Gruppenbild mit Dame

  • Aus der Reihe 100 Meisterwerke


    Eine Frau, Mitte 40 bis 50, schaut in die Ferne. Sie ist feminin gekleidet,
    scheint dem mittleren Bürgertum anzugehören und blickt etwas nachdenklich drein.


    Doch der Hintergrund und die Farbkomposition des Bildes erwecken den Eindruck des Provisorischen.


    Bedeutet dies, dass auch ihre Existenz etwas Fragmentarisches hat? Versucht sie, mit ihrer klassisch-dezenten
    Garderobe ein Gegengewicht zu den auf den ersten Blick ungeordneten Farben um sie herum zu bilden? Ein letzter Rest von Bürgerlichkeit in einer Welt, in der es keine Regeln mehr gibt? In der ein Mann nicht mehr weiß, was es bedeutet, wenn die Dame vor ihm ein Taschentuch fallen lässt?


    Interessant auch die Reaktion der Menschen. Geschickt versteht es der Künstler, Michael S., das Publikum miteinzubeziehen. Die eher jüngeren Museumsbeucher scheinen die schlimmsten Befürchtungen der Genderforschung zu bestätigen: Die Männer blicken auf das Bild, während die Frauen sich eher einen anderen Werk zuwenden.


    Interessieren sich die Männer für die bestrumpften Beine der unbekannten Frau, die ein Etuikleid trägt, das beim Sitzen wohl etwas hochgerutscht ist? Kommt hier ein sinnliches Verlangen zum Vorschein, das durch die klassisch-dezente Kleidung eher noch betont wird?


    Gruppenbild mit Dame bedeutete für Michael S. den Durchbruch. Er ließ die Fettecken hinter sich und überwandt den lustfeindlichen Feminismus einer Verona Kick. Gruppenbild mit Dame zeigt eine Frau, die Frau sein will und doch autonom ist.


    Die ihren bürgerlichen Habitus auch in einer postmodernen Risikogesellschaft demonstrativ betont,
    auch wenn sie weiß, dass kein Kavalier mehr ihr Taschentuch aufheben wird.

  • Dem ungeübten Vernissage-/Finissagebesucher mag es so scheinen, als dass die abgebildeten Besucher eher zufällig -oder gar unter Eventzwang?- in den Ausstellungsraum geraten sind. Oder ist hier vielleicht das Thema "OEuvre und BesucherInnen" kongenial umgesetzt worden?
    Gehören diese Menschen nicht in Wahrheit zu einem gestalterischen Gesamtkonzept, einem 'Alles ist Kunst - sei dabei' sozusagen?


    Markant erscheint selbst dem ungeübten Betrachter die Unterschiedlichkeit dreier weiblicher Personen.
    Zentral die elegante, nach links gewandte Frauen-, was sage ich, Damengestalt des großformatigen Gemäldes.
    Davor, einem Schattenriss gleich, die dunkle Silhouette einer nach rechts schreitenden Frauenfigur, welche quasi die Verbindung herstellt zur nahe der Ecke stehenden dritten Frau - ein breitbeinig geerdetes, figürlich ausladendes Weib. Fast möchte man meinen, eine lebende 'Nana' zu erblicken.
    Hier werden die Farben des Gemäldes aufgegriffen,
    werden Gelb-, Blau- und Rottöne zitiert.
    Aber welch ein Kontrast!
    Nicht etwa die bewusst zurückhaltende Eleganz der Dame im Bild ist hier vertreten, nein, eindringlich,
    fast ungestüm leuchten die Farbzitate als Kontrapunkt und heben das zentrale Gemälde umso stärker hervor.
    Eleganz, Bewegung und Unbekümmertheit, welch ein Reichtum an Weiblichkeit, den uns der Künstler durch die betont konträre Inszenierung der drei Frauengestalten vermittelt!


    Summa sumarum ist dieses 'sei dabei' ein begrüßenswertes Highlight der aktuellen deutschen Kunstszene - Sehen!!


    PS
    Eine persönliche Bemerkung sei an dieser Stelle gestattet: Etuikleider haben der Verfasserin zu keiner ...öhm... Mondphase konveniert und Kunstkritiken findet sie meist bescheuert, die eigenen eingeschlossen. ;)

  • Kunstbetrieb und Kunstkritik? Dazu passt:


    Wie man in Düsseldorf eine Kunstausstellung eröffnet!


    Wer Sorgen hat, hat auch Likör
    Wer Haare hat, muss zum Friseur
    Wer christlich denkt, ist auch gekämmt
    Noch wenn die ganze Welt verbrennt
    Und alles, was da kreucht und tritt
    Mit!


    Beispielsweise:
    Gelbe Tulpen und Neurosen
    Uniformen, Herbstzeitlosen
    Zarte Birken und Napalmen
    Säufer an schwankenden Halmen
    Elektronengehirne
    Die Nachbargestirne –
    Jetzt auch in Dosen
    Nebst anderen Chosen –
    Cogito, ergo consum –
    Heimat, wie bist du so dumm!


