Wie 'Integration' geht, diese Frage stellt sich seit Langem, und sie stellt sich zunehmend dringlicher.
Oft wird dabei betont, die Neuankömmlinge hätten sich -gefälligst- den Gegebenheiten ihres 'Gastlandes' anzupassen.
Das kann schwierig sein, selbst dann, wenn man die Landessprache besser und besser versteht. Denn hinter den Vokabeln steht viel -fremde- Lebensweise und Kultur. Wörter sind zwar die Henkel, an denen man die Dinge anfassen, sie begreifen kann, wie ein deutscher Dichter einmal sagte. Aber Wörter allein reichen zum Verstehen nicht aus, wenn die Vermittlung von Inhalt, Wertung und Kontext ausbleibt.
Es liegt daher auch an uns, wie schnell und wie gut Migranten bei uns klarkommen.
Die CSU fordert einen extra TV-Kanal für Flüchtlinge und stößt damit auf streckenweise harsche Kritik:
ZitatAlles anzeigen"Integrationsfernsehen": CSU fordert TV-Kanal für Flüchtlinge
Die Diskussion über Transitzonen ist noch im vollen Gange, da prescht die CSU schon mit dem nächsten Wunsch in Sachen Flüchtlingen vor: Ein Fernsehsender soll den Zuwanderern "unsere deutsche Leitkultur" vermitteln.
Die CSU fordert einen öffentlich-rechtlichen Flüchtlingskanal. Generalsekretär Andreas Scheuer rief ARD und ZDF auf, ein "Deutsches Integrationsfernsehen" ins Leben zu rufen. "Integration ist die Mega-Aufgabe für die ganze Gesellschaft, zu der auch die TV-Anstalten ihren Beitrag leisten müssen", schrieb er in einem Brief an den ZDF-Intendanten Thomas Bellut und den ARD-Vorsitzenden Lutz Marmor. Über das Schreiben berichteten die "Bild"-Zeitung und die Nachrichtenagentur dpa.
Mit Mitteln aus den knapp 1,6 Milliarden Euro Überschuss aus dem neuen Rundfunkbeitrag, die zurzeit auf Sperrkonten liegen, sollen die Sender nach Vorschlag Scheuers den Kanal finanzieren. "Dieses Angebot muss Sprachkurse, Grundgesetz-Unterricht, Informationen für das Leben in unserem Staat und in unserer Gesellschaft, Dokumentationen über gelungene Integrationsprojekte und selbstverständlich die Vermittlung unserer deutschen Werte und unserer deutschen Leitkultur umfassen."
Die Gewerkschaft Ver.di wies den Vorstoß zurück. "Ein eigenes Programm, das eine wie auch immer definierte deutsche Leitkultur vermitteln soll, ist als mediales Ghetto zum Scheitern verurteilt", sagte der Bundesvorsitzende der Fachgruppe Medien in Ver.di, Manfred Kloiber. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat keinen Erziehungs-, sondern einen Bildungsauftrag. Dem kommen ARD, ZDF und Deutschlandradio am besten nach, indem sie sich auf allen Kanälen intensiv und kritisch mit dem Thema Migration auseinandersetzen." Kloiber hob in dem Zusammenhang die neuen Programme von ARD, ZDF und Deutschlandradio für Migranten lobend hervor.
Auch die Grünen im bayerischen Landtag halten nicht viel von dem CSU-Vorschlag. "Die Kultur eines Landes lernt man gut kennen, wenn man auch dessen Fernsehprogramm ansieht. Ein Leitkultur-Erziehungskanal für Migrantinnen und Migranten ist deshalb schon per se nicht integrationsfördernd", sagte die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause. "Zumal wir die Menschen schwerlich zwingen können, dieses Programm auch einzuschalten - so wenig, wie Herr Scheuer sie vor Jahresfrist zwingen konnte, zuhause deutsch zu sprechen." Mit dem Vorschlag, Einwanderer sollten dazu "angehalten werden", zu Hause Deutsch zu sprechen, hatte die CSU im Dezember 2014 Hohn und Spott auf sich gezogen.
kev/AFP/dpa/Reuters
Dabei ist die Idee vom Integrationskanal durchaus nicht neu.
Der Nachrichten-Sender n-tv macht schon seit einiger Zeit vor, wie so etwas praktisch gehen könnte.
Auch die Deutsche Welle bietet ein ausführliches online-Programm, das sich gezielt an Migrationswillige und Flüchtlinge richtet.
Dieses hat die FAZ genauer betrachtet:
ZitatAlles anzeigenDeutsche Welle und Flüchtlinge
Es liegt an euch, dass ihr nicht fremd bleibt
Die Deutsche Welle erreicht mit ihrem Online-Angebot Millionen Menschen, die von Deutschland träumen. Die Sonderseiten für Flüchtlinge beschönigen nichts. Sie beginnen mit zehn Geboten.
22.10.2015, von Matthias Hannemann
© dpaUntergebracht, aber längst nicht angekommen sind auch diese Flüchtlingskinder in einer ehemaligen Kaserne in Heidelberg.
Zehn Dinge sind es, die ein Flüchtling bei der Ankunft in Deutschland im Blick halten soll: Fürs Arbeiten braucht es eine Arbeitserlaubnis. Wer arbeiten darf, muss Steuern bezahlen. Kinder darf man nicht schlagen. Schule ist Pflicht. Pünktlichkeit zählt. Im Supermarkt wird nicht gefeilscht. Tag und Nacht hat man leise zu sein. Nachbars Katze wird nur vom Nachbarn gefüttert, Nachbars Kind nur vom Nachbarn geküsst. Und selbstverständlich: „Don’t wash your car on the street.“ Beim Umweltschutz verstehen die Deutschen keinen Spaß.
