Christliche Radikale - gibt's nicht ??

  • hmm, ab wann ist jemand denn "radikal"?
    Wenn er sich weigert an Gepflogenheiten der Mehrheitsgesellschaft teilzunehmen und diese Verweigerungshaltung auch auf seine Familienmitglieder ausweitet? Radikal (kommt von Radieschen *g*, das ist auch eine Wurzel) habe ich bisher immer mit der Bereitschaft verbunden auch militant zu werden, seine Haltung mit Waffen und Gewalt anderen aufzwingen zu wollen. Da sehe ich in unserem Land weniger religiöse, denn mehr nationale Überzeugungstäter.


    Insofern halte ich weder die heutigen deutschen Katholiken noch Evangelen für radikal. Für dogmatisch halte ich die katholische Kirche eher als die öffentliche evangelische Institution. Jedoch birgt auch evangelischer Puritanismus Strenge, Rückwärtsgewandheit und Grausamkeiten in sich. So liest man in manch historischen Büchern, die die Zeiten des dreißigjährigen Krieges beschreiben, dass überall dort wo protestantische Truppen einmarschierten, diese sich durch grausame Säuberungstaten mehr profilierten als z.b. die Päpstlichen. Auch interessant hinzuzufügen, dass Luthers antisemitische Haltung heute noch gerne, sagen wir einmal *nicht explizit* thematisiert wird.


    Mir wurde die evangelische Haltung zur Religion immer als die "Vernünftigere" dargestellt. Um es einmal kurz und plakativ zu beschreiben: die protestantische Kirche kannte ich als die, die auch hinterfragen darf, als die, in der Menschen keine Heiligen sind, die in der es keinen Engelsglauben, keine Gebete zur Mutter Gottes und keinen Weihrauch gibt. Ich kann mich nicht erinnern in irgendeinem Religionsunterricht über den "Teufel" unterrichtet worden zu sein, für mich gehörte der "Leibhaftige" immer zu den Katholiken. Mag sein, dass das falsch ist, aber so meine ich es gelernt zu haben.


    Nun zu den ev. Freikirchen. Schon erstaunlich, in welchem Maße die privaten Kirchen zu Lauf haben. Mit eigenen Kirchen und Schulen. In meinem Umfeld gibt es viele Menschen, die so einer Gemeinde angehören, die Bibelstunden und -Lesungen zuhause halten, ihre Kinder und Jugendlichen in entsprechende Ferienlager schicken und auch als ganze Familie solche aufsuchen. Freunden zu gefallen bin ich selbst einmal in so einer Ferieneinrichtung mit gewesen, die von Diakonissen betrieben wird. Die vom Alltag abgehobene Stimmung, die Gespräche, mancher Glauben, ließen mich aber eher daran denken in einem schlechten Film zu sein. Gegenstand der Predigten der Gottesdienste war meist Jesus und seine Liebe sowie sein Gegenspieler der "Teufel" und seine Versuchungen, besonders die in Form von Alkohol. Die Menschen dort waren jeden Alters und jeder Schicht, vom einfachen Arbeiter bis zum Geschäftsführer). Eine Unterhaltung mit einer Lehrerin ist mir besonders im Gedächtnis. Sie schilderte einen Vorfall mit einem Schüler, den sie für dumm hielt, der aber doch einmal intelligente Leistung erbracht hatte. Diese Leistung war nur erklärbar durch "Erleuchtung". (ER hat aus ihm gesprochen). Der Teufel und böse Geister waren immer präsent. Auch der Islam war des Teufels. Viele Kranke waren dort, genauso wie gerade durch Gottes Gnade Geheilte. Es schien jeder konnte sich aus dem ganzen GlaubensPotpourri aussuchen, was er glauben wollte, aufgezwungen wurde einem nichts. Für mich ein absolut surreales Erlebnis. Solange ich nicht bedrängt werde, meine eigenen Überzeugungen aufzugeben, kann gerne jeder glauben was er möchte. GastPrediger die in freikirchlichen Einrichtungen sprechen, kommen oft aus Amerika, arbeiten auch missionierend) Schon richtig die Frage danach, wie sich das auf unsere Gesellschaft auswirkt, wenn mehr und mehr Menschen über solche Kirchen mit einfachen, wie rassistischen oder anders diskriminierenden Einstellungen und Überzeugungen infiltriert werden.


    Allerdings gibt es soviel Richtungen, dann noch die islamischen Varianten und Sekten wie z.B. die Zeugen Jehovas die alle miteinander konkurrieren, dass sich die Auswirkungen wahrscheinlich relativieren. Leider hat die deutsche Gemeinde des Spaghettimonsters bisher zu wenig zu Lauf um eine eigene Freikirche zu gründen.
    Wie macht man das eigentlich? Das kann im Grunde jeder, oder?

  • Danke für deinen Erlebnisbericht zur Freikirche. Das war ein gutes Beispiel zu meinem Standpunkt.


    Unter Radikalismus kann man durchaus verstehen seine Ziele mit Gewalt zu erreichen, muss aber nicht. Radikal zu sein bedeutet für mich in erster Linie gegen bestehende gesellschaftliche Konventionen zu sein. Ein Christ, der auf Gewalt verzichtet, sich aber dennoch die BRD als christlichen Gottesstaat wünscht, ist für mich auch schon radikal.
    Wie aber schon ein Vorredner meinte, ist dieser Begriff auch für mich viel negativer besetzt, als er eigentlich ist.


    Bis heute gibt es in Deutschland Teufelsaustreibungen. Klingt abentheuerlich-mittelalterlich, ist für Betroffene aber nur grausam ... und läuft bis heute ganz offiziell unter Religionsfreiheit.

    In Deutschland gibt es das tatsächlich noch vereinzelt, in Italien ist das aber sogar noch recht häufig verbreitet. Es gibt sogar berühmte, praktizierende Exorzisten. Als die Finanzkrise in Italien anfing sah sich der Vatikan genötigt aufgrund der hohen Nachfrage nach Teufelsaustreibungen vermehrt Exorzisten einzustellen.


    Schwierig zu sagen, was ich davon halten soll. Von mir aus kann jeder zum Exorzisten gehen, der meint er sei vom Teufel besessen. Natürlich sollte man aber niemanden dazu zwingen, sich einer solchen Prozedur zu unterziehen. Ich nehme an der Zwang dazu ist auch in Deutschland nicht erlaubt.



    Mir wurde die evangelische Haltung zur Religion immer als die "Vernünftigere" dargestellt.

    Ist nunmal auch die Mehrheitsreligion in Deutschland, zumindest ist es die meiste Zeit gewesen. Durch das protestantische Preussen als dominierendes Königreich in Deutschland, hat der Protestantismus auch die gesamtdeutsche Kultur stark geprägt. Ich denke an dem Klischee des fleissigen Protestanten und des faulen Katholiken ist auch einiges dran ^^




    PS: Zum Kreationismus bleibt noch der Verweis auf die USA anzumerken. Dort gibt es Schulen, die Kreationismus und Evolutionslehre gleichermassen lehren, aber auch Schulen, die nur Kreationismus unterrichten. Schwer zu verstehen, daß es heute noch Menschen gibt, die daran glauben, daß Gott die Welt in 7 Tagen erschaffen haben soll und Adam und Eva der Ursprung der Menschheit seien. Hier in Deutschland halte ich das aber nicht für ein Problem. Ich bin ehrlich gesagt noch nie jemandem begegnet, der mir gegenüber zugegeben hat daran zu glauben.

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