Was hat H. v. Kleist im Blog zu suchen?

  • Sofern die eigenen Kommentare sich sachlich mit einem Problem auseinander setzen sollen, muss man entweder eine begründete Meinung schon haben oder diese entwickeln. Aus meiner Sicht im besten Fall, überprüft man die eigenen Gedanken an denen des Beitrags. Das setzt zuerst einen Prozess des Nachdenkens und dann des Formulierens in Gang. So glaubt man zumindest, denn man hat schon oft den Satz gehört: Erst denken, dann reden! .... und sich dem meist auch gebeugt.


    Beim Schreiben sieht es da etwas anders aus, hier kann man ins "Unreine" sprechen und immer wieder umformulieren.


    Da sitze ich also oft an meinem Rechner und stelle fest, dass ich beim Formulieren erst richtig in das Thema eintauche, meine Gedanken sich beim Schreiben entwickeln, oder besser, unklar Gedachtes sich präzisiert.


    Und genau an der Stelle kommt der gute alte Kleist (1777-1811) ins Spiel, mit einem kleinen Aufsatz aus dem Jahre 1805, dessen Titel für uns heute schon sehr seltsam klingt:


    ÜBER DAS ALLMÄHLICHE VERFERTIGEN DER GEDANKEN BEIM REDEN


    Das scheint der lieb gewonnenen Vorstellung zu widersprechen, dass nur der klar denkt, der auch klar reden kann. Und man könnte der Frage nachgehen, wie weit tatsächlich Sprache Voraussetzung für das Denken ist, was aber in diesem Zusammenhang zu weit führen würde.


    Um genau zu bleiben, muss gesagt werden, dass es bei Kleist tatsächlich um das gesprochene Wort geht. Er setzt voraus, dass sich Gedanken in einer konkreten Situation entwickeln, durch einen Gegenstand, auf den der Blick fällt, durch eine Frage, die mit dem Problem direkt gar nicht viel zu tun haben muss.


    Sehr anschaulich wird diese These in Kleists Lustspiel "Der zerbrochene Krug". Die komödiantische Handlung entsteht hier dadurch, dass der Dorfrichter Adam nach einem Täter fahnden muss, der er selber ist, d. h. er muss durch Lügen und falsche Schlussfolgerungen einen Unschuldigen zum Täter machen, um sich zu entlasten. Man erlebt auf der Bühne, wie sich diese Lügen entwickeln, grandiose Wortspiele und Doppeldeutigkeiten.
    Adam hat zunächst keine Ahnung, wie er sich aus der Affaire ziehen soll, wenn er z. B. eine Verletzung erklären muss. Sie stammt von der überstürzten Flucht nach einem nächtlichen Abenteuer -bei der er auch der Krug zu Bruch geht- und könnte ihn überführen. Er greift die Fragen des Gerichtsschreibers auf und entwickelt eine phantastische Lügengeschichte, wie er beim Anziehen seiner Hose gestolpert und gegen den Kamin geschlagen ist. Es wird ganz deutlich, wie er die Zusammenhänge, also die Gedanken, beim Reden entwickelt.


    Eins kann man mit Sicherheit festhalten: Bei Edmund Stoiber funktioniert dieses Prinzip offensichtlich nicht. Aber das ist kein Gegenbeweis.


    Wenn ich die These Kleists auf meine Erfahrungen beim Schreiben, speziell auch von Kommentaren, übertrage, gilt das natürlich nur eingeschränkt. Aber die Situationen beim Reden und Schreiben sind insofern vergleichbar, als ich die Gedanken des Beitrags aufgreife und sie so meine eigenen Überlegungen beeinflussen. Ich überlege, formuliere, überprüfe den Gedanken und die Formulierung. Ist das stimmig, ist es das, was ich denke??? .... ich formuliere genauer, lasse Unwichtiges weg ... überprüfe meine Aussage erneut. Und zuletzt habe ich immer das Gefühl: So genau hast du das vorher selbst nicht gewusst.
    Natürlich habe ich, wenn ich einen Kommentar schreibe, ein Interesse an der Sache und auch eine meist recht genaue Vorstellung, was ich sagen will, trotzdem stellen sich die Zusammenhänge anschließend auch für mich genauer dar als vor dem Schreiben. Und das ist mit ein Grund, warum ich in diesem Blog Kommentare schreibe.


    Ich verrate jetzt nicht, wie lange es gedauert hat, bis dieser Beitrag in der Endfassung stand, den ich seit Tagen schon "so ungefähr" im Kopf habe;-)


    Für alle, die sich mit Gefühlen und deren Bedeutung für unser Leben beschäftigen, kann ich Kleist als Lektüre nur empfehlen. Man kann ihn als ersten Menschen der Gegenwart bezeichnen. Die Ideen der Klassik erklären ihm die Wirklichkeit nicht mehr, alles zerfällt in Einzelteile, wird unübersichtlich, verworren und bedrohlich. Das einzige, was bleibt, ist der Rückzug auf das Ich, auf das absolute Gefühl, das gegen allen Augenschein die Wahrheit "erkennt" und daran festhält.




    Erstausgabe 26. 05. 2007

  • Der Dorfrichter Adam erinnert an den Staatsanwalt von Treskow im "Der Maulkorb" von Spoerl. Dem ist aber nicht bewusst, dass er die Straftat (Majestätsbeleidigung) selbst begangen hat. http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Maulkorb


    Der zerbrochene Krug und die Trutze von Trutzberg (Ganghofer) hat mir mein Vater erzählt, als wir im Zollhaus/Blumberg/Baden übernachtet haben. Für mich war es die Aktion "Heim ins Reich".

  • Für mich kommt noch was anderes hinzu. Da ich es schwer mit den Augen habe und das berühmte Ein-Finger-Such-System anwende, sind meine Texte voller Tippfehler. Beim Korrigieren wird auch noch die ein oder andere Formulierung geändert.


    Original


    Für mich kommt noch was anderes hinzu. Da ich es schwer mit den Agenhabe und das berühmte Ein-Finger-Such-System anwende, sind meine Texte voller Tippfwhler.Beim Korrigieren wird auch noch die ein oder andere Formulierung geändert.



    Auch das steht beim Ahlen Krom, dass man bei PC anfängt zu schludern.

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