Willi's Märchen-Soap (2)


  • Suchend ging sein Blick im Abteil umher. »Aha, da ist er ja, der Serviceknopf« Er beugte sich vor und visierte zielsicher die Signaleinrichtung mit dem ausgestreckten Zeigefinger an.


    Er drückte den runden Knopf mehrmals kurz. Bei jedem Betätigen des Knopfes ertönte ein leiser Summton, der Hensel akustisch bestätigte, dass seine Bemühungen von Erfolg gekrönt waren. Hensel lehnte sich in die bequemen Sitzpolster des Abteils zurück und widmete sich wieder seiner geliebten Tageszeitung.
    »Gut dass wir allein im Abteil sind« dachte er »dann kann ich noch in Ruhe etwas lesen« und konzentrierte sich wieder auf die aktuelle Liga-Tabelle.


    Grätel hatte Hensels Treiben misstrauisch beäugt. „Meinst Du etwa, da kommt jemand? Vielleicht solltest du lieber in den Speisewagen gehen und mir einen Kaffe holen.“ säuselte sie und schaute Hensel herausfordernd an. Hensel blickte mürrisch von seiner Zeitung hoch „Nur Geduld, du wirst schon sehen. Wenn dir das zu lange dauert, kannst du dir den Kaffe ja selbst holen.“ meckerte er und vertiefte sich wieder in sein Tageblatt.


    Grätel wollte gerade zu einer geharnischten Antwort ansetzen, als sich die Tür des Abteils öffnete und ein junger Mann in der adretten Uniform der Nationalbahn das Abteil betrat. „Die Herrschaften haben geläutet?“ fragte er freundlich und setzte eine dienstbeflissene Miene auf. Links auf seiner Uniform, oberhalb der Herzgegend, prangte ein kleines Schild mit der Überschrift *Fahrgast-Service* und darunter stand der Name *Prinz*.


    Hensel blickte Grätel triumphierend an. „Habe ich es dir nicht gesagt? Gut Ding will Weile haben.“ dozierte er und in Richtung des jungen Mannes gewandt, fuhr er fort „Herr Prinz, bringen sie der Dame gegenüber doch bitte eine Tasse Kaffee“. Prinz verneigte sich andeutungsweise. „Gerne, meine Herrschaften. Schwarz, mit Milch oder Sahne, mit Zucker, ohne Zucker?“ wollte er wissen und sein Gesicht nahm einen leicht fragenden Ausdruck an.


    Hensel schaute in Richtung Grätel „Und?“ fragte er „Wie immer?“ Grätel, die ihre Blicke kaum von der flotten, uniformierten Gestalt lösen konnte, stammelte zerfahren „Äh, natürlich mit Sahne und Zucker.“ Ihr Lächeln wirkte einerseits verlegen, andererseits in Richtung Prinz gewandt etwas kokettierend. Hensel wunderte sich. „Du trinkst ihn doch sonst immer schwarz.“ grummelte er und schüttelte missbilligend den Kopf. »Kenn’ sich einer mit den Frauen aus« dachte er verwundert. »Heute hüh und morgen hott«


    Grätel versuchte, die Situation zu bagatellisieren. „Man muss ja schließlich auch mal was Neues ausprobieren.“ äußerte sie im Brustton der Überzeugung und sah Prinz dabei bedeutungsvoll an. Prinz fühlte sich nicht so recht wohl in seiner Haut und beschloss, unauffällig den Rückzug anzutreten. „Also, ein Kaffee mit Sahne und Zucker. Kommt sofort. Haben sie bitte einen Augenblick Geduld.“ Sprach’s, machte auf dem Absatz kehrt und verließ eilig das Abteil.


    Grätel schaute ihm wehmütig nach. »Was für ein Bild von einem Mann« schoss es ihr durch den Kopf. Ihr Blick fiel auf Hensel. »Kaum zu glauben, dass sie diese Person, die dort in die Liga-Tabelle vertieft war, einmal als ihren absoluten Traummann favorisiert hatte« Ihr Blick wanderte in Richtung Fenster. Draußen flog die Landschaft förmlich vorbei. »Der Zug hat ja ein enormes Tempo. Wann kommt denn endlich der Kaffee« dachte sie unwillig, ohne zu realisieren, dass Prinz erst vor einer Minute das Abteil verlassen hatte. Gerade, als sie sich den im Abteil ausliegenden Modezeitschriften zuwenden wollte, geschah es ...