Bilitis oder die freie Liebe in den 70ern

  • Selbst bei satirischen Texten über die siebziger Jahre wird mir manchmal schlecht.


    Diesen Mief der Adenauerjahre habe ich ja nicht erlebt; was ich in der Glosse von sphinx gelesen habe, kenne ich aus Schilderungen meiner Lehrer zu Beginn der achtziger Jahre. Und die fanden solche Rituale anscheinend im Rückblick noch gut. Ja, Diskussion im Plenum.


  • Zitat

    Selbst bei satirischen Texten über die siebziger Jahre wird mir manchmal schlecht.

    Erzähl mal genauer, was ist es denn im Einzelnen, das deinen Magen so revoltieren lässt?


    Vor die Wahl gestellt zwischen -klischeehaft überspitzt- 70er Jahre Sex+Politics+Rock-n-Roll Turbulenzen und der Aids-Angst+Porno+Shoppen+youtubeFreundschaften Lebensweise späterer Dekaden wünschte ich den heutigen Youngsters nämlich eine gute Portion 70er Jahre. ;)


  • Selbst bei satirischen Texten über die siebziger Jahre wird mir manchmal schlecht.


    hmm, lass mal schauen .. ich hab hier noch eine Kotztüte rumliegen, für alle Fälle ... verstehen tue ich deine Ressentiments nicht ganz. Grade dir hat doch die Debatte um Sexualität und der damit verbundene Aufbruch mancher Tabus heute Möglichkeiten eröffnet, von denen man in den 60zigern soweit entfernt war wie in der Steinzeit von Elektrizität.

    Liebe - schon das Wort hört sich kitschig an - in meinen Augen.

    Diesen Satz hätte ich in meine Glosse noch gut einbauen können. Oft gehörtes Statement, genau aus dieser Zeit.

    was ich in der Glosse von sphinx gelesen habe, kenne ich aus Schilderungen meiner Lehrer zu Beginn der achtziger Jahre. Und die fanden solche Rituale anscheinend im Rückblick noch gut. Ja, Diskussion im Plenum.

    Die Glosse ist ein Mix aus eigener Beobachtung und wilden Geschichten die in den 80zigern im studentischen Umfeld (meine Zeit, kann nur von dort sprechen, andere Umfelder kannte ich nicht) noch existierten.
    Ob diese Geschichten wirklich stimmten und wieweit sie übertrieben wurden, kann ich nicht beurteilen. Ich denke die Medien haben zum Mythos der sexuellen Revolution und des wilden Kommunenleben das ihrige beigetragen. Ich nehme mal an, dass auch der Durchschnittsstudent 68 nicht alle Exzesse mitgemacht hat. Die Verantwortung vor dem Plenum war wohl üblich in kommunistisch orientierten Kreisen, sprich KPD-organisierten WGs.

    In den Anfängen bis Mitte der 80ziger, von denen wir hier reden, hatten sich diese Leute aus 68 und deren Theorien aber doch nicht in Luft aufgelöst.
    Es gab in meinen WG's immer wieder Leute, die gut 10-15 Jahre älter waren und die uns "dumme", unpolitische, jüngere Generation meinten aufklären zu müssen. Natürlich fanden die sich toll dabei. Wer "unpolitisch" war, wurde heftigst angegangen, auch in den 80zigern, der Schmidtära&BaaderMeinhofzeit. Die politischen Ideen von Kommunismus und Anarchie wurden in dieser Zeit noch intensivst diskutiert und verglichen mit dem "existierenden" System. Viele waren auf der Straße, ich erinnere noch gut Startbahn/West (Rhein/Main Herbst 81). Wir standen doch auch unter dem Eindruck der Ereignisse, das war immer noch eine prägende Zeit egal welcher politischer oder ob überhaupt einer politischen Couleur. Nein, mich überkommt bei der Rückschau kein Ekel, höchstens dabei wie versucht wird mit dieser Zeit heute FingerzeigPolitik zu machen.


    Zur Pädophilie:
    Die in dem Zeitartikel beschriebenen Theorien von Freud und Reich zur Sexualität, gehörten zum allgemeinen "Wissensgut", ohne dass man diese gelesen haben musste. Wurden sie widerlegt? Ich weiß es nicht. Mich wundert nur, dass das heute niemand mehr zu wissen scheint, und jetzt mit der aktuellen Entdeckung pädophiler Tendenzen dieser Zeit, einzelne die belegbar für diese Theorien eingestanden sind mit einem moralischen Fingerzeig und lautem pfuibäh in die Schämecke, mehr noch in eine üble Verbrecherecke gestellt werden.


    Sich an Kindern zu vergehen, ist ein Verbrechen. Die in dem Zeitartikel (den ich im Beitrag vorher verlinkt habe) gemachten Erziehungsversuche, gehen weit auch über meine Schamgrenzen hinaus. Trotzdem kann ich Ansätze wiedererkennen, die auch in den 90zigern noch Allgemeingültigkeit hatten. Nabokov stand im Schrank vieler unserer Väter. Keiner hat sich damals gerührt, weder die Jungen noch die Alten. (man belehre mich gerne eines Besseren).

