Versuch eines Offenen Briefes

  • Der Versuch eines offenen Briefes
    Politik | 22.03.2013 | 11.25 | alt-aber-bezahlt



    Ein Ausflug aufs Glatteis. Oder?


    Wo fange ich nun an? Ich komme mir vor wie in einem Raum voller von der Decke baumelnder Fäden. Und da gilt es, einen halbwegs stabilen Knoten zu knüpfen.


    Nein, ich hatte keine Gelegenheit, den ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ anzusehen. Interessiert hätte es mich schon. Aber nun gut, das kann passieren, und vielleicht ergibt sich ja mal die Chance einer Wiederholung.


    Jedoch bin ich im KStA auf einen Kommentar von Tobias Kaufmann aufmerksam geworden. Ebenso eine Beurteilung von Annika Leister. Beide geben ihre Meinung zu dem Werk wider. Frau Leister gibt eine wohlwollende Beurteilung ab, Herr Kaufmann ist offenkundig anderer Ansicht.


    Ist das nun ein Drama? Nein, beileibe nicht! Schließlich gewährt uns der Artikel 5 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“. Aber dazu später mehr. Denn ich nehme dieses Recht auch in Anspruch.


    Frau Leister geht auf Einzelheiten ein, die ich mangels Kenntnis nicht zu beurteilen vermag. Dagegen zeigt sich (meine Meinung, die ich hoffentlich ebenfalls darlegen darf), dass Herr Kaufmann den Film wohl kaum besser kennt als ich. Zumindest schließe ich das aus dem Tenor seines Kommentars, der in kaum auf das filmische Potenzial eingeht, jedoch massiv die aus seiner Sicht falsche bzw. fehlerhafte Botschaft kritisiert, die dort herüber kommen soll. Eigentlich keine Filmrezension, keine Kritik des Werkes als solchem, sondern ein gesellschaftspolitischer Rundumschlag, aus dem ich als Filmemacher schließen müsste, dass Herr Kaufmann jedes meiner Werke medial zertrümmern würde, das nicht mit seinen politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen konform geht.


    Ich habe mir Herrn Kaufmanns Vita herangezogen. Da ich eine gänzlich andere Entwicklung hinter mir habe, kann ich dies nicht bewerten, jedoch wirkt es schon beeindruckend. Umso verstörender finde ich, wie pauschal er in seinem Kommentar „Wir armen Täter“ förmlich um sich schlägt.


    Nein, ich habe keine journalistische Ausbildung genossen. Und wie bei Herrn Kaufmann auch sind die im Film dargestellten Zeiten (Gott sei Dank!) an mir vorbei gegangen. Wir Beide gehören Generationen an, die erstmals in der deutschen Geschichte sicher sein konnten, etwas auf dem Küchentisch vorzufinden, wenn wir uns zum Essen niederließen und -lassen. Und dies in ausreichendem Maße.


    Allerdings: ob wohl Herrn Kaufmanns Vater ebenfalls (wie mein alter Herr, Jahrgang 1926) dem „Letzten Aufgebot“ angehörte? Ich wage das zu bezweifeln.


    Eine sehr persönliche Geschichte, natürlich. Ich kenne die wenigen Dokumente, die dies belegen. Ein Klassenfoto kurz vor dem Realschulabschluss 1944, das 20 junge Männer in artiger Sitzhaltung zeigt, dabei mein Vater, der alte Streber, in der ersten Reihe. Na ja, was heißt Streber? Er ist mit einer eklatanten Sehschwäche auf die Welt gekommen und musste einfach nah an die Tafel. Dass er mit 5 Jahren als Folge eines Kunstfehlers bei einer Routine-OP zu einer Gleichgewichtsstörung kam, die ihm in Verbindung mit seinem miserablen Sehvermögen (vor den Augen-OPs im Jahre 1993 plus oder minus ca. 20 Dioptrien) ein ganzes Leben lang eine sehr problematische Kombination an Behinderungen bescherte, sei der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt, hat aber auch seine Bedeutung.


    Dann gibt es da noch das alte Soldbuch. Ein spillriger 17jähriger mit Brille schaut mir da entgegen. Eigentlich ein Kind. Moment mal - gab es etwa keine Musterung damals? Ich entsinne mich der meinen im Frühjahr 1979 - die Sportskanone meiner Klasse wurde ausgemustert, da auch dieser junge Mann eine dicke Brille tragen musste. Irgendwie seltsam.


