Wenn der Sprachstil Blüten treibt, steckt dahinter oft der besondere Ausdruckswille eines Auors.
Stilblüten entstehen, wenn man Sprachbilder benutzt, denn auch die Sprache lebt von Bildern.
Manche sprachlichen Bilder sind so geläufig, dass sie als solche gar nicht mehr wahrgenommen werden, z. B. das Stuhlbein, oder der Bergrücken. Interessant sind nur Bilder, die als solche sofort erkannt werden. Sie dienen der Veranschaulichung -lassen ein Bild vor unserem geistigen Auge entstehen-, aber auch dazu, Aufmerksamkeit zu schaffen.
Beides ist in sprachlich verdichteten Texten, z. B. Gedichten, besonders häufig zu finden. Wenn die Nacht gelassen an Land steigt -interessanterweise verstehen wir, was hier gemeint ist, wenn wir unsere Assoziationen schweifen lassen- handelt es sich nicht um missglückten Sprachgebrauch, sondern um ein bewusst eingesetztes ungewöhnliches Sprachbild, hier die "Vermenschlichung". Das zeigt der Textzusammenhang.
Dass der Wind uns um die Ohren pfeift, ist dagegen eine Personifizierung, die kaum noch auffällt.
Auch dass die Angebetete nicht nur schön ist "wie" eine Rose, sondern selbst zur Rose wird, birgt für uns keine Verständnisprobleme.
Schwieriger wird es, wenn Paul Celan von der schwarzen Milch der Frühe spricht. Aber auch die Verbindung scheinbar widersprüchlicher Begriffe, ist hier gewollt, und nicht als Stilbruch zu werten.
Das welke Licht verknüpft bewusst zwei Sinneseindrücke, die sich eigentlich widersprechen, und schafft so auf höherer Ebene ein neues "Sinnbild".
Wenn allerdings der Zahn der Zeit, der schon so manche Tränen getrocknet hat, Gras über eine Wunde wachsen lässt, dann rankt in einer bunten Blumenwiese so viel durcheinander, dass man über die Grenze zwischen Sprachwillen und missglücktem Sprachgebrauch nachdenken darf.
Im Alltag bezeichnet man als Stilblüte in der Regel das, was als "verunglückt" empfunden wird. Nur handelt es sich nicht um ein Unglück, eher um ein Missgeschick, das jedem, besonders wenn er seine Gedanken schnell loswerden will, immer wieder passiert. Es ist nicht mehr als ein kleines Stolpern.
Ich bin kürzlich über ein Haar in der Suppe gestolpert ... auch beim Schreiben schon, d. h. ich habe bewusst nicht geschrieben: Ich finde das Haar in der Suppe, sondern: Ich stolpere darüber. Es ist ein Unterschied, ob man etwas "sucht", oder darüber "stolpert".
Ungeachtet dessen kann man jetzt natürlich darüber schmunzeln, wenn man das Bild wörtlich nimmt und sich vorstellt, wie das wohl aussieht, wenn escape über ein Haar in der Suppe stolpert.
Hoffentlich stürzt sie nicht unglücklich!
Und jeder darf sich jetzt ausmalen, wie das aussieht, wenn ich beim Schreiben stolpere ... über die Tastatur, oder wie? Es darf gelacht werden! Lachen ist gesund ... und richtig befreiend, wenn man über sich selbst lachen kann.
Erstveröffentlichung 13. 2. 2008