Eigentlich soll Sprache der Verständigung dienen. Tatsächlich stiftet sie aber oft Verwirrung.
Kommunikation ist sehr vielschichtig. Wir merken das immer dann, wenn es zu Missverständnissen kommt, dann wird meist ein Wort anders verstanden. Wir merken es auch, wenn es ungewollt zu Streit kommt. Dann wird die Beziehung zwischen den Gesprächspartnern wichtiger als die Sachinformation.
Und oft merken wir es auch ganz einfach nicht.
Wir hören den Klang der Wörter und automatisch stellt sich die lexikalische Bedeutung ein. Stoßen wir auf Ironie, die bewusst das Gegenteil von dem sagt, was sie meint, brauchen wir Erkennungszeichen. Im mündlichen Sprachgebrauch helfen Gestik, Mimik und Tonfall. Aber auch der geschriebene Text enthält Merkmale, z. B. maßlose Übertreibung oder ungewöhnliche Sprachbilder. Diese erkennt der geübte und kritische Leser leichter, als der gutgläubige, der geneigt ist, zunächst einmal alles zu glauben, was er schwarz auf weiß sieht.
Schon die Frage: Kann das überhaupt sein, dass jemand so denkt/es so passiert ist?, hilft, die satirische Absicht zu erkennen. Da Satire ihre Absicht nur erreicht, wenn sie als solche erkannt wird, setzt sie auf kritische Leser.
Setzt die Satire bewusst auf uneigentliches Sprechen, findet man in der Alltagssprache viele Floskeln, die bei genauerer Betrachtung auch das Gegenteil von dem bedeuten, was sie zu sagen vorgeben.
Sehr häufig wird z. B. "eigentlich" nicht in seiner eigentlichen Bedeutung, im Sinne von einer Eigenart entsprechend, benutzt, sondern entlarvt meist den Sprechenden.
"Eigentlich wollte ich ja nicht, aber dann ..." enthält eine Entschuldigung, die dem Sprechenden meist nicht bewusst ist, die er aber offensichtlich für nötig hält. Er will etwas ganz unbedingt, ist sich aber nicht sicher, ob es richtig/angebracht/akzeptabel ist.
Deutlich erkennt man das an der ziemlich unsinnigen, trotzdem aber nicht selten gebrauchten Phrase:"Eigentlich will ich ja nichts sagen, aber ..." Wer so beginnt, will in der Regel ganz viel sagen. Wem es eigentlich ganz gut geht, geht es irgendwie mäßig, aber mit Sicherheit nicht gut, denn im so gebrauchten eigentlich steckt immer das aber schon mit drin.
Auch das häufig verwendetete ja, ja bedeutet mitnichten Zustimmung, obwohl es zunächst so klingt. Wer so antwortet, meint tatsächlich: "Red ruhig weiter, ich mach/denk, was ich will ... oder krasser LMMAA.
Ja, ja, du hast ja Recht heißt: Deine Meinung interessiert nicht.
Und was meint, wer die Floskel nix für ungut benutzt? Doppelte Verneinung bejaht, etwas wird als gut dargestellt. Am häufigsten wird die Phrase allerdings genau dann benutzt, wenn man jemandem gerade verbal vor's Schienbein getreten hat ... und dann ist sie eben doch nur eine halbherzige Entschuldigung. Genau so leer wie das heute immer häufiger eingestreute sorry, wenn aus dem Zusammenhang oder dem Tonfall gleichzeitig deutlich wird, dass dem Redenden nichts ferner liegt, als sich zu entschuldigen.
Meist richtig verstanden werden dagegen Sätze, die zwar nicht das Gegenteil meinen, aber eben auch nicht das Gesagte. Hier ist der Tonfall entscheidend.
Im auffordernden Da vorne ist grün! steckt neben der Sachinformation meist der sehr deutliche Hinweis an den Fahrer, er soll gefälligst Gas geben. Wenn daraus ein heftiger Streit entsteht, kann der Verursacher durch Verweis darauf, dass er doch nur gesagt habe ... diesen leicht am Leben erhalten.
Mit der entsprechenden Betonung kann auch die scheinbar harmlose Frage: "Was ist denn das Grüne in der Suppe?" durchaus eine Beziehungskrise hevorrufen, wenn die liebende Köchin kontert: "Immer musst du an meinem Essen rummäkeln. Geh doch bei deiner Mutter essen!"
Auch wer zur unrechten Zeit erscheint und gefragt wird:"Weißt du eigentlich, wie spät es ist?", versteht unschwer den Vorwurf in dieser scheinbar sachlichen Frage. Der beste Konter ist hier, dem anderen einfach die Uhrzeit zu nennen und auf die Verblüffung zu setzen.
Jedes uneigentliche Sprechen birgt die Gefahr des Missverständnisses und wird doch oft auch richtig verstanden. Sprache ist so strukturiert, dass wir immer mehr sagen, als wir sagen. Oft sind wir uns dessen nur nicht bewusst.
Erstveröffentlichung 27.2.08