    Oder offenbart nicht schon dieses Dokument ein Verbrechen der ganz anderen Art? En Verbrechen am eigenen Volk, an einer Jugend, die unter einem totalitären Regime so ganz anders hat sein müssen, als dies Herrn Kaufmann und auch mir vergönnt war? Wie um alles in der Welt kann es sein, dass Menschen, die ihrer Sinne noch halbwegs mächtig sind, ein krankes Kind in eine Uniform zwängen, dies obendrein zu einem Zeitpunkt, als sowieso das Ende und die Erfolglosigkeit des Krieges schon lange absehbar waren?


    Mein Vater gibt unumwunden zu, „mehr Glück als Verstand gehabt“ zu haben. Die Ratlosigkeit der Vorgesetzten, was mit diesem doch eigentlich untauglichen Rekruten anzufangen sei, bescherte ihm im Gegensatz zu seinen Klassenkameraden eine Verwendung als Wachtposten in einem Gefangenenlager. So kam er um einen Fronteinsatz lange herum. Eine besondere Erfahrung war das benachbarte KZ. Die jungen Soldaten machten nach Vaters Angaben schon große Augen, wie mit den Inhaftierten in gestreiften Anzügen umgesprungen wurde. Die Auskunft der Vorgesetzten, es handele sich um „Volksschädlinge“, beruhigte jedoch das Gewissen. Über diese Brut war man ja ausreichend „aufgeklärt“ worden in den glorreichen Jahren zuvor. Die hatten es halt nicht besser verdient.


    Am 6. Mai 1945 wurde mein Vater dann doch noch in Richtung Ostfront entsandt. Er erinnert sich zahlloser Tieffliegerangriffe der „Ratas“ (wohl der damals gängige Jargon - ob diese alten Mühlen da noch im Einsatz gewesen sein mögen?) und seiner heillosen Angst. Und so ging es immer weiter ostwärts, immer heimlich, immer versteckt und getarnt. 5 Tage lang marschierte er mit seiner Truppe dem „Endsieg“ entgegen. Bis man auf einen sich in Gegenrichtung bewegenden Trupp stieß, von dem man erfuhr, dass der Krieg (je nach Lesart) 2 oder 3 Tage zuvor sein Ende gefunden hatte.


    Nun aber schnell zurück, dass einen nicht noch „der Russe“ erwischte. Ein Feldwebel, alter Haudegen mit Abschluss einer Unteroffiziersschule aus 1938, „requirierte“ einen LKW und bugsierte einen vor Angst schlotternden Haufen junger Männer inmitten einer russischen Kolonne quer durch Prag. Und beinahe wäre die Sache gut ausgegangen. Den Russen ist man entkommen. Den Tschechen nicht. Und die waren natürlich auch nicht gut auf die Gefangenen zu sprechen. 13 Monate brachte mein Vater im Lager zu, seine Abscheu vor der täglichen Graupensuppe verfolgt ihn noch heute.


    Zurück in Halle an der Saale musste er feststellen, dass die Familie geflohen war. In seiner Erinnerung blieb da nur das kleine Dorf am Rande des Rothaargebirges, in dem er geboren wurde. So kam die Familie wieder zusammen. Ein Einzelschicksal, das im Gegensatz zu so vielen Anderen in der Tat „glücklich“ genannt werden darf. Eine Frage der Umstände.


    Nebenbei: nach der Grenzöffnung 1990 versuchte Vater über die VoPo in Halle Informationen über die 7 Mitschüler seiner Abschlussklasse zu ziehen, von denen er nicht wusste, ob sie wie die 12 Anderen noch gefallen waren. Ein Jahr später fand dann nach 47 Jahren das erste Klassentreffen statt. Man war zu Zweit.


    Meine Mutter, im gleichen Dorf geboren und vor 4 Jahren auch dort gestorben, blickt auf eine andere Familiengeschichte zurück. Sie verlor im Juli 1941 einen ihrer Brüder, der im finnischen Salla beigesetzt wurde und erlebte 1944 das Trauma ihrer älteren Schwester, der sie (als zum Postdienst abkommandierte Hilfskraft) den Feldpostbrief zustellen musste, der den „Heldentod“ ihres Mannes verkündete. Als ich 1979 den Musterungsbescheid erhielt, war Mutter 3 Tage kaum ansprechbar. Den Einberufungsbescheid quittierte sie mit stundenlangem Weinen.