    Aber lassen wir Fleischsalat und Streusalkuchen weit hinter uns
    Werfen wir einen zeitgenießerischen Blick auf die Kunst – auf die ganz moderne!


    Neonbeleuchtung wie Buttercremetorte
    Rheinische Spätavantgarde!
    Stirnseite des Saales ein zentrales Werk
    Ganz in Zartweiß gehalten, uni –
    Die Wirkung des reinen Lichtes!


    Ein erlesenes Publikum, bereit, sich dahinter führen zu lassen – ebenfalls uni!
    Wir leben ja nicht in der sogenannten ...
    Wir alle zahlen Freiheitsungskosten ...
    Der Herr trägt in dieser Saison »Mercedes-Benzyniker«, »Wandaktionährstand«,
    Die Dame gibt sich interessiert, aber nicht zu sehr – sie weiß, was die Anderen nicht wissen:
    In jedem Fremdwort lauern Gefahren!


    Seriosität seriell – das muss man einfach wissen!
    Verwechslungen mit »sehr reell« oder gar »Sellerie« sind erst ab 40% Marktanteil verzeihlich!


    Ein gegenstandsloser Intellektueller behält den Mantel an
    Im Gesicht sektierischer Ernst, im Glas: Obstschaumwein –
    Aber sonst monomanikürtes Betragen!
    Unvermittelt fragt er seine Nachbarin, Op-Art Pop-Art sei!
    Die Dame scheint verwirrt und errötet –
    Übrigens eine ungemein zobelaussehende, schwer bestoladene Dame, ganz in Zartblond gehalten – uni!


    Der Künstler ist noch nicht erschienen –
    Der immense Auftragsbestand!
    Die gesellschaftlichen Verpflichtungen!
    An besonders harten Tagen lässt er einen streichen, einen Lohn-Schüler –
    Das Engagement in der Kunst!


    Aber jetzt erscheint er doch!
    Waschbärtig, abgegriffen, askesebleich
    Ein offenes Gespräch wird inszeniert
    Ein Monoloquium in freiheitlicher Assoziationstechnik: Kremserweißheiten!


    Zur gleichen Zeit wird auf der südlichen Hemisphäre ein Vietnamese von amerikanischem »Tränengas« getroffen –
    Und verbrennt!
    Darauf spielt der Künstler an:
    »Angesichts solcher Zufälligkeiten in der modernen Welt
    Darf ich als Künstler einfach nicht ins Gegenständliche abrutschen!
    Ich male, was ich fühle!
    Ich konfrontiere das Publikum mit dem reinen Nichts.
    Das möchte ich als Protest verstanden wissen
    Gegen die pluralistische Gesellschaft
    Gegen die politischen Fragen – wenn Sie so wollen!«


    Verschlissene Traurigkeit senkt sich über die Anwesenden –
    Aber irgendwie gemütlich!
    Anschließend gehts in die »Neurotica«
    Kleine Feier mit der Presse, ein wenig rustikalauern, Substanzvergnügen!
    Der Meister und seine Klemptomanschaft mitten im Ikonoklastenkampf!
    »Gerade in der Asche finden sich Formen, die es sonst nirgendwo ...«
    »Alles Dekorativstapler!
    Eben is er aus dem Kitschen raus, gleich fängt er wieder an ...«
    Gemeinsames Schlußkommuniqué:
    Der Marx unbewohnbar fuisse dicitur!


    Wer Staaten lenkt, der hat es schwer
    Wer Sorgen hat, braucht Militär
    Gesetzt den Verteidigungsfall –
    Wer nicht gern stirbt, wird General!
    Und alle gehen ohne Tritt
    Mit!


    Beispielsweise:
    Schnapsvertreter, blaue Bohnen
    Feldhaubitzen, Diakonen
    Oberförster und Faschisten
    Informelle und Tachisten!


    Und wenn er fällt, dann beißt er
    Die halbgroßen Geister –
    Jetzt auch in Tüten
    Mit eisernen Hüten!
    Subito, ergo bummbumm!


    Heimat, wie liegst du so krumm!

    (Dieter Süverkrüp - Grafiker, Sänger und Liedermacher)

  • Nach den eher despektierlich-ironischen Betrachtungen zu Kunsteventpublikum und Kritikerpirouetten
    -deine Vorlage forderte einfach dazu auf, Katharina
    - ;)
    jetzt mal ernsthaft ein deutliches 'Daumen hoch!' für die Fotos, die du hier eingestellt hast.
    Ich mag verrückte Ideen und diese jecken Verfremdungen gehören dazu.


    Nebenbei bemerkt bestaune ich immer wieder, was man inzwischen mithilfe von Bildbearbeitungsprogrammen alles anstellen kann.
    Aber Technik ist nur die eine Seite, Kreativität und (Selbst-)Ironie eine andere...
    :thumbup:

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