Der Osterspaziergang

  • Zur Leipziger Ostermesse 1808, heute vor 203 Jahren, wurde Goethes Faust veröffentlicht ... darin sein Osterspaziergang, mit dem er zum Klassiker wurde.



    Der alte Winter in seiner Schwäche
    Zog sich in rauhe Berge zurück.
    Von dorther sendet er, fliehend, nur
    Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
    In Streifen über die grünende Flur;
    Aber die Sonne duldet kein Weißes:
    Überall regt sich Bildung und Streben,
    Alles will sie mit Farben beleben;
    Doch an Blumen fehlt's im Revier:
    Sie nimmt geputzte Menschen dafür.



    Ist da der Frühling Sprache geworden, oder die Sprache zum Frühling? Der Winter wird zum alten Mann, die Menschen werden zum bunten Wiesenschmuck. Daraus spricht Abstand und Übersicht.


    Eine wiederkehrende menschliche Erfahrung wird verallgmeinert. Es ist Ostern, ein kirchliches Fest, die Auferstehung des Herrn wird gefeiert, aber dahinter wird etwas Natürlich-Menschliches sichtbar:



    Kehre dich um, von diesen Höhen,
    Nach der Stadt zurückzusehen!
    Aus dem hohlen, finstern Tor
    Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
    Jeder sonnt sich heute so gern.
    Sie feiern die Auferstehung des Herrn;
    Denn sie sind selber auferstanden:
    Aus Handwerks- und Gewerbebanden,
    Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
    Aus der Straße quetschender Enge,
    Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
    Sind sie alle ans Leben gebracht!



    Hier spricht ein Zweifler, hinter dem Dogma erscheint eine neue Wahrheit, eine Naturwahrheit, das wiederkehrende Kirchenjahr verschmilzt mit dem Naturkreislauf.





    Erstveröffentlichung zum 200. Jahrestag




  • Der Winter ist vergangen
    ( Frühlingslieder | 1600-1700: Volkslied im 17. Jahrhundert)



    Der Winter ist vergangen
    ich seh des Maien Schein
    Ich seh die Blümlein prangen
    des ist mein Herz erfreut
    So fern in jenem Tale
    Da ist gar lustig sein
    da singt Frau Nachtigalle
    und manch Waldvögelein

    Ich gehe, ein Mai zu hauen
    Hin durch das grüne Gras
    Schenk meinem Buhl die Treue,
    Die mir die Liebste was
    Und bitt, daß sie mag kommen
    All an dem Fenster stahn
    Empfang´n den Mai mit Blumen
    Er ist gar wohl getan

    Er nahm sie sonder Trauern
    In seine Arme blank,
    Der Wächter auf der Mauern,
    Hub an ein Lied und sang:
    Ist jemand noch darinnen,
    Der mag bald heimwärts gan!
    Ich seh den Tag herdringen
    Schon durch die Wolken klar.

    Ach, Wächter auf der Mauern
    Wie quälst du mich so hart!
    Ich lieg in schweren Trauern,
    Mein Herze leidet Schmerz.
    Das macht die Allerliebste,
    Von der ich scheiden muß,
    Das klag ich Gott, dem Herrn,
    Daß ich sie lassen muß.

    Ade, mein Allerliebste,
    Ade, schön Blümlein fein,
    Ade schön Rosenblume,
    Es muß geschieden sein.
    Bis daß ich wiederkomme,
    Bleibst du die Liebste mein
    Das Herz in meinem Leibe
    Gehört ja allzeit dein
    .
    (http://www.volksliederarchiv.de/text308.html)