Gut geschützt bei Terrorgefahr

  • Ein kurzer Bericht in der Süddeutschen erinnert mich an ein Ferienerlebnis in Zeiten des Terrors ... und bietet gleichzeitig Gelegenheit, ein unwesentliches "Geheimnis" zu lüften.


    Flughafen Köln/Bonn, Start in ein Land außerhalb der EU-Grenzen. Nichts Besonderes. Wir kennen die Formalitäten. Unsere Gedanken kreisen schon um Muße und Erholung, haben
    Grenzformalitäten und Kontrollen längst hinter sich gelassen. Nun ist zwar nichts so müßig, wie nutzlos in einer Warteschlange die Zeit zu vertrödeln, aber die rechte Muße bringt es eben doch nicht. Also gehen wir erst ca. 40 Minuten vor der Abflugzeit gut gelaunt zur Passkontrolle,
    die wir auch ohne Wartezeit passieren können.
    Eine freundliche Begrüßung und ein Lächeln versetzen sogar die mürrischen, in ihren Kabinen "eingesperrten" Beamten, in gute Laune. Zufrieden schlendern wir weiter, spekulieren, wer wohl diesmal den Gürtel oder die Schuhe ausziehen muss. Denn niemals ist es für alle wirklich ganz gleich.


    Auch bei der Sicherheitskontrolle stehen nur wenige Passagiere vor uns. Interessiert beobachten wir, wie eine junge Frau ihre vorschriftsmäßig in einem durchsichtigen Plastikbeutel verpackten Fläschchen, Nagelfeilen, Sprays usw. aus ihrer Handtasche zieht und dem Mann auf der anderen Seite stolz entgegen hält.


    Mensch, denk ich, das wusstest du doch! Da lag doch bei den Tickets eine ellenlange Erklärung zu den Sicherheitsbestimmungen! Aber ich hatte nur ungläubig darüber gelächelt, mir überlegt, welchen Sicherheitsvorteil es wohl bringen könnte, Kosmetikartikel in eine Plastiktüte zu stecken, bevor man sie in den Tiefen der Handtasche versenkt. Verhindert das Auslaufen von Flüssigkeit, war mir nur eingefallen. Nicht ganz unpraktisch, aber in meiner Handtasche war noch nie etwas ausgelaufen!


    Dabei muss ich gestehen - nein, ich fühl mich ja gar nicht ertappt, wenn jemand eine Bemerkung dazu macht, ich sag es jedem, der es wissen will, ganz ohne schlechtes Gewissen: Meine Handtasche ist ein untrügliches Indiz für die Langsamkeit, mit der sich die Menschheit entwickelt. Sieht man von der Farbe ab, könnte sie problemlos aus der Zeit stammen, als die Frauen noch eifrig Beeren und Kräuter sammelten, während die Männer Adrenalin gesteuert und mit Tunnelblick der Spur des Säbelzahntigers folgten.


    Die pflichtbewusste junge Frau, die sich brav an die Vorschriften gehalten hatte, wird inzwischen ziemlich rüde von dem Sicherheitsbeamten angegangen. Heftige Diskussionen entstehen, zuerst für mich unverständlich, dann lauter. Der Beutel ist zu groß und nicht
    wieder verschließbar. Meine Gott! Ich versuche mich an den Wortlaut der Vorschriften zu erinnern. Langsam wird mir doch etwas mulmig. Was habe ich denn eigentlich alles in meiner Handtasche? Plastikbeutel jedenfalls nicht! Aber mit Sicherheit mein Parfum mit dem Namen Escape, Deo, Handcreme???..... kann ich, bis auf das Parfum, einfach da lassen. Das Parfum wird man ja wohl am Geruch als solches identifizieren???? Ich lauf doch jetzt nicht für so einen bescheuert normierten Plastikbeutel durchs Gelände! Ist zudem peinlich und hält auf.


