Was heißt eigentlich "Wahrheit"?

  • Wir erwarten wie selbstverständlich, dass wir von unseren Mitmenschen nicht angelogen werden, dass sie uns immer die Wahrheit sagen. Geht das überhaupt?


    Die Wahrheit ist für uns ein hohes Gut. Wir wollen nicht angelogen werde, wollen wissen, wie es "wirklich" ist. Das ist verständlich, wir können auch gar nicht anders. Wir müssen uns orientieren, uns ein Bild von der Wirklichkeit machen.


    Selbst im wissenschaftlichen Bereich sind die "erwiesenen" Tatsachen nicht in der Überzahl und werden selbst da durch neue Erkenntnisse nach Jahren oft noch korrigiert.


    Wie schwierig ist es da erst mit der Wahrheit im zwischenmenschlichen Bereich?


    Natürlich kann man grundsätzlich zweifelsfrei feststellen, ob jemand an dem Ort war, von dem er erzählt, ob er das getan hat, mit dem er sich brüstet. Auch setzt die "Lüge" ja "Wahrheit" voraus, nämlich als bewusstes Abweichen von ihr. Gäbe es keine "Wahrheit", könnte man auch nicht lügen.


    Wie ist das aber, wenn zwei Menschen, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren, unterschiedlich darüber berichten? Sie erzählen beide "wahrheitssgemäß", keiner von beiden lügt bewusst, aber ihre Berichte unterscheiden sich deutlich. Wie kann das sein? Wo bleibt da die Wahrheit?


    Müssen wir uns damit abfinden, dass es die Wahrheit gar nicht geben kann, dass es sich da um eine Hilfskonstruktion handelt, damit wir uns überhaupt ein "Bild" von der Welt machen können?




    Erstveröffentlichung mit Kommentaren

  • Es gibt verschiedene Wahrheiten.



    Einmal die objektive, die also nicht von gesunden Menschen "interpretiert" werden kann, und dann die "Erlebniswahrheit", die jeder Mensch differenziert "wahrnimmt". Da geht es naemlich hauptsaechlich um die Erinnerungsfaehigkeit der einzelnen Personen. Hat mit der Wahrheit wenig zu tun.



    Ausserdem spielt die "Wahrnehmungsfaehigkeit" fuer die Darstellung der Wahrheit eine grosse Rolle. Wenn die nicht gegeben ist, dann befinden wir uns im Sandkasten der Einbildungen wieder.



    habe die Ehre

  • Hierzu sei noch auf ein drittes, entscheidendes Spektrum hingewiesen.


    Wahrheitswert, wie steht es darum.
    Wieviel wird einer Aussage Wert gegeben, was ist glaubwürdig oder bewiesen.


    Meiner Meinung nach ist dies der springende Punkt in der Wahrheitsfindung und letztendlich in der Wahrheit der Sache selbst.


    Wahrheit ist so vielschichtig, hat so viele Facetten und ist doch nur ein Wort.
    Das Streben nach Wahrheit ist seit Menschengedenken unser ewiges Ziel.
    Müssen wir immer die "Wahrheit sagen , ist es nicht angenehmer, in manchen Situationen den Menschen zu schonen ?

  • Ich glaube, es ist nur dann legitim, den Menschen durch Lüge bzw. durch Schweigen zu schonen, wenn der Mensch selbst ausdrücklich gesagt hat, dass er (m/w) es so will. Ich kenn z.B. die Frauen, die sagen: Wenn mein Ehemann/Freund ab und zu fremd gehen wil, sei es ihm gegönnt, aber er muss es so tun, dass ich es nicht weiß. Das Gleiche wird auch dem Ehemann/Freund gesagt: Wenn Dur fremdgehen willst, tu es so, dass ich es nicht weiß.


    So ist es in Ordnung, dem Menschen keine Wahrheit zu sagen, um ihn zu schonen. Ansonsten nicht. Wenn z.B. der Ehemann weiß, dass die Frau kein Fremdgehen akzeptiert, und wenn er dann doch fremdgeht und danach verschweigt unter Begründung "Ich will sie ja nur schonen", dann ist es ziemlich fiese Sache. Das hat nicht mit schonen zu tun, sondern mit hintergehen oder so.


    Grundsätzlich glaube ich, dass man dem Menschen immer die Wahrheit sagen muss, zumindest in so einem Umfang, in welchem diese Wahrheit zu dem Zeitpunkt bekannt ist. Das hat mit dem Respekt zu tun und mit der Würde. Um aus der "selbstverschuldeter Unmündigkeit" auszutretten und eben als ein aufgeklärter Mensch handeln zu können, muss man auch die Wahrheit wissen, was um einen herum passiert... die "Schonlügen" dringen den Menschen zurück in die Unmündigkeit. Abgesehen davon haben alle Lügen bzw. Verschweigen von Wahrheit mit Manipulation zu tun.


    Wie gesagt, wenn der Mensch selbst entscheidet, dass er in der Unmündigkeit bleiben will, sei es ihm gegöhnt. Aber ansonsten... Ich will nicht angelogen werden, auch wenn mein Gegenüber meint, dass er mich damit "schont". Ich verzichte auf diese Schonung. Und ich werde einen anderen auch nicht anlügen. Meint Ihr, es ist falsch? Ich frage nicht deswegen, weil ich dann meine Entscheidung ändern würde, ich möchte halt Eure Meinungen wissen.

  • Ist es für dich Lüge, statt die Sache zu benennen, eimal nur nichts zu sagen?
    Ist es schlimm, einen Menschen schonend etwas Schlimmes beizubringen?
    Ist es nicht eher Menschlichkeit, bestimmte Dinge nicht gleich voll zu offenbaren?


