur Unbrauchbarkeit verschmutzte – „frustriert“ war so ein Wort, „entfremdet“ ein anderes, „Nostalgie“ ist das neueste. Bald wird auch der Stabreim unbenutzbar sein – von einem Kunstmittel zum öden Routinetrick heruntergekommen.
Benjamin Henrichs
a.a.O.