    Eine andere Generation, eine andere Zeit. Und allein aufgrund dieser Berichte bin ich bedient, was Krieg im Allgemeinen und das Nazi-Regime nebst dem Häuflein dumpfbackiger Anhänger unserer Tage im Besonderen angeht. Ebenso schätze ich mich glücklich, all das nicht persönlich mitgemacht haben zu müssen. Ich verspüre an den Verbrechen von damals keine wie auch immer geartete Schuld. Jedoch fühle ich mich verantwortlich, auch meinem Nachwuchs das weiter zu geben, was mir selbst zur Kenntnis gelangte. Rückschlüsse dazu müssen die jungen Männer (das Nesthäkchen ist vor 3 Monaten volljährig geworden) selbst ziehen.


    Da überrascht es mich schon, eine so entschiedene Wertung zu einem Film (!) von jemandem zu lesen, von dem ich vermuten muss, dass sein persönlicher Erfahrungsschatz und direkter Kontakt zu Zeitzeugen so groß nicht mehr gewesen sein dürfte, wie dies bei einem 16 Jahre älteren Menschen noch der Fall ist. Es offenbart sich vielmehr (auch das wiederum meine sehr persönliche Meinung), dass hier aus einem Fundus theoretischen Halbwissens geschöpft und darob das politische Urteil über einen kulturellen Beitrag gefällt wurde. Da mag eine fehlerhafte oder unvollständige Deutung sein, aber der Lebenslauf des Herrn Kaufmann gibt darüber keine Angaben preis. Wozu auch?


    Allerdings sehe ich einige Parallelen im Alltag. Und mir will scheinen, dass die Bewertung der damaligen Geschehnisse ganz allgemein umso entschiedener gerade von jüngeren Zeitgenossen vertreten wird, deren persönlicher Erfahrungshorizont zwangsläufig aus rein biologischen Gründen gegen Null tendieren muss. Ob vor solchem Hintergrund vernichtende Urteile wie das des Herrn Kaufmann angemessen oder doch eher anmaßend sind, stelle ich hier gern zur Diskussion. Und es würde mich besonders freuen, wenn vielleicht sogar Herr Kaufmann persönlich diesen Ball aufnehmen und sich an der Debatte beteiligen würde.


    Wobei ich jedoch nicht versäumen möchte, Herrn Kaufmann vorab einen Gedankengang ans Herz zu legen: er möge bitte versuchen (mehr als einen Versuch kann man nicht verlangen) sich selbst in die damalige Zeit zurück zu versetzen. Wie er wohl seinen Posten als Chefredakteur hätte erlangen können und ob es ihm möglich gewesen wäre, unter den damals waltenden Umständen ebenso kritisch mit dem Regime und seinen Handlangern ins Gericht zu gehen?


    Die „armen Täter“ der vergangenen Zeiten haben viele Gesichter. Es gab Zeiten, in denen man dies sowohl schulseitig als auch vom Leben selbst lernte.


    Das scheint wohl auch Vergangenheit zu sein. Ist es heute schon ausreichend, nur noch eine Meinung zu haben? Ich fände es begrüßenswert, wenn dies auch von wenigstens einem kleinen Bisschen Ahnung gestützt würde. Meinungsfreiheit hin oder her.

    Schlagworte: Politische Kultur | Meinungsfreiheit | Kenntnisse


    Kommentare| 1 bis 20 von 20


    02.04.2013 | 17.55 Uhr | Heinz K
    Jetzt wirst du aber sehr polemisch. Ab welchen Zeitpunkt hat man denn für dich genug "Hirn eingeschaltet"? Wenn man einigermaßen dein eigenes Weltbild vertritt?


    Du hast in deinem Blog auch nur Einzelschicksale beschrieben. Ich bezweifle aber das Herr Kaufmann mit seiner Kritik deinen Eltern persönlich Vorwürfe gemacht hat.