    Zitat

    Aids-Angst+Porno+Shoppen+youtubeFreundschaften Lebensweise späterer Dekaden wünschte ich den heutigen Youngsters nämlich eine gute Portion 70er Jahre.

    :) geht mir genauso.

  • Zitat

    Wir standen doch auch unter dem Eindruck der Ereignisse, das war immer noch eine prägende Zeit egal welcher politischer oder ob überhaupt einer politischen Couleur. Nein, mich überkommt bei der Rückschau kein Ekel, höchstens dabei wie versucht wird mit dieser Zeit heute FingerzeigPolitik zu machen.

    Jo, einerseits legalisierter -und für den Staat äußert lukrativer!- 'Flatrate-Sex', dazu brutalste Pornoseiten, die für Internet-Nutzer jeden Alters durch simplen Klick zugänglich sind und andererseits schwappende Moralinsäure, die derzeit durch den Wahlkampf ätzt und diejenigen aburteilt, die längst ihre früheren Ansichten infrage stellten oder revidierten ...
    Da wird mir nicht nur manchmal schlecht.


    Siehe auch:

    Zitat

    [....] Das Geschäft mit Erotik ist in Deutschland salonfähig geworden, käuflicher Sex gilt als "Lifestyle", und die Geschäftsmänner dahinter sind fast biedere Männer reiferen Alters, die Mercedes fahren und Maßanzug tragen und weniger über Moral nachdenken als über Finanzen und Börsengänge.
    Der Schwabe Jürgen Rudloff etwa, Besitzer der FKK-Club-Kette "Paradise", freut sich offen über die wachsende Kundschaft aus Italien, Frankreich, der Schweiz, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden. Entsprechend lukrativ seien die Geschäfte an den Grenzen. Rudloff hat vor wenigen Monaten im österreichischen Graz eine weitere Filiale eröffnet. "In Deutschland", stellt er fest, "ist das alles viel, viel einfacher".

    Quelle: Die WELT

  • Ich bin nicht nur böse, sondern auch skeptisch. Vor allem, wenn es um "gesellschaftliche Trends" geht. Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass man heute beim ersten Sex älter ist als früher?

    In den letzten Jahren habe ich immer wieder Artikel gelesen über Studien, die das belegt haben und eben auch die Ursachen dafür versuchten festzustellen. Mein derzeitiger Erkenntnisstand ist jedenfalls das der heutige Trend wieder zum späteren Sex geht und die Ursache dafür der Pornokonsum ist. Man hat selbstverständlich auch Jugendliche dazu befragt und die haben eben öfter mal angegeben, daß sie aufgrund der pornographischen Vorbilder Versagensängste kriegen und deswegen ihren ersten Sex mit einem Menschen haben wollen, dem sie vertrauen können.


    Guter Sex muss nicht unbedingt etwas mit Liebe zu tun haben, wobei ich ehrlich gesagt mit diesem Begriff nicht viel anfangen kann. Guter Sex beinhaltet für mich auch, bei einem One-Night-Stand den Bett- oder Tisch- oder Waschmaschinen- oder Duschpartner zu respektieren.


    Liebe - schon das Wort hört sich kitschig an - in meinen Augen.

    Oha ^^


    Du scheinst also überhaupt nicht an solchen Beziehungen interessiert zu sein? Damit gehörst du für mich zur Sportfraktion. Das entspricht nicht wirklich meinem naturell, außer wenn ich böse Raptexte an Mindfreak schreibe :)


    Wie darf ich dich sexuell denn genauer einordnen? Ich weiß nämlich garnicht auf welches Geschlecht du eigentlich stehst.

  • Ist das nicht immer noch so?
    Oder kennst du ernsthaft Mütter, die ihre Töchter (oder gar Söhne 8| ) offen in Fragen der Sexualität und Liebesbeziehung beraten?
    Wer Glück hat, findet vielleicht eine Tante oder ältere Freundin als Vertrauensperson oder hat eine unangepasste Oma, die ihre Schamgrenze überwindet und Weisheiten ausplaudert...


    Keine Ahnung, ob es in anderen Gesellschaften anders abläuft, aber so wie ich das sehe, ist bei uns das Schweigen trotz aller Tabubrüche immer noch ausgeprägt.

    Kann ich bestätigen. Deutsche Eltern sind wirklich sehr verklemmt, wobei mittlerweile eine Generation von Eltern heranwächst, die das Thema auch ihren Kindern gegenüber viel lockerer angeht. Meinen Eltern hingegen treiben Sexwitze immer noch Schamesröte ins Gesicht. Für die ist Sex noch schmutzig und versaut. Masturbation ein tabu. Und das obwohl sie zur Generation nach 68 gehören.

    Mir persönlich die Freiheit.