Ob man mit diesen zehn Geboten weit kommt? Die Liste findet sich jedenfalls auf einer polyglotten Sonderseite im Internet, mit der die Deutsche Welle dem Umstand Rechnung zu tragen versucht, dass ein Teil ihrer Zielgruppe über die Flucht nach Deutschland nachdenkt - oder schon im Land der Schilderwälder angekommen ist. Sie nennt sich „Erste Schritte in Deutschland“. Womit die Deutsche Welle, der Auslandskanal, der beim Thema Flüchtlinge unlängst eine enge Kooperation mit den ARD-Rundfunkanstalten vereinbarte, stärker im Inland mitzumischen beginnt.
Aber warum denn auch nicht? Das vielsprachige Nachrichtenangebot, das die Welle fürs Ausland produziert, kann sinnvoll ergänzen, was die bei WDR, RBB und Radio Bremen angesiedelte Redaktion von „Funkhaus Europa“ als mittägliches „Refugee Radio“ oder der Privatsender n-tv mit der arabischsprachigen Wochensendung „Marhaba - Ankommen in Deutschland“ auf die Beine gestellt hat. Alles hilft, was Deutschland solide erklärt.
„Deutschland von A bis Z“
Das Willkommensportal für Asylsuchende, das von der Deutschen Welle Ende September auf Arabisch, Dari, Paschtu, Urdu und Englisch online gestellt wurde, besteht dabei keineswegs nur aus den nonchalant zusammengestellten „Zehn Dingen, auf die man in Deutschland achten sollte“, sondern aus ausführlichen, mit weiterführenden Links versehenen Texten zu Asylrecht, Grundgesetz, Geschichte, Kultur und medizinischer Versorgung in Deutschland.
Dazu ein Glossar „Deutschland von A bis Z“ („Armee, Asyl, Auschwitz, Auto, Bildung, Christentum ...“), die augenzwinkernde Kultur-Betrachtung eines deutsch-marokkanischen Komikers sowie ein von Jaafar Abdul Karim, dem Moderator der populären Talkshow „Shabab Talk“, verfasstes Editorial, das auffallend klare Ansagen macht.
„Ahlan wa-sahlan, willkommen in Deutschland! Eure Flucht ist zu Ende, hier seid ihr in Sicherheit“, beginnt er und schreibt Sätze wie: „Jetzt liegt es auch an euch, dass ihr nicht fremd bleibt in diesem Land.“ Oder: „Importiert keine konfessionellen Spannungen, ethnischen Konflikte oder politische Unterdrückung nach Deutschland.“ Und: „Ihr lebt jetzt in einem anderen Wertesystem, das ihr respektieren sollt, damit wir alle hier friedlich zusammenleben können.“
Er verschweigt nicht, dass die „bisher unbekannte Willkommenskultur“ in Deutschland schnell wieder kippen kann, erwähnt die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und fordert seine Leser dazu auf, den „sogenannten besorgten Bürgern, die euch gegenüber skeptisch sind“, zu beweisen, „dass sie falschliegen“. In seiner Klarheit und Ausgewogenheit ist das bemerkenswert.
Beiträge ohne Schnörkel
Das gilt auch für den weitaus kühleren Ton, der jene Sonderseiten beherrscht („Fakten statt Mythen“), die eigens für Asylsuchende aus den Balkan-Ländern gebaut wurden. Hier wurde das Editorial von Verica Spasovska verfasst, der Leiterin der Nachrichtenredaktion Online, und sowohl ihr Text wie die anderen Elemente der Seite betonen, wie gering die Chancen für Asylbewerber vom Balkan sind, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen. Selbst in dem optimistischer gehaltenen Beitrag „Legale Wege in den Arbeitsmarkt“ heißt es ohne Schnörkel zu Anfang: „Ein Recht auf Asyl, weil man eine Arbeit sucht, gibt es nicht.“
Das erinnert ein wenig an die Aufklärungskampagnen, mit denen deutsche Behörden seit dem Sommer Menschen vom Balkan vom Treck nach Deutschland abzubringen versuchen. Allerdings entstand die Idee für die Serviceseiten, erklärt Verica Spasovska, beim Sender im Gespräch mit Fremdsprachenkollegen, die von den Gerüchten und „falschen Vorstellungen und Erwartungen“ berichteten, die unter Flüchtlingen kursieren: „In dieser Lage“, sagt sie, „wollten wir journalistisch sauber beschreiben, wie der Sachstand ist. Ohne etwas zu beschönigen.“
Wobei auch dort auf die umfangreichen Online-Sprachkurse der Deutschen Welle verwiesen wird. Ohne Deutsch, vermitteln die Sonderseiten, wird das nichts: „Bitte lernt die deutsche Sprache so schnell wie möglich“, schreibt Jaafar Abdul Karim: „Es ist eine schöne Sprache, und sie ist der Schlüssel zur deutschen Gesellschaft, zu eurer neuen Heimat.“
Der Sender geht davon aus, mit seinem Internetangebot weltweit zweiundzwanzig Millionen Nutzer pro Woche erreichen zu können, vier Millionen davon im arabischen Raum. Aus dem Inland wurde die arabischsprachige Ausgabe der DW-Website im September 310.000 Mal angeklickt.
(FAZ)
Warum also nicht hierzulande einen zusätzlichen TV-Kanal anbieten, der sich speziell an Zuwanderer richtet und ihnen mit Sprachunterricht und gezielten Informationen konkrete Starthilfe zu Leben, Alltag und Kultur im neuen Land gibt?