    Ich kann durchaus zustimmen, daß er mit seiner Kritik etwas über die Stränge geschlagen hat. Das macht er öfters. Du allerdings auch :)


    Und dafür kritisiere ich dich wiederrum. Wer im Glashaus sitzt usw... :p


    28.03.2013 | 15.01 Uhr | alt-aber-bezahlt


    @ Heinz K: wo verbiete ich jemandem etwas?


    Ich erwarte lediglich, dass jemand, der eine solche Position innehat wie Tobias Kaufmann, zunächst einmal sein Gehirn einschaltet und nicht in billigster Weise eine Medienproduktion heranzieht, um sein Weltbild auf Kosten von Menschen zu propagieren, deren Lebensumstände er in keiner Weise nachzuvollziehen imstande ist. Wie man aber ein Werk als solches sieht, ist immer rein individuell geprägt.


    Deine Nachkommen müssen Dich für Deine Fehler nicht "verachten". Es reicht, diese zu registrieren, daraus zu lernen und sie nicht zu wiederholen.


    Allerdings: Herr Kaufmann befindet sich tatsächlich in "guter Gesellschaft". In FOCUS online befleißigt man sich doch tatsächlich seit Wochen der Nutzung des Begriffs "Nazi-Braut", wenn von Beate Zschäpe die Rede ist.


    Nun muss man die nicht mögen. Aber was unterscheidet solche Handhabe noch vom "Volksschädling" eines Julius Streicher in seinem unsäglichen "Stürmer?


    Diese Grenze ist verdammt schwammig!



    27.03.2013 | 03.22 Uhr |
    Taxania


    Paula
    Was ist Dir an meinen Ausführungen unverständlich, in einem Maße, Du verurteilst, schlicht sachliche Tatbestände!


    Wie willst Du denn ein Historischen Sachverhalt erklären? Jede andere Betrachtungsweise ist doch unredlich, wenn nicht sogar arrogant!


    Wenn Du keine Nazizeugen kennen gelernt hast, sprich mal mit Stasiverfolgten! Wenn jede Äußerung zu einer Gefahr um Leib und Leben führte. Noch als 13 jähriger wurde mir täglich (!) eingetrichtert, was ich sagen darf, was nicht und mit wem ich reden durfte! Jeder Fehler brachte meine Eltern in größte Gefahr!


    Wieviel schlimmer war das zu der Nazizeit! Das kannst Du Dir doch gar nicht vorstellen! Das daraus sich Entwicklungen ergaben, die offensichtlich nur der Demokrat im warmen Sessel von heute beurteilen kann!


    Soll ich das aus Deinem Kommentar entnehmen?



    26.03.2013 | 17.45 Uhr | Heinz K
    -> noch wie in den Jahrhunderten zuvor.


    26.03.2013 | 17.44 Uhr | Heinz K-
    > Müssen wir das denn auch? Ich bin froh, daß uns dies erspart bleibt. Und das bleibt uns auch deswegen erspart, weil wir die Fehler unserer Vorfahren anschauen, weil wir sie trotz mangelnder Erfahrung dafür kritisieren, ja sie sogar dafür verachten. Ist das denn jetzt so tragisch?


    Ich bin sicher selbst kein Mensch der völlig fehlerfrei lebt. Ich richte genug Unheil auf dieser Welt an. Je älter und weiser ich werde, desto mehr wird mir das auch bewusst. Wer weiss was mein moralisches Befinden sich in Zukunft noch alles gefallen lassen darf?
    Trotzdem wäre ich froh, wenn meine Nachkommen mich für meine Fehler genauso verachten. Sie sollen mich als Makel begreifen und es besser machen, mich übertreffen. Nur so kann sich die Menschheit weiterentwickeln. Nur so können sie und ihre eigenen Nachkommen überhaupt eine Zukunft haben.


    Wenn es weiterhin nur Menschen wie dich und mich geben sollte, wird daraus jedenfalls nichts, und würden wir nicht unsere Vorfahren verachten, wäre Europa ->


    26.03.2013 | 17.43 Uhr | Heinz K
    "mit welchem Recht greift hier jemand de facto nicht nur meine Eltern an, die zu Kriegsbeginn gerade 12 bzw. 13 Jahre alt waren, eine Mitschuld zu tragen, quasi mit Täter gewesen zu sein?"