    Interessant. Das haben bisher die wenigsten Frauen geantwortet. Meistens suchen Frauen doch eher nach einer Konstante im Leben. Allerdings rede ich dabei über Frauen in meinem Alter.


    Ich stelle mir da eben die Frage, ob es allgemein nicht vielleicht doch besser wäre sexuell freizügig sein. Die Antwort von dir und die übliche Antwort stammen aus zwei unterschiedlichen Lebenswelten. Heutige Mädchen/Studentinnen erleben eben nicht mehr eine solche Atmossphäre, wie es damals gewesen sein soll. Wenn ich Drogen kaufe besuche ich deswegen auch schonmal eine Kommune. Deren Gemeinschaftsleben erinnert mich aber nur noch bedingt an die Zustände, die in den 70ern gewesen sein sollen.


    Echt schwierig, da einen Vergleich zu ziehen, da kaum jemand beide Realitäten kennt.


    Das muss doch jeder für sich selbst herausfinden und beantworten, weil jeder anders ist. Ich kann dir auch nur sagen, dass Schokolade süß schmeckt, ob du sie verträgst, wieviel davon, ob sie dir überhaupt schmeckt und welche Sorte am besten, wirst du nur herausfinden, wenn du sie ißt :)

    Tja das Problem ist, daß ich die Zeit verpasst habe, wo ich all das hätte rausfinden können. Deswegen bin ich da auf die Erfahrungen anderer angewiesen. Es hat sich für mich auch nie die Gelegenheit ergeben. Solche Sexualgemeinschaften gibt es heute so gut we garnicht mehr. Frauen haben auch immer weniger Interesse daran.


    Aber gut, es wurde von euch nun schon oft gesagt, daß es vielleicht doch nicht so toll war. Das war eine Experimentierphase und das was wir heute an sexueller Norm entwickelt haben ist das Ergebnis dieses Experiments. Trotzdem denke ich ständig an Sex mit anderen Frauen, muss es aber dann beim Masturbieren belassen.


    Nicht einmal in den Puff darf man gehen. Schon blöd irgendwie ^^
    Als ob heutige Frauen Angst haben, daß man sich in eine Prostituierte verliebt. Die sexuelle Freiheit hat irgendwie keine emotionale Sicherheit gebracht.

  • Und das obwohl sie zur Generation nach 68 gehören.

    Das will nichts heißen. Seit 68 sind viele Generationen durch. du unterscheidest selten in den Altersgruppen über dir. Du könntest außer nach Alter vlt. noch nach beruflicher Ausrichtung unterscheiden. Die Studentengeneration, die auf unsere folgte war viel karrierebesessener.

    Wenn ich Drogen kaufe besuche ich deswegen auch schonmal eine Kommune

    :) Kommune? Ist doch out das Wort. Wo tust du die denn auf? Das sind doch heute alles WG's genau wie zu unserer Zeit schon. wirtschaftliche Zweckgemeinschaften.
    Oder?

    Solche Sexualgemeinschaften gibt es heute so gut we garnicht mehr. Frauen haben auch immer weniger Interesse daran.

    Sexualgemeinschaften? hab ich auch keine gekannt.

    Trotzdem denke ich ständig an Sex mit anderen Frauen, muss es aber dann beim Masturbieren belassen.

    ;)das Problem ist so alt wie die Menschheit und egal zu welchen Zeiten hat mann Lösungen gefunden, jedenfalls die die sie gesucht haben. Die haben jedoch nicht darüber nachgedacht sich digitalisieren zu lassen (wie du in einem anderen thread). Aber selbst da gäbe es Möglichkeiten :)

    Die sexuelle Freiheit hat irgendwie keine emotionale Sicherheit gebracht.

    ? wäre ja auch ein Widerspruch. You can't eat your cake and have it.

  • Kommune = fröhlich-lockere Sexualgemeinschaft?
    Das nährt sich wohl aus Bildern wie diesem und zuviel Uschi Obermeier ;)
    Wie dogmatisch die Kommunarden in ihrem 'Antispießertum' oft waren, wird dabei gern übersehen. Wer möchte schon dauerhaft auf jede Privatheit verzichten? Wir Jüngeren bestaunten die Lehre von ausgehängten Klotüren und'Allen gehört Alles' , fanden's wenig attraktiv und gestalteten die WGs deutlich anders.
    Die boten/bieten noch genug Zündstoff, wer's erlebt hat, kennt: 'Küchebadkloputzenundwiesoistderkühlschrankleer'
    :wacko::D


    In Köln gab es übrigens für kurze Zeit einen Ableger der Berliner Kommune 1, die Horla-Kommune, ich habe dazu diesen Text gefunden.
    Floh de Cologne boten Unterschlupf und machten Agitprop-Kabarett-Politrock.
    [video]

    [/video]

  • Heinz K: Wenn es dich beruhigt; ich bevorzuge Männer. Aber egal ob mit Mann oder Frau - es muss gegenseitiger Respekt vorhanden sein. .


    So viel "Spocht" treibe ich gar nicht. Es gibt wichtigere Dinge.


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