    Beispiele hierfür


    Der Tod eines geliebten Menschen wenn der Betreffende selbst schwer krank ist


    Eine schwere Krankheit die mit dem Tode enden wird



    Darüber meinte ich zu schreiben


  • Wenn ich schwere Krankheit habe, die mit dem Tode enden wird, will ich AUF JEDEN FALL es so früh wie möglich wissen, weil, erstens, gibt es immer die Möglichkeiten irgendwelche Lösungen zu suchen, z.B. bei nicht traditioneller Medizin und so. Es gibt genug Beispiele, dass die Leute von der Schulmedizin aufgegeben wurden und dann die Heilung woanders gefunden haben. Es wurde auch Krebs geheilt und so. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Zum Beispiel der bekannte russische Schriftsteller Solschenizyn hatte schwerer Krebs und wurde von den Ärzten informiert, dass er bald sterben wird und das ganz bestimmt. Er hat aber gekämpft und gesiegt. Nach diesem Todesurteil lebte er noch mehrere Jahrzehnten und hat 4 gesunde Kinder gezeugt und großgezogen. Hätte er nich gewusst, dass er so sclimm krank ist, hätte er keine Chance, das Leben zu gewinnen.


    Abgesehen davon: Wenn ich z. B. nur noch ein Jahr oder wenige Monaten zum Leben habe, will ich die wichtige Sachen erledigen, die im Allteg einfach verloren gehen, wenn man denkt, dass man noch lange lebt.


    Solche Wahrheiten (wie auch alle andere) über mich will ich wissen. Das hat mit meiner Würde zu tun, mit meiner Entscheidungsfreiheit (z.B. mit Entscheidungsfreiheit darüber, was ich in den letzten Monaten meines Leben erledigen will).


    *********


    "Der Tod eines geliebten Menschen wenn der Betreffende selbst schwer krank ist"?


    Es kommt auf die Umstände an. Wen man z.B. eine tödliche Krankheit hat und man will ja die geliebte Menschen um sich herum haben, sich von ihnen verabschieden zu können und so... un wenn man dann nicht weiß, warum der geliebte Mensch nicht da ist... ist es einfach zu ertragen? Man wird sich ja die ganze Zeit Sorgen machen und alles Mögliche einbilden... ist so eine Lüge bzw. Verschweigen wirklich SO schonend?


    ********


    "Ist es nicht eher Menschlichkeit, bestimmte Dinge nicht gleich voll zu offenbaren?"


    Nein. Ich will wissen, voran ich bin.


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    "Ist es für dich Lüge, statt die Sache zu benennen, eimal nur nichts zu sagen?"


    Ja.


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    "Ist es schlimm, einen Menschen schonend etwas Schlimmes beizubringen?"


    SELBSTVERSTÄNDLICH muss die Wahrheit schonend beigebracht werden. Aber sie muss eben BEIGEBRACHT werden und nicht weggesteckt.

  • Ich verstehe das vollkommen und kann es auch sehr gut nachvollziehen.
    Bleiben wir mal bei der Hiobsbotschaft einer unheilbaren Krankheit.
    Sicher muss der Patient aufgeklärt und informiert werden, je eher desto besser sind noch die eventuellen Chancen einer Linderung oder Lebensverlängerung.


    Was ich hierbei zu beachten gebe, ist das seelische Gleichgewicht-ist es stabil genug oder bricht es zusammen und der Mensch wird zu einem Fall für den Nervenarzt und "des Lebens müde".
    Also ist hierbei gesunder Menschenverstand und eine Portion Menschenkenntnis nötig.

  • Wahrheit, sagen Sie die Wahrheit sie haben es doch getan, geben Sie es zu.


    Der mutmaßliche Mörder, Dieb, Gewalttäter wird aufgefordert, die Wahrheit zu sagen.
    Er hat das Recht, sich nicht selbst zu belasten, nichts zu sagen und wird eventuell lügen.
    Direkte Verwandte, Ehepartner dürfen die Aussage verweigern.


    Auch hier spielt die Wahrheit ihre Rolle.

  • Was ich hierbei zu beachten gebe, ist das seelische Gleichgewicht-ist es stabil genug oder bricht es zusammen und der Mensch wird zu einem Fall für den Nervenarzt und "des Lebens müde".
    Also ist hierbei gesunder Menschenverstand und eine Portion Menschenkenntnis nötig.

    Man kann nie wissen, wie ein Mensch in einer extremalen Situation sich verhält. Das weiß ja auch nicht einmal der betroffene Mensch selbst. Und ein Außenstehender schon sowieso nicht. Da hilft kein "gesunder Menschenverstand" und keine "Portion Menschenkenntnis". Gesunder Menschenverstand ist sowieso Chimäre, die für die eigene Selbstbefriedigung erfunden wurde.


    Wenn jemand ausdrücklich sagt "Ich will nicht wissen, wenn mir was Schlimmes zustoßt", dann muss/darf er verschont werden. Ansonsten muss man sich nicht an eigenen "gesunden Menschenverstand" orientieren, sondern an Menschenwürde und Aufklärungsideale. Ich habe schon mal erlebt, dass man mir etwas verschweigt unter Begründung, dass man mich schonen möchte. Das war fies. Und im Endeffekt wollte man eh sich selbst von meinen Reaktionen schutzen und die Möglichkeit zu bekommen, mein Verhalten in die erwünschte Richtung zu steuern (also quasi mich zu manipulieren) als mich zu von der "schlimmen" Wahrheit zu schonen.

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