Mfg ... np? Oder doch nur Bahnhof Teil 2: Ein Blick in die wahrhaft abenteuerliche Welt des Chats.
Die ältesten Abkürzungen dienen dazu, das mühsame Schreiben per Hand zu vereinfachen -die ersten Bücher sind ja „Handschriften“-, oder aber sie erleichtern es dem Schreiber, die jeweils vorgegebene Zeilenlänge einzuhalten.
Auch der "Klammeraffe", @, lässt sich möglicherweise bis zu mittelalterlichen Handschriften, oder zu den Bestell-Listen spanischer Kaufleute des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen. Der Siegszug der "Ikone des Internets" beginnt aber erst 1971, als bei der ersten E-Mail-Adresse @ als eindeutige Trennung zwischen dem Namen und der Domaine eingesetzt wid.
@ war das einzige Zeichen auf jeder Tastatur, das so gut wie gar nicht benutzt wurde.
Abkürzungen wie „z. B. „ , „u. a.“, „sog.“, „usw“ gelten nur für die Schriftsprache, beim Sprechen werden sie wieder aufgehoben. „Abk.“ kann man nicht verkürzt sprechen, da braucht man „Akü“. Das würde man aber normalerweise nicht schreiben.
Beim Chat nun handelt es sich um eine Form der Kommunikation, die es nach herkömmlichen Kriterien gar nicht geben dürfte. Denn hier ist die Unterscheidung zwischen gesprochener und geschriebener Sprache aufgehoben: Im Chat „sprechen“ Menschen miteinander. Aber um das tun zu können, müssen sie „schreiben“. Paradox.
Im Chat geschieht genau das, was man sonst zu vermeiden sucht: viele reden durcheinander. Zwar führt das hier nicht zur Steigerung des Lärmpegels und zur Unverständlichkeit, aber es zwingt zur Schnelligkeit. Da man nicht weiß, was der andere gerade schreibt, muss man sich schnell einschalten, sonst ist möglicherweise das Thema schon durch, der Gedanke nicht mehr passend.
Da tritt die Sprachrichtigkeit zurück zugunsten von schneller Information. Gefühle werden zu Emoticons (emotion + icon), zu Smileys. Die Wortbildung „Emoticon“ entspricht dabei genau den Gepflogenheiten des Chat, in dem häufig zwei Wörter zu einem verschmolzen weden.
In dem folgenden Chat – Beispiel sind mehrere „Sprachen“ gemischt, es nehmen aber nur zwei Chatter teil ... das verstehen wir „Silversurfer“ nur noch mit Wörterbuch:-)) .
1: hey...na was läuft ?
2: hi, nit viel. hab gestern wieder n fuffi gelassen (1)
1: wth? (2) wo?
2: erst im bla und dann im bla, ka (3) wie und wann ich zu hause wa!
1: ja N1:-D (4) ! hab gestern n ruhigen gemacht. war @ 11 im bett! aber jetzt binsch (5) fit
2: GZ! ich mach mir jetzt ma n kaffee un dann werd ich sehn das ich den Tag i-wie überstehe
1: thx (6). un wat is moin mit fuppes (7)?
2: mom, kurz AFK... MOMent, AFK = away from keyboard, nicht am PC
1: kk...
2: meinst BuLi (8) oder selber zocken?
1: erst zockenn dann BuLi!
2: kk (9) N1. machema
1: k, dann bis moin um 1 aufm Platz.
2: jojo bin da, geh aber jetzt esma noch ne runde pennen^^...cya 2morro (10)
1: lol (11) kk dann ma gn8 (12) un bis moin ....cu (13)
1--->^^ : hochgezogene Augenbrauen, erstaunt / große Augen machen
2---> wth : what the hell / wtf : what the f**k
3---> ka : keine Ahnung
4---> N1 : nice1 : nice one, gute Sache, auf eine bestimmte Aktion bezogen
5---> "binsch" : zwei Wörter werden zu einem (z.B. habsch / masehn / machema / usw.)
6---> thx : thanks, danke
7---> fuppes : Fußball
8--> BuLi : BudesLiga
9--> k / kk : ok / alles klar
10--> 2morro : tomorrow, morgen
11--> lol / rofl : lachen, etwas lustig finden (laughing out loud / rolling over the floor laughing)
12--> gn8 / n8 : gute Nacht / Nacht
13--> cu / cya : see you / see ya, bis bald
Diese neue „Sprache“ wirkt zunächst wie eine Verstümmelung. Es handelt sich um „gesprochene“ Sprache, und die liest man eigentlich gar nicht.
Sie ist zugleich ein Zeichen für Sprachkreativität. Denn es werden nicht nur die bekannten Kürzel benutzt, jeder kann auch eigene Schreibweisen oder Wörter entwickeln, die innerhalb einer Gruppe dann verstanden werden. Interessant ist, dass trotz der angestrebten Kürze doch noch Füllwörter vorkommen ... man "spricht". Es handelt sich nicht um eine Form der Stenographie.
Ob die Schriftsprache dadurch wirklich beeinflusst wird, bleibt abzuwarten.
Erstveröffentlichung 11. 11. 2007