Freitag, 12., September 2014. Dienstliche Besprechung in
Düsseldorf. Die Lebensgefährtin und ich wissen um die möglichen
Verkehrsprobleme zu dieser Tageszeit und vor allem um die miserable Parkplatzsituation
beim Büro des Geschäftspartners.
Wir starten also mit der S11 Richtung Düsseldorf-Wehrhahn.
Im Raum Neuss steigen u. a. 2 junge Damen zu und besetzen die beiden bislang
freien Plätze neben uns. Der nun anhebenden Unterhaltung vermögen wir uns nicht
zu entziehen.
Es ist dem Gespräch zu entnehmen, dass die Beiden im Vorjahr
ihre Abiturprüfungen mit Erfolg abgelegt haben und nun irgendwelche weiter
führenden Maßnahmen zur Weiterbildung belegen. Na ja, es sei ja ganz cool, wenn
man einen Tag in der Woche zu arbeiten habe, aber die ganze Zeit? Nein, so was
von ätzend! Als supertoll empfand die Eine jedoch die Tatsache, dass Teile
ihrer Lehrerschaft eine einwöchige Weiterbildung habe belegen müssen. Den
Ersatzkräften sei es herzlich egal gewesen, ob und wer da zum Unterricht käme.
Ob sie sich am Unterricht, sofern überhaupt zugegen, beteiligt hätte, habe
ebenfalls niemanden interessiert. Sie habe daher erst einmal ordentlich
ausgeschlafen und sei erst später zum Unterricht gestoßen. Die Woche sei so
richtig schön chillig gewesen. Schade, dass nun heute der letzte Tag sei.
Worauf man sich den Urlaubsplänen zuwandte. Nein, in
Kroatien sei sie noch nicht gewesen, bekundete eine der Ladies. Sie habe jedoch
gehört, wie geil es dort sei. Jetzt müsse sie nur noch ihren Freund davon
überzeugen. Der sei zwar soweit i. O., habe jedoch den Makel, dass er arbeite -
und noch dazu zwei Jobs habe. Unter dieser Belastung leide natürlich die
Beziehung, und so sei es nicht sicher, ob das noch lange halten werde.
Immer noch im Raume Neuss stiegen die Beiden wieder aus. Ich
hatte zwischenzeitlich die befremdlich anmutenden Kulleraugen meiner Lebensgefährtin
gesehen, der wohl die eine oder andere Bemerkung auf der Zunge lag. Sie, die
nach einer durchwachsenen Mittleren Reife heute den Innendienst einer örtlichen
Autovermietung leitet, murmelte aber nur etwas von „Abiturienten“.
Am Samstag erzählte ich meinem 19jährigen Sohn die Story. Er
hat gerade sein zweites Lehrjahr zum Koch in einem Nippeser Restaurant
begonnen. Allerlei Umwege und Hindernisse hatten ihn bis vor 2 Jahren die Förderschule
am alten Heimatort besuchen lassen. Als Einziger seiner Klasse erreichte er
einen zudem recht ansprechenden Hauptschulabschluss. Erneut blickte ich bei
meinem Kurzbericht in Kulleraugen. Diese „Schnepfen“, so sagte er, würde er
gern einmal eine Woche lang im Lokal haben. Danach würden sie wohl wissen, was
Arbeit sei.
Und auch ich musste zurück denken. Erst Ende Juni war ich zum
Treffen meiner alten Klasse, 35 Jahre nach unserem Abitur. Dies sind die Tage,
an denen vergangene Jahrzehnte irgendwie zusammen zu schmelzen scheinen. Hatten
wir damals Flausen im Kopf, gingen wir im wohligen Gefühl des schulischen
Erfolgs auch mit teils unrealistischen Vorstellungen auseinander? Hallo, aber
gewiss! Und trotzdem: selbst die Klassenkameraden, die ihren Abschluss
vergeigten, waren nicht dermaßen naiv zu glauben, dass das Leben nicht etwa
Mühe und Arbeit mit sich bringen würde.
Die Begegnung im Zug mutet mir irgendwie surrealistisch an. Ist
das die Generation, die dereinst meine Rente aufbringen soll?
Es wird wohl Zeit, auszuwandern. Gute Nacht, Deutschland!