Wissen und Erfahrungen

  • ]Genosse Klauka bei den Stadtmenschen macht sich Gedanken, was aus dem Wissen und den Erfahrungen eines Menschen nach dessen Tod wird.


    Ich bin 77 und nach Ansicht der Ärzte schwer herzkrank. Ich schlucke jeden Tag - ohne jede Überzeugung - 7 verschiedene Medikamente und habe schon zweimal eine Nacht auf der Intensivstation verbracht. Ich bin kurzatmig und habe die Schaufensterkrankheit. Ich sollte mit dem Rauchen aufhören, aber ob das nach 55 Jahren noch etwas nützt? Und soll ich mich Monate quälen, nur um am Ende eine Woche länger zu leben?


    Et kütt wie et kütt.


    Nach meinem Tod werde ich entweder verbrannt oder irgendwo verbuddelt und den Würmern ausgeliefert. Beides gefällt mir nicht. Meine Seele fährt entweder gleich in den Himmel auf, wird im Fegefeuer porentief rein gereinigt oder wandert in die Hölle, wo es heiß ist und man jeden Tag schmutzige Lieder - z.B. Savas - singen muss.




    Aber da ist doch noch was. Was habe ich in der Schule gelernt? Wie war das mit der ersten Freundin? Wieso habe ich im Handball in Mülheim 2:25 verloren? Wie bin ich Berliner Vizemeister geworden?




    War das alles vergebens? Es ist richtig, keine Sau fragt mich danach. Hm, ich würde meinen Vater gern noch etwas fragen. Wie war das, als er 14/18 das erste Flugzeug gesehen hat? Wieso hat er meine Mutter geheiratet? Überhaupt meine Vorfahren. Wie sind die täglich zur Arbeit und zurück gekommen? Gab es für Pferde auch Geschwindigkeitsbegrenzungen und vor allem Parkplätze?




    Mein eigentliches Anliegen. Die Bundesanstalt für Arbeit schafft die Papierakten ab und legt auf irgendwelchen Computern 50 Mio Datensätze an. Ob sie - die Anstalt - das auch tun würde, wenn sie meine Erfahrungen hätte? Wieviele Leute hatten nach dem Krieg durch Brand- oder Sprengbomben oder Flucht alles verloren und mussten erst mal nachweisen, dass es sie überhaupt gibt. Welche Rentenansprüche hatte Frau K. erworben? Ich konnte nicht nachweisen, dass ich 1944 auf das FWG in der Lotharstraße gegangen bin. Die Schule behauptet: Da sind wir nie gewesen. Aber ich weiß es, ich kenne auch noch die Namen von 3 Lehrern. Görtz im Braunhemd, Hildegard Horcks und Schnippenkötter. Im Rechenzentrum Düsseldorf ist Anfang der 60er eine Wand umgefallen, die Magnetbänder mit Daten aus 3 Jahren waren unbrauchbar. Ich habe Super8Filme. Gut, umgestellt auf VHS, aber ich habe keinen Kassettenrekorder.Wir oft habe ich das Speichermedium gewechselt? Schwabbeldisketten beim C64, Hartdisketten bei DOS, heute CD oder externe Festplatten. Und wann sind die überholt?




    Ob das alles die Bundesanstalt für Arbeit weiß???

  • Fehlt da nicht irgendwie der Schlusspunkt. Es gibt doch überhaupt keine Spekulation darüber was mit den Erfahrungen nach dem Tod passieren soll, es werden lediglich ein paar belanglose Erfahrungen aufgezählt. Ich versteh den Sinn dahinter nicht.

  • es werden lediglich ein paar belanglose Erfahrungen aufgezählt. Ich versteh den Sinn dahinter nicht.


    Nun gut. Als ich 1959 die Ausbildung beendete, wurde bei den Fermeldezeugämtern gerade das Lochkartenverfahren eingeführt. Das war viel mehr als ein mickriger Relaunch, das war so was wir die Erfindung des Buchdrucks. Das Fermeldezeugamt Saarbrücken war zuerst mit der Umstellung fertig und wurde Musteramt.


    Wochen später trafen wir uns zu einer Tagung in Darmstadt. Der Saarbrücker Kollege führte das große Wort. Abends beim inoffiziellen Teil gab er dann lachend zu, dass sie das alte Verfahren gar nicht abgeschaltet hatte. Man war vorsichtig und hatte die 5 Karteikräfte wie bisher schwarz weiterarbeiten lassen. Alles wurde früher erst mal gründlich erprobt.


    Ich würde die Papierakten nicht schreddern lassen, sondern erst mal in einem Bergwerk oder so lagern. Und ich würde keine Studenten bei der Umstellung einsetzen.


    Ich wette, in Kürze gibt es mindestens 1 Mio Problemfälle. Was macht man mit einem, der am 31. Februar geboren oder 2055 geboren ist. Lacht nicht, das alles gab es schon. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als es noch keine Ampeln gab. Links gucken, rechts gucken, husch husch rüber. Ich verlasse mich doch nicht auf eine grüne Ampel. Und wenn es pfeift, schmeiße ich mich in den Dreck. Ich habe immer einen Notgroschen und eine Lebensmittelreserve. Schwangere haben immer das Köfferchen gepackt.


    Was wären wir ohne Wissen und Erfahrungen?




    Das meine ich.

  • Nach meinem Tod ist das alles unwiederbringlich verloren.


    Jetzt kann man darüber diskutieren, ob das wichtig oder unwichtig ist. Vielleicht habe ich mal eine Erfindung gemacht, von der ich selbst nichts weiß. Welches Wissen haben Michelangelo und Kopernikus mit sich ins Grab genommen.


    Ich habe ihn zwar nicht erfunden, aber ich weiß, dass es ihn gab, den [url=http://de.wikipedia.org/wiki/Wankelmotor#Vorteile[/url]]Wankelmotor Und weil ich das weiß, weiß ich auch, wo man suchen muss.




    Nach meinem Archiv wird keiner suchen. Weißt Du, wie der Ordner auf meinem PC heißt? :P

  • Nö!
    Du hast anderen etwas gegeben, ihnen beigebracht und sie beeinflusst...
    Also, wat soll dä Quatsch?
    ;)


    PS
    Dein 'Archiv' wird allerdings ne Schreckenskammer sein.... :whistling: 8o

  • Ich bin doch kein Einweg-Feuerzeug.
    Hat das Jemand behauptet?


    Wenn du sagst:
    Nach meinem Tod ist das alles unwiederbringlich verloren.


    dann sag ich:
    Nö!
    Du hast anderen etwas gegeben, ihnen beigebracht und sie beeinflusst...


    Ich kann nicht sehen, dass "alles verloren" sein sollte....




  • Ich denke jeder wird seinen Beitrag für das Menschkollektiv geleistet haben. Man muss ja nicht exakt wissen, wer welchen Beitrag nun geleistet hat. Urheber sind bedeutungslos, da auch ihre Ideen nur eine Funktion entsprechen deren Variablen aus dem Menschkollektiv entstammen.


    Außer natürlich man verpflichtet sich der Kulturindustrie. Dann hat man auch nach seinem Tod noch Ruhm und Umsatz :D

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