    Solltest mal das Grundgesetz lesen. Da steht drin, welches Recht das ist :)


    Ich frage mich eher mit welchem Recht du ihm das verbieten willst? Gut, du kritisierst ihn für eine mangelnde Differenzierung, vor allem hinsichtlich seines Postens und der daraus resultierendne moralischen Verantwortung. Die ist bei Journalisten auch nur sehr bedingt gegeben. Man braucht garnicht zu erwarten, daß sich einer von denen mal hier blicken lässt. Journalisten haben mitunter das eitelste und arroganteste Berufsbild, was ich kenne. Für die sind wir hier nur Bloggergesocks. Die scheren sich weder um Kritik noch um einen Meinungsaustausch mit einfachen Leuten.


    Andererseits verstehe ich allerdings nicht deine Bestürzung über den Artikel. Klar haben die Nachkriegsgenerationen niemals diese Erfahrungen gemacht. ->



    26.03.2013 | 17.16 Uhr | Paula
    Das ist doch ein Denken aus heutiger Sicht! Die Bewertungsgrundsätze für Entscheidungen waren doch ganz anders! Verbrechen aus heutiger Sicht wurden nicht als solche verstanden! Liegt das dann an der Persönlichkeit des "Täters". Nicht einmal Hitler kann ein Vorwurf gemacht werden. Er war auch eine Person seiner Zeit, für seine Haltung als er an die Macht kam, hatte er europaweit Sympatie! Die dann folgenden Exzesse ahnten nur wenige, heute wissen alle es besser!


    Was völlig vergessen wird, spätestens ab 1941, war jede Entscheidung auch ein Entscheiden zwischen Leben und Tod! Je erfolgreicher die Person war, je bedeutender wurde diese Frage! Wer kann das heute auch nur im Ansatz nachvollziehen! Das galt nicht allein für Soldaten!


    Sonst geht`s aber gut, Taximann?



    26.03.2013 | 16.40 Uhr | alt-aber-bezahlt
    Die letzten Kommentare zeigen die ganze Komplexität des Thema auf, die auch wir nicht endgültig und befriedigend werden lösen können.


    Was mich zum Ursprung zurück führt: es kann und darf doch nicht sein, dass ein führender Mitarbeiter des Presseorgans in einer freien Demokratie letztlich derart pauschalisierend Urteile fällt, wie man sie in schlimmen Zeiten unseres Landes in ähnlich diffamierender Weise in den üblen Hetzblättern jener Zeit finden konnte. Die hier geführte Diskussion kommt mir unter diesem Aspekt doch sehr sachlich und gemäßigt vor, wie dies auch zu sein hat.


    Bei der durchaus richtigen und notwendigen Aufarbeitung der Vergangenheit unseres Landes scheint mir bisweilen jedoch das erforderliche Maß in bedenklicher Weise überschritten.

    26.03.2013 | 11.22 Uhr |
    Taxania
    In den Kommentaren wird immer davon ausgegangen, die Personenhaben zu entcheidengehabt, sich an Verbrechenzu beteiligen usw.


    Das ist doch ein Denken aus heutiger Sicht! Die Bewertungsgrundsätze für Entscheidungen waren doch ganz anders! Verbrechen aus heutiger Sicht wurden nicht als solche verstanden! Liegt das dann an der Persönlichkeit des "Täters". Nicht einmal Hitler kann ein Vorwurf gemacht werden. Er war auch eine Person seiner Zeit, für seine Haltung als er an die Macht kam, hatte er europaweit Sympatie! Die dann folgenden Exzesse ahnten nur wenige, heute wissen alle es besser!


    Was völlig vergessen wird, spätestens ab 1941, war jede Entscheidung auch ein Entscheiden zwischen Leben und Tod! Je erfolgreicher die Person war, je bedeutender wurde diese Frage! Wer kann das heute auch nur im Ansatz nachvollziehen! Das galt nicht allein für Soldaten!



    26.03.2013 | 01.31 Uhr |
    Annick
    Und auch deren Motive mögen komplexer Natur gewesen sein. Vor allem: Im Deutschen Reich gab es ab 1935 die Wehrpflicht. Einem Einberufungsbefehl musste man Folge leisten.