    Der Beamte blickt mich an, ich lächele ....und ohne Vorkontrolle verschwindet meine Tasche langsam hinter dem Gummivorhang, um durchleuchtet zu werden. Na dann! Ich geh weiter zu der Beamtin, die für die Leibesvisitation zuständig ist. Sie blickt sehr ernst, arbeitet routiniert und schnell. Schon glaube ich, alles überstanden zu haben, die Abflugzeit rückt schließlich auch immer näher, da zeigt die Dame streng auf meine inzwischen sicherheitstechnisch überprüfte Handtasche. Für die Sicherheit tut man alles und dazu ohne murren. Ich nehme Zeitungen und Bücher heraus, einen bunten Seidenschal.... überlege, ob ich die Tasche auskippen soll, entscheide mich dann aber, gezielt nach den gesuchten Gegenständen zu forschen. Da es sich um einen Beutel mit enormem Stauraum handelt, gestaltet sich das durchaus schwierig. Schuldbewusst halte ich ihr endlich Deo, Handcreme und mein Parfum entgegen und hoffe, sie damit zufrieden zu stellen. Aber sie greift ohne zu zögern in die Tiefen der Tasche und durchwühlt akribisch meine persönlichen Dinge. Langsam komme ich mir vor wie ein Schwerverbrecher. Die Leute hinter uns gucken neugierig. Grundsätzlich hab nichts dagegen, im Mittelpunkt zu stehen, aber so eine Aktion? Ich möchte im Boden versinken.
    Es kommt aber noch schlimmer. Da ich ohne "Escape" nicht reisen will, bleibt mir nichts anderes übrig, als unter den hämischen Blicken der noch Wartenden zu dem Automaten zu hetzen, aus dem auch die junge Frau vor mir schlussendlich den sicherheitstechnisch vorgeschriebenen Plastikbeutel gezogen hat. Zur Abwechslung darf ich aber jetzt erst mal selbst in der Tasche kramen, ich brauch nämlich Kleingeld: Einen Euro für vier! Beutel. Darüber wundere ich mich erst später. Vielleicht eine gezielte Maßnahme zur Stärkung des Aufschwungs?


    Meine Gelassenheit ist endgültig dahin, als ich mit zittrigen Händen schließlich aus einer gelben Verpackung, die sich natürlich nicht schnell öffnen lässt, vier Beutel gezerrt habe. Sie sind so ineinander gefaltet, dass man notwendig erst mal alle herausziehen und dann "vereinzeln" muss. Erleichtert und gleichzeitig auch verdutzt über den ganz alltäglichen Haushaltsgegenstand in meiner Hand, der in identischer Ausführung dutzendweise in einer meiner Küchenschubladen ruht, packe ich zu guter Letzt mein Gefahrgut in den Sicherheitsbeutel, verschließe ihn ordnungsgemäß und kann dann tatsächlich den Schauplatz meiner Schande und meines demonstrativen "Ungehorsams" verlassen.


    Im Nachhinein kann ich nur sagen: Mir ist Recht geschehen. Man darf Anordnungen nicht leichtfertig ignorieren, schon gar nicht in Zeiten allumfassender Terrorgefahren. Ich bin ja geradezu die ideale Terroristin: auch auf den zweiten Blick noch völlig harmlos. Das sind die Gefährlichsten!



    Sehr beruhigend ist da für mich der oben angesprochene Bericht, in dem es heißt, die Europaparlamentarier hätten sich dafür ausgesprochen, grundsätzlich "alle Sicherheitssregeln an den Flughäfen nach sechs Monaten zu überprüfen". U. a. sind ihnen die Regeln zur Mitnahme von Kosmetika "suspekt". Auch "Wein, Whisky und andere wertvolle Flüssigkeiten" sollen nicht mehr in den Müll wandern. Man will tatsächlich Informationen sammeln, ob "alle Sicherheitsmaßnahmen überhaupt sinnvoll" sind. Das zeugt von überlegtem und verantwortungsbewusstem Handeln.
    Dass die Sicherheitsvorkehrungen zunächst eilig mit heißer Nadel gestrickt werden -man muss ja vor allem schnell reagieren- ist unvermeidbar.
    Es ist auch gar nicht so leicht zu erkennen, dass "viele Regeln sich dem normalen Menschen nicht erschließen".
    Man kann darüber spekulieren, was jetzt zu dieser Einsicht führt. Schließt die Liebe zum Whisky ihn als Terrorrisiko aus? Sind Zahnpastatuben, Deoroller und Parfumflakons bei genauer Betrachtung doch eher ungeeignet als Gefahrgutbehälter? Oder gibt die Tatsache, dass der Pilot kein Messer mit ins Cockpit nehmen darf, dort aber eine Axt an der Wand hängt, den Ausschlag?
    Vielleicht muss man aber auch einfach froh sein, dass es sich nicht um eine Einzelmaßnahme gehandelt hat, weil erst die Vielzahl der Ungereimtheiten zum Nachdenken in Brüssel führt.


    Wie immer dem auch sei, wir werden vor jeder denkbaren Terrorgefahr optimal geschützt und die Maßnahmen werden sogar nach sechs Monaten auf ihre Tauglichkeit hin überprüft. Mehr kann man nun wirklich nicht verlangen!




  • Die letzte Antwort auf dieses Thema liegt mehr als 365 Tage zurück. Das Thema ist womöglich bereits veraltet. Bitte erstellen Sie ggf. ein neues Thema.