So machen es alle [Frauen] ...

  • ... oder Così fan tutte.


    Mozart spielte in ihrer Ehe eine große Rolle. Sie hattenn keine Kinder und ohne Mozart hätten sie sich wahrscheinlich schon vor Jahren getrennt.[...] Mr. Ransome schwelgte in Mozart, er räkelte sich in ihm. Der kleine Wiener wusch all den Schmutz und Ekel von ihm ab, den er den ganzen Tag lang in seinem Büro ertragen musste, heißt es am Anfang der kleinen Geschichte von Alan Bennett.


    Die beginnt mit einem ungewöhnlichen Einbruch und schon die ersten Zeilen machen das Verhältnis der Ehepartner und die Situation deutlich:


    "Wir sind überfallen worden", sagte Mrs. Ransome. "Es ist eingebrochen worden", korrigierte Mr. Ransome. In Häuser wurde eingebrochen, Personen wurden überfallen. Mr. Ransome war von Beruf Anwalt und fand, dass es auf Worte ankam. Allerdings war "eingebrochen" ebenfalls das falsche Wort. Einbrecher sind wählerisch; sie suchen aus. Sie nehmen den einen Gegenstand mit und ignorieren andere. Es gibt eine Grenze dessen, was Einbrecher mitnehmen können: Sie nehmen beispielsweise selten Sessel mit, und Sofas sogar noch seltener. Diese Einbrecher taten das. Sie nahmen alles mit.


    Die Ausgangsituation ist so einfach wie unglaublich. Die Ransomes kommen von Così zurück und finden ihre Wohnung leergeräumt, völlig leer ... bis auf die Fußleisten. Die Tatsache, dass selbst die Teppichböden fehlen, entlockt Mrs. Ransome die gewagte Vermutung, die Diebe könnten sie benutzt haben, um die Stereoanlage darin einzurollen. Woraufhin sich Mr. Ransome genötigt sieht, darauf hinzuweisen, dass dazu ihr Pelzmantel doch eher geeignet gewesen sei ... und Mrs. Ransome in Tränen ausbricht.


    Den Teppichboden im Wortsinne unter den Füßen weggezogen, ohne das in 32 Ehejahren liebevoll gestaltete Zuhause, das Schutz und Sicherheit geboten hatte, ohne Sitzgelegenheit und Tee, ohne Toilettenpapier, selbst ohne Zettel und Bleistift, um eine Liste der Gegenstände zu erstellen, die jetzt am dringlichsten sind ...


    "Wir werden eben improvisieren müssen.", meint Mrs. Randsome am nächsten Morgen und fügt nachdenklich hinzu: "Vielleicht macht es sogar Spaß." Mr. Randsome, unrasiert und ungewaschen, mit schmerzendem Po, weil er die ganze Nacht auf den blanken Holzdielen gesessen hat, ein Schluck Leitungswasser als Frühstück ... schaut seine Frau entgeistert an und marschiert, als sei nichts geschehen, ins Büro.


    Diese Polarität zwischen den beiden Protagonisten ist ein Aspekt der ungewöhnlichen Geschichte, hinzu kommen die Reaktionen der unterschiedlichsten Personen und nicht zuletzt der trockene britische Humor, mit dem Bennett die Ereignisse in skurrile Begebenheiten verwandelt. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie die Ransomes -durch Mitwirkung von Mozart- ihre Wohnungseinrichtung schließlich wiederfinden, die sichtbar zur Kulisse geworden.


    Mit der Rückkehr der Wohnung ist das Rätsel ihres Verschwindens aber noch nicht gelöst und der Schluss bietet dann noch eine Überraschung.


    Das schmale Bändchen, bei Wagenbach in rotes Leinen gebunden, war für mich 110 Seiten Lesevergnügen. Beeindruckt hat mich aber auch die professionelle Lesung mit Arienbegleitung in einer kleinen Buchhandlung.



    Alan Bennett, Così fan tutte
    Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, o. J.

  • Hallo Bücherwurm,


    herzlich willkommen bei uns. Du hast sehr schön geschrieben. Liest sich interessant an, ich werde mir das Buch besorgen. Schreib bitte mehr bei uns.