    Vielleicht gab es am Anfang noch das Gefühl, die Angelegenheit sei so eine Art Herrenpartie oder Kaisermanöver. Hinzu kamen Propagandaflosskeln von der 'bolschewistischen Gefahr', die einen Angriffskrieg rechtfertigen sollten.


    Doch schon ab Herbst 1941 zeichnte sich ab, dass es kein schnelles Ende geben sollte. Im Kriegsalltag bestimmten Angst und Überlebenswillen den Alltag; Pervitin (ein Aufputschmittel) und Alkohol halfen dabei.


    Es wäre falsch, die deutschen Soldaten nur aus der Opferperspektive zu sehen. Vor allem die deutsche Generalität billigte Hitlers Pläne. Dass zu beschreiben, zu erklären und "historisch zu verstehen" bedeutet aber nicht, sich zum Richter aufspielen zu können.


    26.03.2013 | 01.20 Uhr | Annick
    Mitte der neunziger Jahre löste eine Ausstellung über Kriegsverbrechen der Wehrmacht, organisiert vom Hamburger Institut für Sozialforschung, erbitterte Kontroversen in Deutschland aus.


    Die Ausstellung musste schließlich zurückgezogen werden; es gab zu viele handwerkliche Fehler. Der wissenschaftliche Ertrag erwies sich als gering.


    Dass es Kriegsverbrechen in der Wehrmacht gab, ist unbestritten. Unter einem Kriegsverbrechen verstehe ich einen Verstoß gegen geltendes Kriegsvölkerrecht. Die Hinrichtung eines Partisanen war kein Kriegsverbrechen; das Abbrennen ganzer Dörfer auf einen bloßen Verdacht hin schon.


    Aus heutiger Sicht ist es nicht einfach, sich in die Situation von Soldaten hinein zu versetzen, die damals ihr Leben riskieren mussten. Ein Generalstabsoffizier am Kartentisch erlebte den Krieg anders als ein Soldat direkt an der Front.


    25.03.2013 | 15.18 Uhr | alt-aber-bezahlt
    Ich hatte nun Gelegenheit, mir den Film anzusehen. Hat es Schicksale gegeben, die dem Gezeigten entsprechen? Möglich. Ist es bei 5 Personen, 5 verschiedenen Leben im Handlungsstrang möglich, auf die Gesamtheit eines Volkes hochzurechnen? Wohl kaum. Ist der Dreiteiler mit dem Anspruch auf Sendung gegangen, die "Wahrheit" zu sagen? Ich habe nichts dazu gefunden. Dient er als reine Dokumentation oder (auch) der Unterhaltung?


    Positive wie auch negative Kritik ist stets von der individuellen Sichtweise des Kritikers geprägt. So lässt auch dieses Werk alle Möglichkeiten offen. Insoweit sind gegen die unterschiedlichen Bewertungen keine Einwände angebracht.


    Was jedoch - mal wieder ein persönlicher Eindruck - nicht funktionieren kann, ist ein auf neudeutscher Schwarzweiß-Malerei beruhender Verriss, der als Grundlage nur SS-Schergen links und verfolgte Opfer rechts kennt. Ein darauf aufbauender Film wäre völlig unbrauchbar.


    Wie Herr Kaufmann wohl die Erlebnisse meiner Vorfahren verfilmte??


    25.03.2013 | 12.18 Uhr | Taxania
    Als ein Vertreter der sog. Nachkriegsgeneration, noch im Krieg geboren, war mei ganzes Leben in irgendeiner Form mit der "Vergangenheitsbewältigung" verbunden.


    Die schrecklichen Jahre wurde in vielfältiger Weise aus allen Blickwinkeln bewertet und beurteilt! Das Schlimme daran ist, wenn Menschen dabei aus heutiger demokratischer, freiheitlichen Sicht argumentieren! Das ist nicht allein arrogant sondern gibt auch ein falsches Bild! Die Menschen damal mußten alle (!) aus ihrer Situation entscheiden, das ohne Fernsehen und internet und Leute wie Herr Kaufmann, der beim Schreiben wenig denkt! (Ich erinnere da an einen zynischen, extrem dummen Beitrag zu dem NAh-Ost Problem, das ichhier deutlich aufzeigte).


    Insofern ist die Lebensgeschichte ein Zeichen, wie schwierig die Lage war. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Viele "Überlebende" sind mit extrem Trauma davon gekommen. Das äußert sich in Erinnerungen, die von dem Schaden beeinflußt sind, was er Zuhörer nur schwer erkennen kann!



