Bestseller locken mich in der Regel nicht. Wenn sie es dann doch trickreich irgendwie bis zu mir geschafft haben -Bestseller werden ja mit Vorliebe verschenkt, landen sie erst mal in meinem Bücherstapel und warten auf bessere Zeiten. Die kamen jetzt für Heidenreich/Schroeders "Alte Liebe".
Mehrmals wieder weggelegt, weil die Ankündigung "Szenen einer Ehe" niemanden mehr hinterm Ofen vorlockt. Selbst als Single wird man damit ständig belästigt. Wer will mir Alltagssituationen verkaufen? Die sind besonders eins: ganz alltäglich! Zuletzt hat mich dann die Autorin gelockt und der Hinweis auf den selbstkritisch-ironischen Sprachstil.
Durch den wird der Dialog zwischen Lore und Harry vergnüglich, ohne oberflächlich zu bleiben. Sie, quirlig, ständig auf der Suche, leidenschaftliche Bibliothekarin. Er, verhinderter Architekt, im Bauamt hängengeblieben und nach der Pensionierung jetzt nur noch leidenschaftlicher Hobbygärtner. Da versinkt Lore lieber weiter in ihren Büchern, fühlt sich bei der Organisation von Lesungen unersetzlich, im nur nicht neben dem Langweiler im Garten zu hocken.
Und dann ist da noch die Tochter Gloria, die in dritter Ehe einen wohlsituierten Industriellen heiraten will, der ihr Vater sein könnte, ein Mensch, mit dem weder Lore noch Harry etwas zu tun haben möchten. Spannend klingt das nicht, aber einmal angefangen zu lesen, wollte ich zuletzt dann doch wissen, wie die Autoren die Kurve kriegen, ohne in eine sentimantale heile Welt abzustürzen. Es ist ihnen gelungen.
Leseprobe:
Lore:
Es ist bei mir immer beides: ich hab ihn gern, natürlich hab ich ihn gern, ich hab mehr als mein halbes Leben mit ihm verbracht, und trotzdem geht er mir so auf die Nerven. ...
Letztes Mal wieder so ein Fall. Die Dichterin liest ihre Geschichten, zugegeben, hochartifiziell und nicht wirklich prickelnd, und er fragt sie, ob man das so eintönig lesen müsse, ob das Teil des literarischen Konzepts sei. Sie wird rot und stottert und sagt, er müsse dass ja nicht anhören, er könne dass Buch ja auch zu Hause selbst lesen, und er fragt: "Steht denn mehr drin oder nur das, was wir hier gehört haben?" Und dann sagt er: "Sie haben zweifellos aus der Partitur des Textes optimalen Mehrwert geschlagen."
Da war ich völlig fertig. Mein Harry, plötzlich so ein Satz, so böse, so ironisch, so perfekt, alle waren baff, und ich eine Mischung aus stolz und wütend, denn natürlich war der Abend damit gelaufen und die Dichterin beleidigt. Oder zumindest verstört, so eine Sensible ist ja nicht beleidigt, die ist verstört, und auf dem Rückweg hat Harry gesagt: Ich hasse ja nichts mehr als Leute, die nichts, aber auch absolut gar nichts erleben und darüber dann von sich selbst zutiefst ergriffen schreiben.
Er hat nicht ganz unrecht. Es ist viel Schaumschlägerei in der neuen deutschen Fräuleinliteratur, aber was will man machen, das schreiben sie hoch, und dann traut sich keiner, etwas dagegen zu sagen oder zuzugeben, wie langweilig das alles ist. Ich hätte die auch nicht eingeladen, das war Christa. Christa will immer für intellektuell gehalten werden und verwechselt Ereignislosigkeit mit Bedeutung. ... Aber die Dichterin hat zu viel Camus gelesen, oder war das Sartre? "Die Sonne schien, weil sie keine andere Wahl hatte, auf nichts Neues." Und dann hat sie dieses ihr Nichts eben beschrieben. Na ja. Wenn ich ehrlich bin - banal. Und Harry sagt das so einfach. Der Mann irritiert mich immer wieder. Da steckt mehr drin, als ich nach so vielen Jahren weiß.
Die Autoren bleiben nicht im Banalen hängen. Ganz unpathetisch kommen sie aus dieser Nummer raus. Das hat mir gefallen.
Heidenreich/Schröder, Alte Liebe
Fischer Taschenbuchverlag, Ffm, 4. Auflage 2011
Zitat: S. 147 f