Es ist gar nicht sooo lange her, dass ich im 'Café Français' meiner Begeisterung für Jean-Luc Bannalecs Sicht auf die Bretagne freien Lauf gelassen habe.
Ich hatte seine Krimis "Bretonische Verhältnisse" und "Bretonische Brandung" geradezu verschlungen und beschlossen, einen Koffer zu packen und mich auf den Weg ans 'Ende der Welt' ('Finistère') zu machen. Leider hat mich dann ein Blick auf den Kontostand ausgebremst.
*schluchz*
Inzwischen habe ich auch Band 3 der Romanreihe um den eigenwilligen Commissaire Dupin intus -"Bretonisches Gold"- und 'arbeite' mich gerade durch Band 4: "Bretonischer Stolz" .
Denn wie das manchmal so geht, wenn Jemand gleich mit dem ersten Band einen spektakulären Treffer landet, gerät er in die Gefahr, in schneller Folge viel liefern zu wollen und in seinen Folgebänden nicht mehr ganz so liebevoll mit Handlungsabläufen, Personen und Landschaften zu verfahren.
Erschien in den ersten beiden Bänden noch alles ausgewogen stimmig, verschob sich das Verhältnis schon im dritten Buch hin zu einer allzu intensiven Belehrung in Sachen Salzgewinnung und bretonischer Salinen. Die Handlung kam recht schießwütig daher und ließ den Wunsch nach Verfilmung ahnen.
Immerhin gab es augenzwinkernde Feinzeichnungen einiger Charaktere, wie die der ebenso gescheiten wie schnellen, höchst eleganten Kommissarin Rose aus dem Nachbarbezirk ... von Monsieur Dupin als Konkurrenz empfunden, der er sich gar nicht gern 'unterordnen' mag. Oder die der beiden Damen, welche dem Kommissar am nächsten stehen: seine Assistentin (und Mentorin in allen bretonischen Belangen) - Nolwenn, und nicht zuletzt seine große Liebe - Claire.
In Band vier habe ich wieder viel gelernt. Diesmal über Austern: Zucht, Geschmack, Veredelung, Vertrieb - das war bisher Neuland für mich, ist es aber nicht geblieben.
Nur: so gern ich hinzulerne, so sehr ich mich für die Bretagne und das dortige Leben interessiere ... so wenig finde ich Gefallen daran, mittenmang in der Romanlektüre irritiert auf den Einband zu gucken, weil ich fürchte, unversehens in einem ziemlich drögen Sachbuch über Austernzucht gelandet zu sein.
Wo hat Herr 'Bannalec' denn nur sein Talent gelassen, Informationen zu bretonischen Gegebenheiten und regionaler Lebensart unaufdringlich harmonisch in die Romanhandlung einzuflechten, Charaktere mit Leben zu füllen, Stimmungen zu skizzieren, Handlungen seiner Romanfiguren nachvollziehbar zu machen?
Statt eines sinnlich reichen Plots mit teils verblüffenden, aber immer lebendigen Romangestalten, begegnet mir diesmal viel Pädagogisches und Zweidimensionales. Wie die papierenen Anziehpüppchen meiner Kindheit kommen mir manche Personen vor. Allen voran der Commissaire, der zwar häufig hektisch hin- und her rennt, sich die Haare rauft und "So ein Scheiß!" schimpft, insgesamt aber seltsam uncharakterisiert bleibt.
Schade!
Ich bin zu gut 3/4 durch, vielleicht erlebe ich im letzten Viertel doch noch angenehme Überraschungen ...?
Kiepenheuer und Witsch / ISBN: 978-3-462-04813-1
384 Seiten / 14,99 €