    23.03.2013 | 14.19 Uhr | alt-aber-bezahlt
    Lieber agrippinensis,


    der Film ist mir egal. Aber in seinem Kommentar klagt Herr Kaufmann pauschal alle die an, die in den furchtbaren Zeiten gelebt haben. Mithin auch meine Eltern. Ist der Film dabei nicht nur das Medium, eine Pauschalkritik anbringen zu können?


    Ich spreche einem Menschen nicht das Recht ab, seine Meinung sagen zu dürfen. Aber mit welchem Recht greift hier jemand de facto nicht nur meine Eltern an, die zu Kriegsbeginn gerade 12 bzw. 13 Jahre alt waren, eine Mitschuld zu tragen, quasi mit Täter gewesen zu sein?


    Die Aufarbeitung der Verbrechen ist wichtig, ja. Aber die arrogante Überheblichkeit, mit der im Wohlstand und erheblicher Distanz zu den Geschehnissen geborene Generationen aufgewachsen sind, ist einfach unpassend und oberlehrerhaft.


    Heute wissen wir, was geschehen ist. Und wir sind alle Produkte des jeweiligen Zeitalters, in dem wir leben. Das bring unterschiedliche Erfahrungswerte mit sich.


    Ein Herr Kaufmann als Chefredakteur sollte das schon wissen.


    23.03.2013 | 12.07 Uhr | agrippinensis
    Th.Kaufmann bezieht sich auf einen Film, den du NICHT gesehen hast.
    Du beziehst dich auf einen Kommentar, der sich auf einen Film bezieht, den....


    Für mich ist die Schilderung deiner Familiengeschichte weitaus interessanter als deine Fragestellung an Jemanden, den du m.E. erst dann berechtigt angreifen kannst, wenn du seine Grundlage - hier: den Spielfilm- kennst und weißt, warum er die Haltung/Aussage des Dreiteilers kritisiert.

    22.03.2013 | 19.44 Uhr |
    Aprilscherz
    Ich habe es nicht gesehen.


    Aber du kannst die Filme doch in der "Mediathek" des ZDF noch anschauen.


    Das ist kein Aprilscherz, das ist nur mein Nick.


    22.03.2013 | 17.54 Uhr | kael
    Die Grausamkeiten eines Krieges gegenüber Soldaten und Zivilbevölkerungen sollte eigentlich jedem bekannt sein. Reporter berichten darüber ausführlich aus allen Erdteilen und Kriegsbrutalitäten werden per Satellit längst live bis in die Wohnzimmer transportiert. Es gibt also wenig Nachholbedarf.


    So gesehen war der TV-Dreiteiler nur ein (für deutsche TV-Verhältnisse allerdings bemerkenswert aufwändiger) Actionkino. Und damit bediente er m. E. nicht das Bedürfnis nach "Information" sondern nach "Unterhaltung". Vor allem die konstruierte und im Ergebnis hanebüchenen Herz-Schmerz-Nebenhandlungen bestätigen dies. Dagen ist auch nichts zu sagen, wenn man sich dazu bekennt und nicht von moralinsauerem "Anspruch" fabukiert. Letzteres hat immerhin immense finazielle Unterstützung bewirkt.


    Auf das Wort "unsere" (Väter und Mütter) hätte man im titel getrost verzichten können. Denn Kriege sind für ALLE Väter und Mütter, insbesondere aber für alle Söhne und Töchter schreckliche Erlebnisse.


    22.03.2013 | 16.57 Uhr | Annick
    Ich habe mir nur einen fünfminütigen Ausschnitt angesehen. Die kurze Sequenz wirkte auf mich wie eine Landserschnulze.


    Kleine Balgerei im Schnee an der Ostfront; der Krieg muss ja irgendwie lustig gewesen sein.


    Natürlich steht mir nach 5 Minuten kein Urteil zu. Aber ich wollte mir diesen Film nicht weiter ansehen.


    22.03.2013 | 15.44 Uhr | ing.lambertz
    Ein sehr gutes Buch zu diesen Fragen ist meines Erachtens Soldaten..