    Stadt der träumenden Bücher? Das klingt sehr anziehend. Ich werde da mal ab und zu vorbei schauen. Und Du kannst mich gerne in meinem Hexendorf besuchen... würde mich freuen. Bis bald.


    Krem

  • Krem-Browning
    Ein Bücherwurm kann ja nur in einem Buch wohnen ;)
    Die Stadt der träumenden Bücher ist ein Buchtitel von Walter Moers, dem Erfinder von Käpt'n Blaubär.


    Anders als die kleinen Geschichten von Bennett, die auch von ihrer Kürze leben, handelt es sich hier mit knapp 500 Seiten schon fast um einen Schmöker. Vielleicht schreib ich noch drüber.

  • Wau, das wusste ich auch nicht... ich meine, dass es so ein Buch gibt. Schreib mal was darüber, klingt interessant.


    Ich habe übrigens erst jetzt begriffen, warum es sich für mich so verlockend anhört... ne, ich meine, klar, ich bin auch ein Bücherwurm und der Ausdrück ist ja sehr romantisch, daher... aber da war noch etwas, was bei mir ein sehr schönes Gefühl auslöste... ich konnte nur nicht realisieren, was. Jetzt weiß ich es: Es hat mich an ein Roman von Brüder Strugatzkys erinnert. "Metropole der Verdammnis". Da wird u.a. in einigen Kapiteln in der Bücherei in einer parallelen Welt gehandelt... und einer der Protagonisten ist auch ein Bücherwurm bis zum geht nicht mehr. Der Ausdruck "Die Stadt der träumenden Bücher" wurde da nicht benutzt, aber das Gefühl, das beim Lesen vermittelt wird, könnte man in diesen Worten ganz gut beschreiben.


    Ich habe Manie zu Brüdern Strugatzkys... wenn ich über sie rede, dann wird mir so warm ums Herz und überhaupt... sie sind göttlich. Ich kenne alle ihre Bücher beinahe auswendig und das sind mindestens zwei Dutzend. Short story von ihnen zähle ich nicht dazu, sondern eben Romane... bei short storys bekommen sie die Pointe auch ganz gut, aber das ist halt so ein Spiel des Intellekts, das zwar an sich selbst sehr schön und beeindruckend ist, aber nicht annähernd das anbietet, was Romane von Strugatzkys ausmacht... bei den Romanen ist man halt nicht nur mit dem Intellekt, sondern auch mit jedem Nerv dabei.


    Der Roman, den Du angesprochen hast, muss aber auch sehr schön sein, wenn Du ihn als Wohnort ausgewählt hast?

  • Hallo, Bücherwurm,


    ich habe "Così fan tutte" gestern gelesen. Das ist ein sehr trauriges Buch... leise Tragödie. Allerdings kann ich Deine Intention "So machen es alle [Frauen]..." nicht nachvollziehen.

  • Ah... okay.


    Ich sollte natürlich selbst nachschlagen... solche Pannen sind peinlich. Habe ich nicht getan, weil ich Mozart intensiv nicht mag und mich mit seinen Werken nicht auseinander setzen wollte. Ich empfinde ihn sowohl musikalisch als auch menschlich als etwas sehr Fremdes für mich. Es gibt keine Schnittstellen. Bei meiner musikalischen Ausbildung war Mozart natürlich Pflichtlektüre... jetzt kann ich mich nur an Jupiter-Sinfonie, Requiem, Zauberflöte und Figaro erinnern. Und das auch nur in groben Zügen. Cosi fan tutte ist mir neu vom Begriff.

  • Das muss dir nicht peinlich sein, Krem-Browning. Als ich das Buch las, kannte ich die Wortbedeutung von così fan tutte auch noch nicht und über die Oper habe ich mich auch erst im Zusammenhang mit dem Beitrag hier beschäftigt.


    Wenn man die deutsche Bedeutung mitliest und nicht nur den Titel einer wenig bekannten Oper registriert, liest man die Geschichte der Ransomes noch mal anders, denke ich.


    Man könnte auch Ransome als sprechenden Namen verstehen. To ransom heißt loskaufen, gegen Lösegeld freilassen, oder erlösen.

  • Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 365 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Bitte erstellen Sie ggf. ein neues Thema.