Ein Skandal, der es nicht auf die Titelseiten geschafft hat.
Das Schwarze sind die Buchstaben, sage ich gerne scherzhaft, wenn jemand nicht genau gelesen hat. Das kann schließlich jedem mal passieren ... und es ist von mir nicht böse gemeint.
Für 7,5 Mio Deutsche könnte es aber zynisch klingen, denn sie können nur bedingt lesen und schreiben.
Etwa 7,5 Millionen Erwachsene, 14% der Erwerbstätigen, sind in Deutschland funktionale Analphabeten: Sie können zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, nicht jedoch zusammenhängende - auch kürzere - Texte. Von Analphabetismus im engeren Sinne betroffen sind etwa vier Prozent der Bevölkerung - sie können lediglich einzelne Wörter lesend verstehen bzw. schreiben. Zwei Mio kapitulieren ganz vor dieser Aufgabe. 1,3 Mio Erwachsene kommen bei der Formulierfähigkeit nicht über ein Grundschulniveau hinaus.
Das zeigt eine Ende Februar veröffentlichte Studie des BMBF*. In den Medien dazu er nur Randnotizen, kein Leitartikel, keine aktuelle Stunde im Bundestag, kein Alphabetisierungsgipfel der Kanzlerin.
Es gab wichtgere Themen: Guttenberg, der bedrohte Euro, die Krise der FDP.
Falsche Gewichtung? Millionen von Analphabeten sind für das Bildungssystem verheerender als gefälschte Doktorarbeiten, konkreter als der vermeintliche Untergang des Euro und zahlenmäßig bedeutender als alle FDP-Wähler zusammen.
Analphabeten haben keine Lobby. Und anstatt sich zur eigenen Schwäche zu bekennen, verweisen die meisten Illateraten trickreich darauf, dass sie ihre Lesebrille vergessen haben.
Der Bund ist stolz darauf, dass er die Forschungsarbeiten unterstützt, dass man endlich verlässliche Zahlen hat ... und jetzt??
* Siehe hier
Angeregt wurde der Beitrag durch M. Spiewak, DIE ZEIT, 7. April 2011, S. 37