    Eine wissenschaftliche Untersuchung über die Frage, was der Kreig aus uns Menschen machen kann und macht. Wertfrei, rein sachlich. Ohne moralische Bewertung.


    Gruß Lemm(y)i

    22.03.2013 | 15.39 Uhr |
    ing.lambertz
    Hallo,


    vor einiger Zeit erzählte neben mir an der Theke ein älterer Herr sein Kriegserlebnis in den letzten Tagen. Den Tagen des Volkssturms, als er, ich glaube 15-jährig, auch noch geholt wurde. Von zu Haus. Von der Mutter.


    Zu einer Flakeinheit. Irgendwo am Rande einer Kleinstadt in Ostdeutschland vor Berlin. Ein alter Leutnant (?) nahm sie unter sein Kommando: So jetzt werdet ihr es den Tommis einmal zeigen. Blast sie runter vom Himmel. Der Führer schaut auf euch. Ihr kämpft für Volk und Vaterland.


    Dann kamen die Bomber. Maschine hinter Maschine. Eine Lawine des Todes. Die Jungen schossen. Hier fiel einer, dort der nächste. Getroffen. Tot.


    Dann nur noch Stille und Tod. Der Leutnant war nirgends mehr zu sehen. Der erfahrene Frontkämpfer hatte die Jungs alleine gelassen und sich vom Acker gemacht.


    Der Junge ist dann nach Hause gelaufen. Die Hosen voll geschissen.


    Für meinen Thekennachbar war der Krieg vorbei. Jeder Krieg. Nie wieder Krieg ! Traumatisiert für sein Leben.

  • Da es systembedingt wenig Sinn macht, beim KStA zu ANTWORTEN, tue ich es hier.


    Ich erinnere an den Film "Die Brücke" mit Fritz Wepper.


    Der ältere Bruder meiner Jugendfreundin (streng katholisch erzogen) hat sich freiwillig zur SS gemeldet, weil er wissen wollte, was an den Gerüchten um Greuel in den KZ dran ist.


    Mein Vater (*'1894, Kriegsteilnehmer 14/18; Verdun, Somme, Saloniki, verwundet, Malaria) wurde 1945 noch zum Volkssturm eingezogen.Nach einer Übung schickte der Leiter die Vaterlandsretter nach Hause.




    Ostern 1945 gab es in Lüsberg (Wildbergerhütte) noch Soldaten, die an den Endsieg glaubten und für den Führer fielen. Wir (ich 10) haben sie im Wald eingesammelt und in einem Massengrab mit Tannenzweigen abgedeckt beerdigt.Ein Leutnant hat tagelang geschrieen.

  • Sorry, aber was ist da jetzt der Thread? Dass das schlecht war vom Klinikum? Ich will dir und deinen sicher heftigen Beschwerden nicht zu nahe treten, aber was ist da jetzt die Diskussionsgrundlage? Ich habe echt Probleme, deinen letzten Beiträgen zu folgen. Ganz besonders der Thread mit dem offenen Brief! Da wird die Geduld des Lesers schon arg strapaziert. Ich habe 2 Seiten gelesen, und dann aufgegeben. Bis dahin habe ich nicht verstanden, was du eigentlich erreichen möchtest. Ich weiß nicht, bin ich da alleine? Spätestens bei der 5. Seite weiß man nicht mehr, was in der ersten Seite stand. Also wieder zurück zum Anfang. Nach 54! Seitensprüngen ans Ende gelangt, weiß niemand mehr die Überschrift, das Thema.
    Leichte Lektüre geht anders. Ich verstehe ja, wenn jemand sensibilisieren will, oder aufrütteln, aber ich kann mir nicht noch Notizen machen, was auf jeder Seite stand, um dann am Ende festzustellen, dass das ganze keine wirkliche Frage ist. Das ist unbefriedigend, lieber ceckmate.

  • Leichte Lektüre geht anders.


    Kriegsende ist keine leichte Lektüre. Hier schreiben Zeitzeugen und eine Historikerin. Und eine Jüdin mit Opfern in der Familie.



    Der Artikel selbst ist nicht lang. Aber ich habe alle Kommentare vom KStA angefügt.
    Vielleicht meldet sich noch der Chef vom Dienst..


    Betrachte es als Dokument. Vielleicht melden sich noch mehr Zeitzeugen.

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