Unternehmenswandel

  • Fast allen hat er es inzwischen gesagt. Jedem Einzelnen unter dem Siegel der Verschwiegenheit und im Vertrauen darauf, dass die Person dieses nicht missbrauchen wird. Er hat einfach keine Lust mehr, diesem Unternehmen weiter vorzustehen. Und er hat sich bereits ein oder zwei Nachfolger ausersehen. Auch die sind namentlich schon bekannt, und unter der Oberfläche grollt und grummelt es. Verständlich.

    Dass er keine Lust mehr hat, ist nachvollziehbar. Die Menschen in seinem Unternehmen sind gekommen und gegangen, einige blieben treu, andere versuchten den Aufstand, wieder andere gingen und kamen zurück. Die eigene Situation hieß irgendwann nur noch Überforderung, und das Leben hatte auch noch andere Facetten als das Unternehmen. Er war erschöpft und hatte keine Kraft, das Ruder herum zu reißen. Mit losen Zügeln hatte er es versucht und auch mit Autorität. An beidem hatte er sich die Zähne ausgebissen. Immer gab es Probleme, und was als Team gedacht war, stand zwar noch mit „Team“ auf dem Papier, war aber zerstritten, neidisch, stutenbissig, und einer gönnte dem anderen nicht die Butter auf dem Brot. Ein gemeinsames Ziel gab es schon lange nicht mehr, der Konkurrenzdruck war gestiegen, obwohl niemand wusste, warum. Jeder beharrte auf seiner Individualität und wich keinen Zentimeter nach rechts oder links – kontraproduktiv für jedes Team. Gespräche fanden nicht mehr statt – weil der Unternehmer die Faxen dicke und andere Sorgen hatte.

    Nun wurden also die Nachfolger gehandelt, und die Mitglieder des Teams hatten Präferenzen – für den einen, oder für den anderen, oder für einen dritten. Man schleimte hier und untergrub dort, man machte geheime Wahlpropaganda, obwohl gar keine Wahl anstand, denn der Chef würde entscheiden. Der Chef aber ließ sich Zeit. Ob er das bewusst oder unbewusst tat, sei dahin gestellt. Von außen sieht es jeder anders.

    In dieser kritischen Phase wäre eine Entscheidung bitter nötig gewesen. Er hatte ja schon einmal alles hinwerfen wollen, und so war es eigentlich eine Neuauflage – dieses Mal kritischer, weil es eine endgültige Entscheidung, einen definitiven Abschied forderte. Ehemalige meldeten sich zurück und gaben sich tatkräftig und engagiert. Eigentlich wusste jeder, dass dies Lippenbekenntnisse von Wackelkandidaten waren, die das Unternehmen heute zu stützen bereit waren, morgen aber vielleicht wieder von der Bildfläche verschwunden sein würden für Monate. Auch oder gerade weil es die dienstältesten waren, die sich da selbst antrugen, schöpfte der ein oder andere wieder Hoffnung in den Fortgang des Unternehmens, konnte aber zwischen Realität und Schaumschlägerei nicht mehr unterscheiden.

    Ähnlich ging es dem Unternehmer selbst. Er glaubte, indem er sich Zeit lässt, würde er Chancen gewinnen, vielleicht neue Wege entdecken. Oder: vielleicht glaubte er es auch gerade nicht.

    Es ist nachgewiesen, dass Chefs ihr „Baby“ nur schwer abgeben, so gut wie gar nicht wirklich loslassen können. Allzu oft wollen sie eine Änderung herbei führen, wollen nur das Beste und erreichen das Schlechteste. Sie fahren ihr Unternehmen an die Wand und übergeben es ganz kurz vorher dem potentiellen Nachfolger. Der kann sich dann abstrampeln und bemühen, so viel er will. Das Unternehmen ist kaputt, da beißt die Maus keinen Faden ab.

    Warum passiert das oft?
    Ganz einfach: Was der Chef aufgebaut hat, soll niemand außer ihm erfolgreich weiter führen. Eher darf und soll es in Schutt und Asche fallen. Das Unterbewusstsein spielt dem Unternehmer einen Streich.

    Betriebs- und Arbeitspsychologen können es heutzutage gut erklären, und es ist anzutreffen überall dort, wo sein „Baby“ für den Unternehmer über lange Zeit eine sehr wesentliche Rolle gespielt hat und nun – aus welchen Gründen auch immer – Veränderungen anstehen.

    Das Siegel der Verschwiegenheit lässt alles brodeln unter der Oberfläche, aber nichts wird mehr gar werden. Leider.

  • ...und wenn alles lange genug geblubbert hat und der Deckel wegfliegt
    schleudert auch das Zuviel aus dem zu eng gewordenen Behältnis.


    Der Rest köchelt ein und ergibt eine konzentrierte, solide Basis - auch Essenz genannt...


    Aus Kochbüchern könnte mancher Unternehmensberater lernen;)!

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